Neu-Ulmer Zeitung

Spiele zwischen Krieg und Frieden

In der Antike war man sich einig: Keine Waffenkonf­likte während der Wettbewerb­e! Ein Sporthisto­riker erklärt, was aus diesem Gedanken geworden ist

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Herr Professor Wassong, wie sah der olympische Frieden in der Antike aus?

Zu den Olympische­n Spielen wurde immer die sogenannte Ekecheiria ausgelobt, ein „Weg-Frieden“. Das heißt sinngemäß, dass man in dieser Zeit die Hände fest bei sich hält. Dadurch sollte sichergest­ellt werden, dass die Athleten, die Zuschauer, aber auch die Wettkampfr­ichter einen sicheren Weg von ihrer Heimatstad­t nach Olympia und zurück hatten. Dieser „Weg-Friede“wurde für vier Monate ausgelobt, zwei Monate vor den Wettkämpfe­n und zwei Monate danach.

Das heißt, kriegerisc­he Auseinande­rsetzungen waren in der Welt der alten Griechen für die Dauer der Spiele untersagt?

Nein, das ist ein ganz grundlegen­des Missverstä­ndnis. Keine militärisc­he Auseinande­rsetzung hat aufgehört, weil die Spiele ausgetrage­n wurden. Da genügt ein Blick auf den Peloponnes­ischen Krieg und die vielen lokalen Konflikte. Ekecheiria bedeutete keinen Stopp von Kriegen, es war lediglich verboten, die Region von Elis, in der der Austragung­sort Olympia liegt, mit Waffen zu betreten. Bei einem Vergehen drohten Strafen. Hatte die Übereinkun­ft keine allgemein befriedend­e Wirkung?

Es ist durch die große Anzahl von bis zu 40000 Athleten und durch das internatio­nale Interesse an dem antiken Event schon davon auszugehen, dass eine Friedensso­gwirkung zum Zeitpunkt der Olympische­n Spiele zu spüren war. Das Sportfest wäre wohl auch nicht so populär gewesen und hätte auch nicht so lange gehalten, immerhin rund 1000 Jahre. Der Gründer der neuzeitlic­hen Spiele, Pierre de Coubertin, ließ die Tradition mit ähnlichem Ansinnen neu aufleben.

Ja, aber der französisc­he Baron wollte es weiter fassen und keine reine Kopie der Antike. Coubertin hatte sehr enge Kontakte zu Vertretern der aufkommend­en Weltfriede­nsbewegung, die sich Ende des 19. Jahrhunder­ts institutio­nalisierte. Er war begeistert von einer Idee, die auf dem Weltfriede­nskongress 1891 in Rom vorgestell­t wurde: Studenten sollten vergleichb­ar mit dem heutigen Erasmus-Programm in andere Länder geschickt werden, damit sie dort die kulturelle­n und nationalen Besonderhe­iten kennen und achten lernten. Der Gedanke dahinter war, dass Vorurteile über andere Nationen oftmals Triebfeder für kriegerisc­he Auseinande­rsetzungen waren.

Ist die Idee des olympische­n Friedens heute noch lebendig?

Das ist sehr schwierig zu bewerten. Es gibt aber auf einer rein symbolisch­en Ebene immer wieder Anzeichen dafür, dass die Olympische­n Spiele zumindest einen Impuls setzen können. Aktuell zeigen die Annäherung­en von Süd- und Nordkorea, dass ein Sportereig­nis Völker verbinden kann. Die beiden verfeindet­en Länder wollen mit einer gemeinsame­n koreanisch­en Flagge bei der Eröffnungs­feier einlaufen. Und beide Staaten bilden zudem eine gemeinsame Frauen-Eishockeym­annschaft.

Vielleicht ist das aber auch nur ein Einzelfall.

Die verbindend­e Symbolik zeigt sich auch in der Atmosphäre im olympische­n Dorf, wo drei Wochen lang die Menschen aus allen Teilen der Welt zusammenle­ben. Sie sind nicht nur bei gemeinsame­n Übungen zusammen, sondern auch beispielsw­eise in einer riesigen Mensa. Als schön empfinde ich auch, dass die Nationen bei der Eröffnungs­feier zwar getrennt hinter ihren Fahnen einlaufen, aber die Trennung Flagge starten zu lassen. Eigentlich waren die jugoslawis­chen Ex-Staaten nach dem Krieg mit Sanktionen behaftet, die auch die kulturelle­n und somit sportliche­n Bereiche betrafen. Der damalige Präsident des Internatio­nalen Olympische­n Komitees, Juan Antonio Samaranch, vertrat jedoch die Meinung, dass Sport autonom zu behandeln und davon auszuschli­eßen sei. Was beinhaltet die Resolution?

Eine Verbindung aus der antiken Friedensid­ee und dem modernen Ansinnen von Coubertin. In der Erklärung steht zum einen, dass für einen bestimmten Zeitraum vor, während und nach den Olympische­n Spielen keine militärisc­hen Auseinande­rsetzungen geführt werden sollen. Sie betont aber auch, dass das gegenseiti­ge Kennenlern­en zum Abbau von Vorurteile­n führt. Diese Resolution wird seither nach einer Aussprache in der UN-Generalver­sammlung von den gastgebend­en Ländern unterschri­eben.

Haben sich die teilnehmen­den Länder an diese Vorgaben gehalten?

Leider fanden immer wieder Konflikte trotz des vereinbart­en olympische­n Waffenstil­lstandes statt. So war Italien während der Winterspie­le 2006 in Turin militärisc­h im Irak involviert. Ein weiteres Negativbei­spiel fand zeitgleich mit der Eröffnungs­feier der Spiele in Peking statt, als Russland 2008 in Georgien einmarschi­erte und der Kaukasus-Krieg entflammte.

Interview: Rainer Nolte, kna O

lehrt als Sporthisto­riker an der Deutschen Sporthochs­chule in Köln. Die Journalist­in und Sachbuchau­torin Souad Mekhennet erhält den Ludwig-Börne-Preis 2018. Die Wahl traf als alleinige Preisricht­erin die Fernsehmod­eratorin Maybrit Illner. Der nach dem Publiziste­n Ludwig Börne (1786 – 1837) benannte und mit 20000 Euro dotierte Preis für herausrage­nde Essays, Kritik und Reportagen wird am 27. Mai in der Frankfurte­r Paulskirch­e überreicht. Mekhennet vereine „großen Mut, klaren Verstand und echte Leidenscha­ft“, begründete Illner ihre Wahl. Mekhennet arbeitet als Journalist­in für verschiede­ne Medien und veröffentl­ichte zahlreiche Sachbücher. Zuletzt erschien von ihr der Titel „Nur wenn du allein kommst. Eine Reporterin hinter den Fronten des Jihad“. (epd) Der US-Schauspiel­er Willem Dafoe („Platoon“) bekommt den Goldenen Ehrenbären der Berlinale für sein Lebenswerk. Ihm wird auch die Hommage gewidmet, wie die Veranstalt­er der 68. Internatio­nalen Filmfestsp­iele Berlin mitteilten. Dafoe, der jüngst für einen Oscar als bester Nebendarst­eller in „The Florida Project“nominiert wurde, wirkte in rund 100 Produktion­en mit und war mehrfach im Berlinale-Wettbewerb vertreten. 2007 war er Mitglied der Internatio­nalen Jury. (epd)

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Foto: Yannis Kolesidis, dpa Die Antike wirkt nach in den Spielen von heute: Das Entzünden der Flamme gehört zur Eröffnungs­zeremonie von Olympia. NEUE TRILOGIE
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Willem Dafoe

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