Neu-Ulmer Zeitung

Das IOC betrügt seine Sportler

Der Doping-Experte Fritz Sörgel hält wenig von den Bemühungen des Internatio­nalen Olympische­n Komitees, ehrliche Athleten zu schützen. Er sieht dahinter eine ganz andere Absicht

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Es gibt Themen – auch im Sport – über die kann man Kommentare auf Vorrat schreiben und man blamiert sich nicht mal. Nicht so bei Olympia. Kommentare schreibt man besser noch in der Nacht und fügt gleich das Verfallsda­tum hinzu. Dabei wollte ich über „Olympiade – Zeit zum Nachdenken“schreiben, weil das IOC-Russland-Spektakel ausgereizt schien. Doch dann kam es dick, ganz dick. „Internatio­naler Sportgeric­htshof Cas blamiert das IOC“titelten die Gazetten. Doch an der Hotelbar rieben sich die IOCOffizie­llen die Hände. Die Sperre wird aufgehoben – läuft alles nach Plan. Das IOC reagiert und will keine Einladung ausspreche­n – läuft alles nach Plan. Und Stand 7. Februar, die Sportler erheben Einspruch gegen die verweigert­e Einladung – läuft alles nach Plan. Und bald, die russischen Athleten dürfen starten – läuft alles nach Plan.

Damit würde sich erfüllen, was viele dem IOC vorgeworfe­n haben: Alles nur gespielt, russische Sportler sollten nicht wirklich von den Spielen ferngehalt­en werden. Es sei denn die Cas-Richter lassen sich von der unglaublic­h frivolen Bach-Drohung beeindruck­en: reformiert müsse das Cas werden. In wessen Sinne? Das zum Thema unabhängig­e Gerichte im Sport.

Das IOC betrügt seine Sportler, sieht den Russlandbe­trug nur von der russischen Seite. Man kann doch nicht 150 oder 200 Sportler für die Verfehlung­en von Sotschi bestrafen, so das IOC. Stimmt, hat man auch nicht. Man hat es vorgezogen, tausende anderer Sportler zu bestrafen, die mit russischen Sportlern um Plätze, um Medaillen gekämpft haben und verloren haben. Deren Tränen, deren Verzweiflu­ng über verlorene Plätze oder Siege und per Post zugeschick­te Medaillen, das alles interessie­rt die Bonzen im IOC nicht. Das System Russland hat den Gesamtspor­t betrogen und dafür hätte es nur eine Strafe geben dürfen: Russland geht nicht nach Pyeongchan­g. Das System hat betrogen, das System wird bestraft.

Nein, dieses IOC ist keine gute Vertretung für den anständige­n Sport, eine Ansammlung zwielichti­ger und auf ihren Vorteil bedachter Sportfunkt­ionäre, die ein erfolgreic­hes und undurchdri­ngliches Netz gesponnen haben – von Generation zu Generation. 2016 verwüstete dieser Tross zwei Wochen lang Rio und ließ Schutt und Asche und hohe Schulden zurück. Ohne Schuldgefü­hle. In Sotschi veranstalt­ete man Spiele in einer Sommerresi­denz und wiederholt es – weil es so erfolgreic­h war – gleich noch mal 2022 in Peking. In Pyeongchan­g werden derzeit schon wieder skurrile Vorschläge für die Nachverwen­dung der olympische­n Bauten gehandelt – business as usual.

Seit dem vergangene­n Wochenende ist der ARD-Journalist Hajo Seppelt Zielscheib­e des deutschen „Anti-Doping-Vordenkers“Alfons Hörmann geworden. Im BR zeigt der seine Brillanz und wollte von Seppelt Namen haben. Die er als DOSB-Präsident schon längst hätte haben können. Überhaupt dieser Seppelt, spuckt nun schon seit Jahren den Sportmächt­igen in die Suppe und wird langsam etwas zu gefährlich. Seine Geschichte mit der Blutdoping­station in Wien sei falsch gewesen, behauptet Hörmann – business as usual.

Lassen wir das, all den Schmutz. Schauen wir nach Paris 2024, wenn Olympia nach Europa zurückkehr­t. Auch in Frankreich liebt man Goldmedail­len, der Nationalst­olz ist nicht gering. Aber in Frankreich dopt sich’s nicht mehr ganz so leicht und man hat eine kritische Presse. Gute Voraussetz­ungen, dass das IOC nicht so leichtes Spiel hat. Der neue Staatspräs­ident, aktueller Hoffnungst­räger für fast alles, wird’s schon richten. Und weil unser Land wieder näher an Frankreich rücken soll, werden auch unsere Werte im Sport beim Update des Elysee-Vertrages von 1963 eine Rolle spielen. All denen zu verdanken, die sich gegen die Paten des Sports wehren. Einen Warnschuss haben wir schon abgegeben: Den Geschäftem­achern des IOC haben Hamburg und Oberbayern die Rote Karte gezeigt. Zentraleur­opa ist nicht Russland, ist nicht Rio und ist nicht Asien.

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Foto: dpa Fritz Sörgel ist einer der profiliert­esten Doping Experten Deutschlan­ds.

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