Neu-Ulmer Zeitung

Ein milder Mönch im Vatikan

Vor fünf Jahren verkündete Benedikt XVI. seinen Rücktritt als Papst. Das konnte zuerst niemand glauben – weder die verstörten Kardinäle noch die fassungslo­sen Gläubigen. Wie er und sein Nachfolger heute miteinande­r auskommen und wie Joseph Ratzinger seine

- VON JULIUS MÜLLER MEININGEN UND ANDREA KÜMPFBECK

Wenn Päpste sehr alt werden, dann geht der Blick nach vorne. Wer wird die Nachfolge antreten, wie wird sich die Kirche verändern, wenn der Amtsinhabe­r einmal nicht mehr ist? So lauten die Fragen, die sich die Öffentlich­keit stellt. Seit fünf Jahren ist das anders. Seit dem Frühjahr 2013 leben zwei Päpste im Vatikan, ein amtierende­s Kirchenobe­rhaupt namens Franziskus, das viele Menschen begeistert und die eigene Machtzentr­ale manchmal an den Rand der Verzweiflu­ng bringt. Und dann ist da noch, etwa zweihunder­t Meter schräg hinter dem Petersdom im Vatikan-Kloster Mater Ecclesiae, der emeritiert­e Papst.

Vor fünf Jahren, am 11. Februar 2013, dem Rosenmonta­g, kündigte Benedikt XVI. seinen Rücktritt an. Auf Latein, der offizielle­n Kirchenspr­ache, und mit schwacher Stimme vor einer Gruppe verstörter Kardinäle, die sich fragten, ob sie richtig verstanden haben, was sie da soeben gehört hatten. Stimmte es wirklich, dass Benedikt gerade gesagt hatte, er erkläre seinen Rücktritt vom Papstamt, die Amtszeit ende am Abend des 28. Februar?

Erstmals seit dem Mittelalte­r hat ein Papst ohne sichtbaren Zwang auf sein Amt verzichtet. „Ich gehe nicht vom Kreuz weg, sondern bleibe auf neue Weise beim gekreuzigt­en in letzter Zeit abgenommen. Im vergangene­n Jahr wurden noch zahlreiche Delegation­en vorstellig, vor allem aus der bayerische­n Heimat. Ministerpr­äsident Horst Seehofer, sein Vorgänger Edmund Stoiber und Teile des Kabinetts waren mehrfach in Rom, um dem bayerische­n Papst ihre Aufwartung zu machen: Zur Amtseinfüh­rung natürlich, den runden Geburtstag­en, zum Abschied aus dem Papstamt. Immer mit Gebirgssch­ützen, immer in Tracht, immer mit Blasmusik – ein Stück Heimat für Benedikt.

Im Juni 2014 reiste Seehofer zu einer Doppel-Audienz an: Er traf im Vatikan erst Papst Franziskus, anschließe­nd besuchte er Benedikt im Kloster Mater Ecclesiae. Und brachte ihm eine Blumenvase aus Nymphenbur­ger Porzellan mit. Denn mit Vasen ist das Kloster schlecht ausgestatt­et, hatte sein Bruder Georg Ratzinger der Staatskanz­lei verraten. Die gehen immer aus bei den vielen Blumen, die der Papst im Ruhestand geschenkt bekommt.

Angesichts seiner Gebrechlic­hkeit werden inzwischen weniger Verehrer zu Benedikt gelassen. Befreundet­e Kardinäle wie der von Franziskus geschasste ehemalige Präfekt der Glaubensko­ngregation und ehemalige Bischof von Regensburg, Gerhard Ludwig Müller, aber auch verschiede­ne Bischöfe aus Deutschlan­d schauen häufiger vorbei.

 ?? Foto: Gregorio Borgia, dpa ?? Der ehemalige Papst Benedikt XVI. bei einer Messe im Petersdom im Dezember 2015. Nicht nur das Laufen, auch das Lesen und Schreiben fallen dem 90 Jährigen inzwischen schwer. „Ich befinde mich auf einer Pilgerfahr­t nach Hause“, sagte er kürzlich.
Foto: Gregorio Borgia, dpa Der ehemalige Papst Benedikt XVI. bei einer Messe im Petersdom im Dezember 2015. Nicht nur das Laufen, auch das Lesen und Schreiben fallen dem 90 Jährigen inzwischen schwer. „Ich befinde mich auf einer Pilgerfahr­t nach Hause“, sagte er kürzlich.

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