Neu-Ulmer Zeitung

Martin Schulz gibt auf

Der gescheiter­te Kanzlerkan­didat verzichtet auf den Posten des Außenminis­ters. Wie er seinen Rückzug begründet und warum auch der Druck auf die Kanzlerin wächst

- VON BERNHARD JUNGINGER

Martin Schulz wird doch nicht Bundesauße­nminister. Der SPD-Politiker verzichtet auf den Posten in der künftigen Bundesregi­erung. Nachdem der gescheiter­te Kanzlerkan­didat bereits angekündig­t hat, den Parteivors­itz Andrea Nahles zu überlassen, steht er künftig ohne Spitzenamt da. Am Freitagnac­hmittag beugte sich der 62-Jährige dem wachsenden Druck aus der eigenen Partei. Immer mehr einflussre­iche Genossen hatten ihn eindringli­ch gewarnt, seine persönlich­en Karrierepl­äne über das Wohl der Partei zu stellen.

Hintergrun­d: Nach dem für die SPD durchaus erfolgreic­hen Abschluss der Koalitions­verhandlun­gen hatte Schulz angekündig­t, er wolle Außenminis­ter werden. Das war gleich doppelt problemati­sch: Erstens hatte er am Tag nach der Bundestags­wahl versichert, niemals in ein Kabinett unter einer Kanzlerin Angela Merkel einzutrete­n. Zweitens hat er damit den amtierende­n Außenminis­ter Sigmar Gabriel brüskiert. Dem aktuell populärste­n droht damit das politische Aus. Am Donnerstag­abend meldete sich Gabriel zu Wort und rechnete mit der Parteiführ­ung ab. Die bitteren Worte seines früheren Freundes haben die Situation für Schulz weiter verschärft. Viele Genossen sahen in der umstritten­en Personalie eine Gefahr beim anstehende­n Mitglieder­entscheid. Dort braucht die SPD eine Mehrheit für die Fortsetzun­g der Großen Koalition mit CDU und CSU.

Ausgerechn­et aus der Heimat von Martin Schulz kamen die Stimmen, die am Ende offenbar den Ausschlag für seinen Verzicht gaben. Der mächtige nordrhein-westfälisc­he Landesverb­and äußerte massive Zweifel an seinem Wechsel ins Auswärtige Amt. Daraus zog der NochPartei­chef die Konsequenz­en. „Durch die Diskussion um meine Person sehe ich ein erfolgreic­hes Votum gefährdet“, teilte Schulz mit und fügte hinzu: „Daher erkläre ich hiermit meinen Verzicht auf den Eintritt in die Bundesregi­erung und hoffe gleichzeit­ig inständig, dass damit die Personalde­batten innerhalb der SPD beendet sind.“

Zahlreiche SPD-Spitzenpol­itiker lobten den Verzicht des noch vor einem Jahr als Hoffnungst­räger gefeierten Noch-Vorsitzend­en. Seine designiert­e Nachfolger­in an der Parteispit­ze, Andrea Nahles, zollte ihm „höchsten Respekt“, Ministerin Katarina Barley sprach von einem „folgericht­igen Schritt“. Auch Politiker aus anderen Parteien zollten Schulz Respekt. „Er macht letztSPD-Politiker endlich klar, dass zunächst das Land und die Menschen kommen und dann erst die eigene Karriere“, kommentier­te der CSU-Europapoli­tiker Manfred Weber den Rückzug. Unklar ist noch, ob der bisherige Außenminis­ter Sigmar Gabriel sein Amt nun doch behalten kann – vieles spricht dafür. Doch entschiede­n hat die SPD darüber noch nicht – die Partei war gestern erst dabei, sich neu zu sortieren.

Auch in der CDU rumort es weiterhin. Parteifreu­nde sehen Kanzlerin Angela Merkel als Verliereri­n des wochenlang­en GroKo-Pokers. Sie fordern einen Neuanfang. Friedrich Merz, eine Ikone der Konservati­ven in der Union, prophezeit­e: „Wenn die CDU diese Demütigung auch noch hinnimmt, dann hat sie sich selbst aufgegeben.“Was ihre Gegner der Kanzlerin vorwerfen, erfahren Sie im Interview mit dem Merkel-Kritiker Christian von Stetten in der Dort lesen Sie auch, wie Schulz vom Hoffnungst­räger zum Sündenbock wurde. Und im erklärt Michael Stifter, warum diese Geschichte auch eine tragische Note hat. Nino Haratischw­ili bekommt den Brecht-Preis der Stadt Augsburg. Wie sie selbst zu dem Dramatiker steht, lesen Sie im

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Foto: John MacDougall, afp Martin Schulz (SPD) gibt alle Spitzenäm ter auf.

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