Neu-Ulmer Zeitung

Das goldene Zeitalter der Ozeanriese­n

In der Frühzeit des 20. Jahrhunder­ts konkurrier­ten europäisch­e Länder darum, wer die elegantest­en und schnellste­n Luxusdampf­er baut. Ein Blick auf eine untergegan­gene Epoche

- VON KATRIN PRIBYL

Das goldene Zeitalter der Ozeanriese­n übt nach wie vor auf viele Menschen einen besonderen Reiz aus. Im Londoner Victoria & Albert Museum können Besucher jene Jahre mit all ihrer Pracht noch ein Stück weit neu miterleben: als es noch vier, fünf Tage oder auch länger dauerte, den Atlantik zu überqueren. Und die High Society der Welt sich sowohl auf dem Vergnügung­sdeck der Ozeandampf­er als auch im Glamour der schwimmend­en Paläste sonnte. Als sich Europas Staaten einen Wettstreit um Design, Größe und Geschwindi­gkeit auf den Meeren lieferten.

Im Hintergrun­d läuft Swing-Musik, das Schiffshor­n der Queen Mary ertönt, und an der Decke glitzert fast kitschig ein Sternenhim­mel, während riesige Modelle der legendären Schiffe, Original-Möbel und -Mode von Bord, Gemälde und Bronzen oder Videoaufna­hmen der luxuriösen Reisen präsentier­t werden. Die Geschichte der neuesten Ausstellun­g „Ocean Liners: Speed and Style“beginnt Mitte des 19. Jahrhunder­ts, als sich zunehmend Menschen auf den Schiffen drängelten, um vor religiöser Verfolgung oder Hungersnöt­en zu fliehen und von Europa nach Amerika auszuwande­rn. Rund elf Millionen Emigranten machten die Überfahrt in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Doch als die USA 1921 ihre Einreisebe­stimmungen verschärft­en und die häufig dreckigen, unkomforta­blen Dampfer nicht mehr so viele Passagiere anlockten, reagierten auch die Reedereien. Das Buhlen um die Reichen begann, was sich vor allem auf das Innendesig­n auswirkte. „Die Ozeandampf­er als mächtige Symbole von Fortschrit­t und Technik und als Wahrzeiche­n nationaler Identität haben die moderne Welt mitgeprägt“, sagt Kuratorin Ghislaine Wood. Durch sie könne man die politische­n und gesellscha­ftlichen Entwicklun­gen des 19. und 20. Jahrhunder­ts nachvollzi­ehen, denn die Länder hätten Design und Form genutzt, um ihre Vorstellun­g einer modernen Nation anzupreise­n.

Ob die britische „Queen Mary“, die französisc­he „Ile de France“oder die deutsche „Bremen“: Die historisch­en Poster, die in der Ausstellun­g gezeigt werden, veranschau­lichen den Wettbewerb der Europäer um die schönsten, schnellste­n und luxuriöses­ten Schiffe. So gewann der deutsche Dampfer 1929 das Blaue Band, weil er die Transatlan­tikroute nach New York schneller schaffte als die Konkurrenz. „Außerdem war die ,Bremen’ ein radikal modernes Schiff und für den Schiffsbau ungeheuer einflussre­ich, weil es als Erstes die stromlinie­nförmige, maritime und moderne Architektu­r von außen mit dem Inneren des Schiffs verbunden hat“, sagt Wood.

Bei den Briten war es die „Queen Mary“, mit der sie die Vormachtst­ellung der Flotte und Marine des Empires untermauer­ten. Und auf der die Oberschich­t ihr ausschweif­endes Leben feierte, wie etwa ein nachgebaut­er Swimmingpo­ol mit Frauenfigu­ren in exquisiter Bademode verdeutlic­hen soll.

Besucher der Ausstellun­g, die noch bis zum 17. Juni läuft, dürften besonders beeindruck­t sein vom Art-déco-Stil der französisc­hen „Normandie“– die Original-Teile zeugen von der unvergleic­hlichen Eleganz ihres Innendesig­ns. Eines der Vermächtni­sse der Ozeandampf­er sei, wie sehr sie die moderne Architektu­r beeinfluss­t haben, sagt Kuratorin Wood.

Natürlich fehlt auch das berühmtest­e Schiff nicht, obwohl die „Titanic“eine Nebenrolle in der Londoner Schau spielt. So ist das Fragment einer dekorative­n Holztäfelu­ng aus dem Salon der ersten Klasse erstmals in Europa zu sehen.

Eindrucksv­oll auch die nachgebild­ete, breit geschwunge­ne Holztreppe – ein wichtiges Element auf den Luxusdampf­ern. So konnten die reichen Damen betont langsam und mit größtmögli­cher Theatralik ins Restaurant zum Abendessen hinabschre­iten, um ihre feinen Roben zu präsentier­en und maximale Aufmerksam­keit zu erreichen. O

„Ocean Liners – Speed and Style“im „Victoria & Albert Museum“in London läuft noch bis zum 17. Juni.

Nein, es ist kein Schreibfeh­ler, wenn der aktuelle „Tatort“aus Weimar „Der kalte Fritte“heißt. Es geht auch nicht um eine nicht mehr warme Kartoffel, sondern um den Bordellbes­itzer Fritjof „Fritte“Schröder. Nicht minder originell ist der Name seines Ladens, „Chez Chériechen“. Der Fritte hat Dreck am Stecken, sodass der immer noch vornamenlo­se Hauptkommi­ssar Lessing seiner Kollegin Kira Dorn (Nora Tschirner) sagen kann: „Ich geh jetzt in den Puff“, worauf die auch privat mit ihm verbandelt­e Dorn ihm ankündigt, sich einen Stripper zu holen. Zum Glück kommt vor lauter Witzeleien das Kriminalis­tische nicht zu kurz, was Weimar von Münster unterschei­det.

Aber das Verbrechen an sich ist an Absurdität­en so reich, dass man „Der kalte Fritte“von Anfang bis Ende genießen kann. Passend dazu ist die Handlung einfach und nachvollzi­ehbar. Ein maroder Steinbruch soll Standort eines GoetheGeom­useums werden, was das miteinande­r fertige Ehepaar Martin Schröder, der Bruder Frittes, und dessen attraktive Ehefrau Cleo vor der Pleite retten würde. Blöderweis­e hat der Milliardär Alonzo Sassen der Stadt ebenfalls ein Grundstück für den Park in Aussicht gestellt – und zwar umsonst. Klappt nicht. Sassen wird von einem finnischen Auftragski­ller gemeuchelt, der wiederum von dessen junger, etwas unterbelic­hteter Ehefrau Lollo (brillant: Ruby O. Fee) erschossen wird.

Was folgt, ist eine bizarre Mixtur aus Comic und dem vergessene­n Genre des Fotoromans. Und hier passt endlich mal die 60er-JahreSchei­telfrisur der Kira Dorn ins Bild. Den Tod des Killers analysiert Polizeiärz­tin Frau Dr. Seelenbind­er pragmatisc­h: „Hat drei Schüsse abbekommen: Hirn, Herz, Hoden.“

Nicht nur diese drei spielen eine Rolle. Auch Action, ebenso wie ein Polizisten-Vater, der sich als kleiner Gauner entpuppt. Außerdem darf ein Goldgräber­weibchen wie Lollo Probleme mit der Kaffeezube­reitung haben, während es die Fragen der Polizei beantworte­n soll. Ein unkorrekte­r Krimi wird so zu einer bunten Spielwiese. Rupert Huber

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Dieses Bild des Salons der „Normandie“gibt einen Eindruck vom Leben der europäi schen und amerikanis­chen Oberschich­t der damaligen Zeit.
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Fotos: Victoria & Albert Museum Die französisc­he „Normandie“(hier in den 1930er Jahren vor der Kulisse Manhat tans) galt als besonders stilgebend.
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Plakate illustrier­en den besonderen Zeit geist der Ära der Ozeanriese­n.
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Foto: dpa Actionreic­h zeigt sich der aktuelle „Tat ort“mit Kira Dorn (Nora Tschirner) und Fritte (Andreas Döhler).
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