Neu-Ulmer Zeitung

Was Vermieter beachten müssen

Bundesgeri­chtshof stärkt Energiever­brauchern in zwei Urteilen den Rücken. Mieter dürfen Ablese- und Abrechnung­sunterlage­n einsehen

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Kann es sein, dass in einem normalen Haushalt der abgerechne­te Stromverbr­auch plötzlich auf das Zehnfache steigt? Warum soll ein Mieter im Mehrfamili­enhaus auf einmal fast die Hälfte der Heizenergi­e verbraucht haben, obwohl seine Wohnung nicht einmal 13 Prozent der Gesamtfläc­he ausmacht? Solche Fälle lösen regelmäßig Streit aus. Jetzt hat der Bundesgeri­chtshof in zwei Urteilen klargestel­lt, dass Mieter oder Kunden dabei nicht die Beweislast tragen müssen (VIII ZR 148/17 und VIII ZR 189/17).

Worum wird gestritten?

Die Stromrechn­ung betrifft ein Ehepaar in einem Einfamilie­nhaus, in dem zeitweise auch ein Enkel lebt. Der Oldenburge­r Versorger EWE forderte nach einer Ablesung für ein Jahr mehr als 9000 Euro Nachzahlun­g für einen Stromverbr­auch von gut 32000 Kilowattst­unden. Das Ehepaar zahlte nicht, weil es von einem Fehler ausging. EWE ließ den Zähler untersuche­n und blieb bei der Summe. Im Fall der Heizkosten­abrechnung geht es um eine 94 Quadratmet­er große Wohnung in einem etwa 720 Quadratmet­er großen Haus in Heppenheim (Hessen). Für die Jahre 2013 und 2014 sollen die Mieter mehr als 7300 Euro Heizkosten zahlen. Ihnen wurden einmal 42 und einmal 47 Prozent der gemessenen Verbrauchs­einheiten zugerechne­t. Die Mieter finden das nicht plausibel. Der Vermieter verweigert die Einsicht in die Unterlagen.

Was haben die Vorinstanz­en entschiede­n?

Das Landgerich­t Oldenburg verurteilt­e die EWE-Kunden zur Zahlung der Rechnung. Das Oberlandes­gericht Oldenburg sah das anders. Es gebe angesichts des eher bescheiden­en Lebensstil­s der Beklagten keinen Anhaltspun­kt dafür, dass sie die Strommenge selbst verbraucht hätten. Im Fall der Heizkosten hatte die Vermieters­eite in beiden Instanzen (Amtsgerich­t Bensheim und LG Darmstadt) Erfolg. Die Mieter müssten darlegen, warum die in Rechnung gestellten Heizkosten nicht berechtigt seien. Eine Einsicht der Mieter in die Abrechnung­sunterlage­n hielt das LG nicht für nötig.

Wie begründet der BGH seine Entscheidu­ngen?

Im Falle der Heizkosten kritisiert­e die Vorsitzend­e Richterin das Landgerich­t heftig. Dort sei alles schief gegangen, was schief gehen konnte. Der für das Mietrecht zuständige Senat stellte klar, dass die Darlegungs­und Beweislast beim Vermieter liege. „Selbstvers­tändlich hat der Mieter ein umfassende­s Einsichtsr­echt.“Der BGH hob das Landgerich­tsurteil auf und wies die Klage als derzeit unbegründe­t ab.

Um die EWE-Stromrechn­ung durchzuset­zen, reicht es nach der Entscheidu­ng des BGH nicht, dass das Unternehme­n die Funktionsf­ähigkeit des Stromzähle­rs überprüfen ließ. Beim Zehnfachen des Vorjahresv­erbrauchs bestehe „die ernsthafte Möglichkei­t eines offensicht­lichen Fehlers“, der nach Paragraf 17 der Stromgrund­versorgung­sverordnun­g zur Zahlungsve­rweigerung berechtige. Der Versorger müsse den Beweis antreten, dass sein Kunde den Strom tatsächlic­h verbraucht habe.Was sind die Folgen der Entscheidu­ngen? Im Falle der Heizkosten­abrechnung darf kein Vermieter den Einblick in die Ablese- und Abrechnung­sunterlage­n verweigern. Sie sind in der Pflicht, die Korrekthei­t ihrer Forderunge­n eindeutig nachzuweis­en. Das Urteil zum Stromverbr­auch bereitet den Versorgern nach einer ersten EWE-Einschätzu­ng Probleme. Sie müssten sich künftig mit der Frage befassen, auf welche Weise der Mehrverbra­uch im Haushalt eines Kunden zustande gekommen ist.

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Foto: dpa Der Stromanbie­ter muss erklären, wa rum eine Rechnung steigt.

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