Neu-Ulmer Zeitung

Grippewell­e schwappt über Bayern

Die Zahl der gemeldeten Influenza-Fälle steigt weiter an und ein Ende ist nicht in Sicht. Die Menschen in Schwaben wehrten sich bis zuletzt standhaft – doch die Gegenwehr schwindet

- VON MICHAEL BÖHM

Es wird geschnieft, gekeucht, geniest, gefiebert – die Grippewell­e hat Bayern derzeit fest im Griff. In vielen Kindergärt­en blieb es in den vergangene­n Tagen ungewöhnli­ch leise. In vielen Schulen wurden die Vertretung­spläne länger und länger und schwangere Lehrerinne­n auf Anraten des Kultusmini­steriums nach Hause geschickt. Und in Arztpraxen füllten sich die Wartezimme­r zusehends. Bislang schien Schwaben von der großen Wucht der Welle noch verschont geblieben zu sein – doch das änderte sich in den vergangene­n Tagen offenbar dramatisch.

Wie Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml (CSU) gestern mitteilte, war die Zahl der gemeldeten Influenza-Fälle in Bayern bis zum 5. Februar um mehr als 2000 auf nunmehr 5954 gestiegen. Sie berief sich dabei auf die aktuellste­n Zahlen des Landesamte­s für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it (LGL). In Schwaben waren demnach in den ersten fünf Wochen des Jahres bayernweit die mit Abstand wenigsten Grippe-Fälle (184) und zuletzt sogar sinkende Zahlen registrier­t worden. Nun scheint die Welle jedoch auch über Schwaben zu schwappen. Quer durch die Region meldeten Gesundheit­sämter diese Woche drastisch ansteigend­e Zahlen. Im Landkreis Augsburg kamen fast 40 neue Fälle hinzu, im Landkreis Dillingen mindestens 24 – zusammen schon mehr als in ganz Schwaben (45) eine Woche zuvor.

„Wir sind gerade mittendrin in der heißen Phase und es wird noch ein paar Wochen so weitergehe­n“, sagt Dr. Jakob Berger aus Herbertsho­fen (Landkreis Augsburg), stellvertr­etender Landesvors­itzender des Bayerische­n Hausärztev­erbandes. Er sagt, dass sich das aktuell grassieren­de Influenza-Virus in den vergangene­n Wochen deutschlan­dweit von Norden nach Süden ausgebreit­et und nun offenbar eben auch Schwaben erreicht habe.

Die Zahlen des Landesamte­s und der Gesundheit­sämter seien aber ohnehin nur die Spitze des Eisberges. Denn die Behörden würden nur die offiziell gemeldeten und im Labor bestätigte­n Grippefäll­e registrier­en – die „Dunkelziff­er“sei wesentlich größer. Er selbst lasse die wenigsten seiner Patienten, die mit Grippe-Symptomen zu ihm kommen, tatsächlic­h auf das Influenza- Virus testen. „Diese Untersuchu­ngen im Labor kosten vor allem Zeit und Geld. Sie sind in erster Linie für die Wissenscha­ft interessan­t, für den Patienten aber nicht sonderlich hilfreich. Der ist in der Regel schon wieder gesund, wenn das Ergebnis da ist“, sagt Berger.

Auch könne das Virus an sich ohnehin nicht bekämpft werden. „Man kann nur die Symptome behandeln, fiebersenk­ende oder schmerzlin­dernde Medikament­e verschreib­en.“Selbst das empfiehlt Berger aber eher selten. Er sagt: „Wer die Grippe hat, gehört ins Bett.“Am besten helfe: Schwitzen, viel trinken, Wadenwicke­l, Vitamine und Schleimlös­er wie ThymianTee. Und warten.

Eine prophylakt­ische GrippeImpf­ung, wie sie nach Angaben der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Bayerns (KVB) im vergangene­n Jahr rund 1,4 Millionen Menschen in Bayern erhalten haben, hält Berger dagegen für sinnvoll – auch wenn diese gegen das aktuell grassieren­de Virus nur bedingt hilft. Ein Großteil der erkrankten Menschen trägt ein Influenza-B-Virus in sich, das zumindest dem Namen nach seinen Ursprung in Japan hat – es gehört zur sogenannte­n Yamagata-Linie.

Genau dieses Virus wird aber von dem von der Welt-Gesundheit­s-Organisati­on (WHO) empfohlene­n und jährlich angepasste­n DreifachIm­pfstoff nicht abgedeckt. Und den Vierfach-Impfstoff, der auch gegen das Yamagata-Virus helfen würde, bezahlen bislang nicht alle Krankenkas­sen. „Das soll sich bis zum Herbst ändern“, sagt Berger.

 ?? Foto: Maurizio Gambarini, dpa ?? „Ab ins Bett“, lautet die wichtigste Empfehlung eines Sprechers des Bayerische­n Hausärztev­erbandes für Grippekran­ke. Deren Zahl ist zuletzt auf über 6000 angestiege­n. Im Vorjahr waren es zu diesem Zeitpunkt mehr als 8600.
Foto: Maurizio Gambarini, dpa „Ab ins Bett“, lautet die wichtigste Empfehlung eines Sprechers des Bayerische­n Hausärztev­erbandes für Grippekran­ke. Deren Zahl ist zuletzt auf über 6000 angestiege­n. Im Vorjahr waren es zu diesem Zeitpunkt mehr als 8600.

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