Das goldene Zeitalter der Ozeanriesen
In der Frühzeit des 20. Jahrhunderts konkurrierten europäische Länder darum, wer die elegantesten und schnellsten Luxusdampfer baut. Ein Blick auf eine untergegangene Epoche
Das goldene Zeitalter der Ozeanriesen übt nach wie vor auf viele Menschen einen besonderen Reiz aus. Im Londoner Victoria & Albert Museum können Besucher jene Jahre mit all ihrer Pracht noch ein Stück weit neu miterleben: als es noch vier, fünf Tage oder auch länger dauerte, den Atlantik zu überqueren. Und die High Society der Welt sich sowohl auf dem Vergnügungsdeck der Ozeandampfer als auch im Glamour der schwimmenden Paläste sonnte. Als sich Europas Staaten einen Wettstreit um Design, Größe und Geschwindigkeit auf den Meeren lieferten.
Im Hintergrund läuft Swing-Musik, das Schiffshorn der Queen Mary ertönt, und an der Decke glitzert fast kitschig ein Sternenhimmel, während riesige Modelle der legendären Schiffe, Original-Möbel und -Mode von Bord, Gemälde und Bronzen oder Videoaufnahmen der luxuriösen Reisen präsentiert werden. Die Geschichte der neuesten Ausstellung „Ocean Liners: Speed and Style“beginnt Mitte des 19. Jahrhunderts, als sich zunehmend Menschen auf den Schiffen drängelten, um vor religiöser Verfolgung oder Hungersnöten zu fliehen und von Europa nach Amerika auszuwandern. Rund elf Millionen Emigranten machten die Überfahrt in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Doch als die USA 1921 ihre Einreisebestimmungen verschärften und die häufig dreckigen, unkomfortablen Dampfer nicht mehr so viele Passagiere anlockten, reagierten auch die Reedereien. Das Buhlen um die Reichen begann, was sich vor allem auf das Innendesign auswirkte. „Die Ozeandampfer als mächtige Symbole von Fortschritt und Technik und als Wahrzeichen nationaler Identität haben die moderne Welt mitgeprägt“, sagt Kuratorin Ghislaine Wood. Durch sie könne man die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen des 19. und 20. Jahrhunderts nachvollziehen, denn die Länder hätten Design und Form genutzt, um ihre Vorstellung einer modernen Nation anzupreisen.
Ob die britische „Queen Mary“, die französische „Ile de France“oder die deutsche „Bremen“: Die historischen Poster, die in der Ausstellung gezeigt werden, veranschaulichen den Wettbewerb der Europäer um die schönsten, schnellsten und luxuriösesten Schiffe. So gewann der deutsche Dampfer 1929 das Blaue Band, weil er die Transatlantikroute nach New York schneller schaffte als die Konkurrenz. „Außerdem war die ,Bremen’ ein radikal modernes Schiff und für den Schiffsbau ungeheuer einflussreich, weil es als Erstes die stromlinienförmige, maritime und moderne Architektur von außen mit dem Inneren des Schiffs verbunden hat“, sagt Wood.
Bei den Briten war es die „Queen Mary“, mit der sie die Vormachtstellung der Flotte und Marine des Empires untermauerten. Und auf der die Oberschicht ihr ausschweifendes Leben feierte, wie etwa ein nachgebauter Swimmingpool mit Frauenfiguren in exquisiter Bademode verdeutlichen soll.
Besucher der Ausstellung, die noch bis zum 17. Juni läuft, dürften besonders beeindruckt sein vom Art-déco-Stil der französischen „Normandie“– die Original-Teile zeugen von der unvergleichlichen Eleganz ihres Innendesigns. Eines der Vermächtnisse der Ozeandampfer sei, wie sehr sie die moderne Architektur beeinflusst haben, sagt Kuratorin Wood.
Natürlich fehlt auch das berühmteste Schiff nicht, obwohl die „Titanic“eine Nebenrolle in der Londoner Schau spielt. So ist das Fragment einer dekorativen Holztäfelung aus dem Salon der ersten Klasse erstmals in Europa zu sehen.
Eindrucksvoll auch die nachgebildete, breit geschwungene Holztreppe – ein wichtiges Element auf den Luxusdampfern. So konnten die reichen Damen betont langsam und mit größtmöglicher Theatralik ins Restaurant zum Abendessen hinabschreiten, um ihre feinen Roben zu präsentieren und maximale Aufmerksamkeit zu erreichen. O
„Ocean Liners – Speed and Style“im „Victoria & Albert Museum“in London läuft noch bis zum 17. Juni.
Nein, es ist kein Schreibfehler, wenn der aktuelle „Tatort“aus Weimar „Der kalte Fritte“heißt. Es geht auch nicht um eine nicht mehr warme Kartoffel, sondern um den Bordellbesitzer Fritjof „Fritte“Schröder. Nicht minder originell ist der Name seines Ladens, „Chez Chériechen“. Der Fritte hat Dreck am Stecken, sodass der immer noch vornamenlose Hauptkommissar Lessing seiner Kollegin Kira Dorn (Nora Tschirner) sagen kann: „Ich geh jetzt in den Puff“, worauf die auch privat mit ihm verbandelte Dorn ihm ankündigt, sich einen Stripper zu holen. Zum Glück kommt vor lauter Witzeleien das Kriminalistische nicht zu kurz, was Weimar von Münster unterscheidet.
Aber das Verbrechen an sich ist an Absurditäten so reich, dass man „Der kalte Fritte“von Anfang bis Ende genießen kann. Passend dazu ist die Handlung einfach und nachvollziehbar. Ein maroder Steinbruch soll Standort eines GoetheGeomuseums werden, was das miteinander fertige Ehepaar Martin Schröder, der Bruder Frittes, und dessen attraktive Ehefrau Cleo vor der Pleite retten würde. Blöderweise hat der Milliardär Alonzo Sassen der Stadt ebenfalls ein Grundstück für den Park in Aussicht gestellt – und zwar umsonst. Klappt nicht. Sassen wird von einem finnischen Auftragskiller gemeuchelt, der wiederum von dessen junger, etwas unterbelichteter Ehefrau Lollo (brillant: Ruby O. Fee) erschossen wird.
Was folgt, ist eine bizarre Mixtur aus Comic und dem vergessenen Genre des Fotoromans. Und hier passt endlich mal die 60er-JahreScheitelfrisur der Kira Dorn ins Bild. Den Tod des Killers analysiert Polizeiärztin Frau Dr. Seelenbinder pragmatisch: „Hat drei Schüsse abbekommen: Hirn, Herz, Hoden.“
Nicht nur diese drei spielen eine Rolle. Auch Action, ebenso wie ein Polizisten-Vater, der sich als kleiner Gauner entpuppt. Außerdem darf ein Goldgräberweibchen wie Lollo Probleme mit der Kaffeezubereitung haben, während es die Fragen der Polizei beantworten soll. Ein unkorrekter Krimi wird so zu einer bunten Spielwiese. Rupert Huber