In Ostberlin galt er als „gesellschaftlich unreif“
deutsche Maler der Gegenwart, einigermaßen milde und humorvoll. Dabei gehören das Missfallen und das Widerborstige zu seinem Lebensprogramm.
Das beginnt gleich in Ostberlin, wo der 1938 in Deutschbaselitz geborene Hans-Georg Kern 1957, nach gerade mal zwei Semestern, wegen „gesellschaftlicher Unreife“von der Hochschule fliegt und in den Westteil der Stadt wechselt. Mit einer Fluppe posiert er gerne vor seinen Bildern, damals noch mit dichtem Haupthaar. Und schon mit der ersten Soloausstellung 1963 in der Galerie Werner & Katz provoziert Baselitz, der sich inzwischen nach seinem Heimatort nennt, den Skandal schlechthin: Sein „Nackter Mann“(1962) mit Riesenpenis und ein onanierender Bub mit HitlerBärtchen unter dem Titel „Die große Nacht im Eimer“(1962/63) sind für die prüden Nachkriegsjahre mindestens „unzüchtig“, wie die Berliner Zeitung titelt, und werden von der Staatsanwaltschaft sofort beschlagnahmt.
Für seine Familie, die der Künstler eben erst gegründet hat, ein Desaster. Und doch kommt bei allen Entbehrungen der Eklat zur rechten
Zeit. Die Kunstszene wird aufmerksam auf den eigensinnigen Einzelgänger, den die angesagte Abstraktion vollkommen kalt lässt. Und der stattdessen am Gegenständlichen festhält, das er in kraftvollen Gesten auf die Leinwand donnert, um da-
mit in die Wunden der deutschen Seele zu zielen. Die havarierten „Helden“, die bei Baselitz in zerlumpten Uniformen durch zerstörte Landschaften torkeln und die nach wie vor zum Eindrucksvollsten in diesem OEvre zählen, wirken wie
Störenfriede, die in die Euphorie des Wirtschaftswunders platzen. Und dann fängt dieser Spielverderber auch noch an, Motive zu zerlegen, um sie in seinen „Frakturbildern“wieder zusammenzufügen, sodass vor allem die Brüche zum Thema