Neu-Ulmer Zeitung

Ein Stück USA ist immer noch da

Zwischen 1951 und 1991 lebten mehrere Tausend amerikanis­che Soldaten in den Neu-Ulmer Kasernen. Einige von ihnen haben hier eine neue Heimat gefunden – der Liebe wegen

- VON DORINA PASCHER

Als Charles Courtney sich 1948 für den amerikanis­chen Militärdie­nst meldete, war er überzeugt: Die Armee schickt ihn von Ohio nicht weiter als in das rund 700 Kilometer entfernte New Jersey. Doch schon im selben Jahr ging es für den heute 84-Jährigen nach Deutschlan­d. Mehr als 7000 Kilometer von seiner Heimat entfernt.

So wie Courtney ging es vielen amerikanis­chen Soldaten. Einige kamen in die beiden Neu-Ulmer Kasernen: die Wiley und die Nelson Baracks. Zu Hochzeiten waren dort schätzungs­weise 8000 bis 9000 Soldaten stationier­t – und manche von ihnen haben hier eine neue Heimat gefunden. Selbst nachdem die Kaserne 1991 geschlosse­n wurde. Ehemalige US-Soldaten, Angehörige und Freunde treffen sich jeden zweiten Donnerstag im Monat beim Stammtisch der „Donau-Americans and Friends“. Jedes Mal findet das Treffen im Edison-Bistro statt, das sich auf dem Gebiet der ehemaligen Wiley-Kaserne befindet.

Charles Courtney ist dieses Mal nicht allein gekommen. Seine Frau Renate, eine Ulmerin und ihre beiden erwachsene­n Kinder Angie und Michael begleiten den 84-Jährigen. Das Ehepaar hat sich 1956 kennengele­rnt. Renates Vater besaß ein Restaurant in Ulm, Charles war sein Gast. „Mein Vater war damals nicht begeistert von der Beziehung“, erzählt die 79-Jährige. Das hielt das deutsch-amerikanis­che Paar nicht davon ab, 1959 zu heiraten. Ihre Kinder sind sowohl mit der amerikanis­chen als auch der deutschen Kultur aufgewachs­en. „Wir hatten von beiden Seiten das Beste: So kam am 24. Dezember das Christkind und am Tag darauf Santa Claus“, erinnert sich Angie. Thanksgivi­ng und Halloween waren ebenfalls feste Feiertage im Jahr. Am 31. Oktober in Grusel-Kostümen von Haus zu Haus ziehen, war in der Kaserne schon vor Jahrzehnte­n üblich. „Die Militärbas­is war immer schon ein ,Little America’“, sagt Angie. Doch auch nach der Schließung von „Klein-Amerika“vermisst Chuck seine Heimat nicht. „Solange er sein amerikanis­ches Fernsehen hat, ist alles gut“, fügt seine Ehefrau hinzu und lacht.

Etwas anders ergeht es Bob Lindsey. Er kam 1958 nach Deutschlan­d und lernte während seiner Zeit als Sergeant Major (Oberstabsf­eldwebel) in der Wiley-Kaserne seine Frau Rose kennen. Er vermisst seine Heimat und ist der Überzeugun­g: „Amerika ist mein Land.“Doch die deutsche Lebensart habe auch ihre Vorteile. Die Menschen seien weniger gehetzt als in Amerika – und überhaupt: „Das deutsche Bier ist das beste.“

Das kann auch Sam Garner bestätigen. Er liebt nicht nur den Gerstensaf­t, sondern vor allem die deftigen deutschen Speisen. Aber vor allem wegen der Liebe zu seiner Frau ist er in Neu-Ulm geblieben. Und wenn er Heimweh bekommt, dann trifft er sich mit seinen Landsleute der „Donau-Americans and Friends“. „Eigentlich hatte ich nie das Gefühl, weit weg von Zuhause zu sein – denn die Gruppe ist wie eine Familie für mich“, sagt der 65-Jährige.

In der Vereinigun­g sind nicht nur ehemalige US-Soldaten vertreten. Auch Deutsche, die einen besonde- ren Bezug zu den USA haben, sind herzlich willkommen. Die „DonauAmeri­cans“unterstütz­en sich gegenseiti­g, besuchen Mitglieder im Krankenhau­s oder feiern gemeinsam

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Archivfoto: Rose Böttcher Schätzungs­weise 8000 bis 9000 US amerikanis­che Soldaten lebten zu „Hochzeiten“in den beiden Neu Ulmer Kasernen. Einige sind geblieben – vor allem wegen der Liebe.
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Foto: Dorina Pascher Charles und Renate Courtney haben sich 1956 in Ulm kennenge lernt – und drei Jahre später geheiratet.
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Foto: Dorina Pascher Jerry Aman (links) organisier­t die Treffen der „Donau Ameri cans and Friends“.

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