Wie die Geschichten aus 1001 Nacht wirklich enden
Die Arabistik-Professorin Claudia Ott gibt in einem Lese-Konzert an der Hochschule Neu-Ulm außergewöhnliche Einblicke
„1001 Nacht“ist ein vielfach bearbeiteter Klassiker der Weltliteratur. Eine der profundesten Kennerinnen der fast 2000 Jahre alten Sammlung orientalischer Erzählungen ist die deutsche Arabistik-Professorin Claudia Ott. Auch für sie war es eine absolute Sensation, als sie in einer kleinen Bibliothek im türkischen Kayseri in einem falsch beschrifteten Schuber ein uraltes Manuskript entdeckte. Es erzählt ein bislang unbekanntes Ende der Rahmenhandlung von „1001 Nacht“. Ott übersetzte die Handschrift. In einem Lese-Konzert an der Hochschule Neu-Ulm faszinierte die Professorin ihr Publikum mit ihrer lebendigen Erzählkunst, ihrer fundierten Kenntnis und als Könnerin an der Nay-Flöte. Ott spielte gemeinsam mit dem Weltmusik-Pionier Roman Bunka (Oud) und dem ägyptischen Musikethnologen Issam El Mallah (an arabischen Trommeln).
Vorlesen ist für die gebürtige Tübingerin Claudia Ott, die am Rand hungszeit der Erzählungen falle in eine Zeit, in der Religion selbstverständlicher Teil des Lebens gewesen sei, der Islam noch toleranter war, sagt sie und spricht von „Betonköpfen“der Gegenwart.
Das Publikum erfährt, dass der Titel „1001 Nacht“erstmals 1151 schriftlich erwähnt wurde, dass das Buch im neunten Jahrhundert noch „1000 Nächte“hieß – und dass dies dadurch gesichert ist, dass eine Titelseite erhalten ist, als Schmierblatt eines Notars verwendet und mit Zeitangaben versehen. Aber weshalb spielt die Rahmenhandlung, die Ott durch ihre Entdeckung in Kayseri vervollständigen und wohl als erster Mensch übersetzen konnte, nicht in Arabien, sondern viel weiter östlich? Die Brüder Schahriyar und Schahsaman sind sassanidische Herrscher von Indien und China beziehungsweise von Samarkand. Wer im Mittelalter in Kairo oder Damaskus lebte, für den war die Faszination Orient mit einem Blick weiter nach Osten verbunden, erklärt Claudia Ott. „Auch der Orient hatte seine Orientfantasien.“China sei „der Orient des Orients“gewesen. So ist es wohl auch zu erklären, dass die eigentlich altindisch-persischen Vorläufer von „1001 Nacht“zu arabischen Geschichten wurden.
Wie die Rahmenhandlung um die Brüder Schahriyar und Schahsaman und die kluge und belesene junge Wesirtochter Schahrasad endet? Sie erzählt 1001 Nacht lang buchstäblich um ihr Leben und lässt jede Geschichte an der spannendsten Stelle enden, um nicht von Schahriyar getötet zu werden wie so viele Frauen vor ihr. Glücklich und völlig anders als bislang beschrieben, weiß Claudia Ott, die sich selbst als „Handschriften-Fetischistin“bezeichnet: Schahrasads Bildung rettet ihr das Leben und bringt den grausamen Herrscher zur Umkehr, indem sie ihm die Geschichte seiner eigenen Verblendung erzählt. Der Sultan befiehlt, Schahrasads Erzählungen aufzuschreiben.