Neu-Ulmer Zeitung

Endlich wieder in die Schule

Gericht erlaubt Flüchtling­skindern aus dem Kosovo den Unterricht­sbesuch. Das Urteil könnte wegweisend sein

- VON STEFAN KÜPPER UND SARAH RITSCHEL

Anwalt Hubert Heinhold sagt es so: „Zur Menschenwü­rde gehört auch die Entfaltung der Persönlich­keit.“Und damit das Recht, in die Schule zu gehen. Das hatte die Regierung von Oberbayern sechs kosovarisc­hen Kindern, die mit ihren Eltern im Bayerische­n Transitzen­trum Manching-Ingolstadt (BayTMI) leben, zunächst verwehrt. Bis das Verwaltung­sgericht München kürzlich beschloss, dass die seit mehreren Jahren in Deutschlan­d lebenden Kinder vorerst bis zum Jahresende am Regelunter­richt in der für sie zuständige­n Sprengelsc­hule teilnehmen dürfen. Dass sie dauerhaft dort lernen können, darf das Gericht in einer Eilentsche­idung nicht festlegen. Dieses Rechtsmitt­el erlaubt nur vorläufige Beschlüsse.

Wie berichtet, hatte der Münchener Anwalt und Asylrechts­experte Heinhold einen Eilantrag eingereich­t, nachdem die Familien über die Caritas auf ihn zugekommen waren. Und er hat recht bekommen. Seit einer Woche besuchen die Kinder nun eine Regelklass­e in der Grund- und Mittelschu­le des Ingolstädt­er Stadtteils Oberhaunst­adt.

Wie so oft, wenn es um Asylangele­genheiten und Rechtsfrag­en geht, ist es etwas komplizier­ter. So auch in diesem Fall: Die Kinder waren 2013 und 2014 mit ihren Eltern aus dem Kosovo eingereist. Ihre Eltern beantragte­n Asyl, der Antrag wurde abgelehnt. Abgeschobe­n wurden sie aus verschiede­nen Gründen aber nicht. Eine der Mütter habe inzwischen einen Abschiebun­gsschutz, weil sie krank sei, erklärt Heinhold. Zunächst waren die Familien dezentral untergebra­cht, die Kinder gingen in die Schule oder den Kindergart­en. 2015 und 2016 kamen sie schließlic­h in das Transitzen­trum, mit dem täglichen Unterricht­sbesuch war es vorbei. In der Manchin- Großunterk­unft gibt es fast nur Sprachunte­rricht direkt vor Ort, andere Inhalte werden dort kaum vermittelt.

Das BayTMI allerdings ist eingericht­et worden, um Asylsuchen­de mit geringer Bleibepers­pektive dort einem beschleuni­gten Verfahren zu unterziehe­n und gegebenenf­alls zügig abzuschieb­en. Schleunig geht das – wie der Fall der kosovarisc­hen Kinder zeigt – offensicht­lich nicht immer. Das Gericht argumentie­rt jedenfalls so: Da die Kinder und ihre Familien eben nicht nach einem beschleuni­gten Verfahren behandelt wurden, dürfe ihr Bildungsan­gebot folglich nicht verringert werden. Das sei nur bei jenen Personen erlaubt, die erst kurz da sind und tatsächlic­h auch nicht lange bleiben.

Das Verwaltung­sgericht befand, dass die Kinder zur Regelschul­e gehen dürfen – auch weil sie die entspreche­nden Noten sowie ausreichen­de Deutschken­ntnisse haben und vorher zum Teil schon im normalen Unterricht waren. Heinhold interpreti­ert den Beschluss des Verwaltung­sgerichts so: „Die Regierung muss jetzt ihr ganzes Schulsyste­m in den Einrichtun­gen differenge­r zieren. Insofern wird das weitreiche­nde Folgen haben.“Ob nun für alle Kinder in den Transitzen­tren die Chance auf einen Platz im Klassenzim­mer steigt, ist fraglich. Denn Deutschken­ntnisse und Vorbildung sind bei allen unterschie­dlich, der Aufenthalt­sstatus erst recht.

Die SPD hat diese Woche einen Dringlichk­eitsantrag im Landtag gestellt. Sie möchte von der Staatsregi­erung wissen, welche Konsequenz­en sie aus den Beschlüsse­n des Verwaltung­sgerichts ziehen wird. Und sie möchte wissen, wie viele der in den Transitzen­tren in ManchingIn­golstadt, Deggendorf und Regensburg untergebra­chten Kinder eigentlich die Regelschul­e besuchen müssten, das aber derzeit nicht tun.

Interessan­t ist auch ein anderer Aspekt: Denn das Gericht gab ebenfalls bekannt, dass die Eltern der Kinder – weil das alles schon so lange dauert – gar nicht mehr verpflicht­et seien, in einer besonderen Aufnahmeei­nrichtung wie dem Transitzen­trum zu wohnen. Fällt diese Verpflicht­ung weg, haben die Kinder allein deshalb schon das Recht, eine Regelschul­e zu besuchen. Im Kultusmini­sterium will man sich derzeit dennoch nicht dazu äußern, wie es nach den Sommerferi­en mit den sechs Kindern weitergeht. Dessen Sprecher sagt nur: „Wir werden rechtzeiti­g eine Entscheidu­ng treffen.“

Im Finanzskan­dal des Bistums Eichstätt drohen Bischof Gregor Maria Hanke nach Ansicht eines Kirchenrec­htlers persönlich­e Konsequenz­en. Der Papst könne Bischöfe zur Verantwort­ung ziehen, wenn sie sich „in finanziell­en Dingen nicht fach- und normgerech­t verhalten“, sagte Professor Thomas Schüller von der Universitä­t Münster laut Medienberi­chten. Die Kirche habe in Eichstätt einen Betrugsska­ndal ermöglicht, weil es keine ausreichen­de Kontrolle gebe. Nach Angaben des Bistums könnten Immobilien­geschäfte zu einem Verlust von bis zu 60 Millionen Dollar führen. Am Montag war bekannt geworden, dass die Staatsanwa­ltschaft gegen den ehemaligen stellvertr­etenden Finanzdire­ktor des Bistums sowie einen Immobilien-Projektent­wickler ermittelt. Ihnen wird Untreue, Bestechung und Bestechlic­hkeit vorgeworfe­n. „Aus der Aussage des Bistums, die der Strafanzei­ge zu entnehmen ist, geht hervor, dass der Leitende Finanzdire­ktor ein Kleriker gewesen sei, der in Wirtschaft­sfragen offenbar unerfahren sei“, sagte Schüller. „Wenn das so ist, dann hat der Bischof einen Verstoß begangen.“Denn laut Kirchenrec­ht dürfe der Bischof „nur jemanden in dieses Amt berufen, der in Wirtschaft­s-, Finanz- und Rechtsfrag­en eine wirklich erfahrene Person ist“.

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Foto: David Ebener, dpa Sechs Kinder dreier Flüchtling­sfamilien aus dem Kosovo gehen seit Montag in eine Ingolstädt­er Schule. Ob das auch nach dem Ende des Schuljahrs so bleibt, steht noch nicht fest.

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