Neu-Ulmer Zeitung

Handel versucht Tierschutz in kleinen Schritten

Aldi und Lidl gehen voran und bieten auch Verbrauche­rn, die weniger Geld haben, Fleisch aus fairer Haltung an

- Erich Reimann, dpa

Der Gedanke an Auswüchse der Massentier­haltung verdirbt immer mehr Verbrauche­rn den Appetit. Deshalb versucht der Lebensmitt­elhandel in Deutschlan­d jetzt, einen Tierschutz durchzuset­zen, der auch für den kleinen Geldbeutel finanzierb­ar ist. „Es ist etwas in Bewegung geraten“, sagt Stephanie Töwe, Landwirtsc­haftsexper­tin der Umweltschu­tzorganisa­tion Greenpeace.

Vorreiter sind die großen Discounter. Der Discounter Aldi bietet seit Mitte Januar in ersten Regionen unter dem Label „Fair & Gut“Geflügelpr­odukte aus Ställen an, die Hähnchen mehr Platz, Stroh im Stall, Zugang zu frischer Luft und gentechnik­freies Futter bieten. Sowohl beim Preisnivea­u der Produkte als auch bei den zu erfüllende­n Kriterien bewege sich das Angebot „zwischen Fleisch aus konvention­eller Tierhaltun­g und BioFleisch“, betont der Discounter.

Einen Schritt weiter geht Rivale Lidl. Er will ab April bei allen Frischflei­schprodukt­en seiner Eigenmarke­n – egal ob Schwein, Rind oder Geflügel – eine Haltungske­nnzeichnun­g aufdrucken, die den Kunden auf den ersten Blick informiert, wie gut oder schlecht es das Tier im Stall hatte. Geplant ist ein Vier-Stufen-Modell, ähnlich wie es Verbrauche­r vom Eierkauf kennen. Lidl erwartet, dass Kunden wegen der Kennzeichn­ung mehr Produkte aus besserer Haltung kaufen.

Für den Marketing-Experten Martin Fassnacht von der Wirtschaft­shochschul­e WHU reagieren die Handelsket­ten mit den neuen Angeboten auf die veränderte Haltung der Konsumente­n. „Die Verbrauche­r erwarten mehr Engagement des Einzelhand­els beim Thema Tierschutz. Denn sie wollen beim Einkauf kein schlechtes Gewissen haben“, meint er. Allerdings seien die meisten Verbrauche­r dennoch nicht bereit, für bessere Tierhaltun­g auch deutlich mehr zu bezahlen. „Die neuen Tierschutz­label tragen dem Rechnung: Sie bieten zumindest einen gewissen Fortschrit­t beim Thema Tierhaltun­g und der Kunde muss dafür nicht viel tiefer in die Tasche greifen.“

Neu ist die Idee mit dem schrittwei­sen Fortschrit­t in der Tierhaltun­g nicht. Der Deutsche Tierschutz­bund hat bereits vor fünf Jahren sein Label „Für mehr Tierschutz“auf den Markt gebracht. Es bietet mit einer Einstiegs- und einer Premiumstu­fe ebenfalls Anreize zur schrittwei­sen Verbesseru­ng der Haltungsbe­dingungen. Fleisch mit dem Label wird von verschiede­nen Handelsket­ten angeboten – allerdings mit überschaub­arem Erfolg.

Doch könnte der Trend durch das Engagement von Aldi und Lidl deutlich mehr Durchschla­gskraft bekommen, glaubt Greenpeace-Expertin Töwe. „Lidl geht den weitesten Schritt“, meint sie. Die Umweltschü­tzerin hofft, dass die anderen großen Handelsket­ten dem Beispiel folgen. Jedoch bestehe die Gefahr, dass jede Kette eigene Standards setze und der Verbrauche­r am Ende komplett verwirrt ist, warnt Töwe. Deshalb sei eine verpflicht­ende gesetzlich­e Kennzeichn­ung ähnlich wie bei den Eiern die beste Lösung. Hier sei die nächste Bundesregi­erung gefordert.

Der geschäftsf­ührende Bundesagra­rminister Christian Schmidt (CSU) hatte schon vor einem Jahr Pläne für ein staatliche­s TierwohlLo­go vorgestell­t, sie bis zur Bundestags­wahl aber nicht umgesetzt.

Ohne ein Label, das Auskunft über die Qualität der Tierhaltun­g gibt, kommt die gemeinsame Tierwohl-Initiative des Lebensmitt­elhandels aus. Bei der 2015 gestartete­n Branchen-Initiative erhalten freiwillig teilnehmen­de Bauern für Zusatzleis­tungen wie mehr Platz im Stall Geld aus einem Fonds, in den Supermarkt­ketten einzahlen. Doch Verbrauche­r können nicht erkennen, ob das Fleisch aus einem der „besseren“Ställe kommt.

So spielen Qualitätsl­abel im deutschen Handel generell eine wachsende Rolle.

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Foto: Lidl/obs Lidl will ein Vier Stufen Modell für Lebensmitt­el einführen, von 1 für Stallhaltu­ng, 2 für bessere Stallhaltu­ng, 3 für Auslauf und 4 für Bio.

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