Allgäuer verordnet Licht Doping
Karlheinz Waibel vom Skiverband möchte, dass den deutschen Athleten in Korea ein Licht aufgeht. Wie der Biorhythmus an acht Stunden Zeitumstellung angepasst werden kann
Für den sportlichen Erfolg bei Olympia wollen die Verantwortlichen des Deutschen Skiverbandes nichts dem Zufall überlassen. Schon im Juni letzten Jahres trafen sich die zehn Bundestrainer zu einem Seminar in Planegg und beschäftigten sich intensiv mit einem wahrlich schlafraubenden Thema: der Zeitumstellung bei den Olympischen Winterspielen. Nach unzähligen Vorgesprächen und vielen wissenschaftlichen Studien macht ein Großteil der Skisportler nun in Pyeongchang die Nacht zum Tage: mithilfe von sogenannten Lichtbrillen und künstlichem Licht in den Quartieren.
Die deutschen Olympiateilnehmer wollen damit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: den allseits bekannten Jetlag nach elfstündigem Flug in den Osten besiegen und vor Ort den richtigen Biorhythmus finden. Dabei gibt es allerdings kein Patentrezept. Die Alpinen müssen in Korea frühmorgens topfit sein, die Skispringer dagegen werden wegen der TV-Übertragungen in Europa erst um kurz vor Mitternacht Ortszeit die entscheidenden Sprünge von der Alpensia-Schanze machen.
„Damit war klar, dass wir etwas an unserem gewohnten Ablauf an Wettkampftagen ändern müssen“, erzählt Andreas Bauer, der verantwortliche Frauen-Skisprung-Trainer aus Oberstdorf. Sein simples Rezept, damit die Medaillenanwärterinnen Carina Vogt und Katharina Althaus auch in Korea in Topform sind: morgens lange schlafen, abends lange aufbleiben. „Wir versuchen einfach, im mitteleuropäischen Rhythmus zu bleiben“, bestätigt Althaus und reckt zwei Tage nach ihrer Anreise den Daumen nach oben: „Bisher funktioniert alles wie geplant.“Wenn’s dunkel werde in Korea, setze man sich in den hellen Aufenthaltsraum, spiele oder lese noch etwas und gehe erst in den Morgenstunden zu Bett. Dafür bleiben in der Früh die dichten Vorhänge zu und man gehe erst nach 12 Uhr Ortszeit zum Frühstücken.
Weil bis zur Medaillenvergabe nur knapp sechs Tage Akklimatisie- ren vor Ort bleiben, hatte Trainer Bauer auch darauf gepocht, dass seine Athletinnen wie die meisten DSV-Sportler nicht in der „Holzklasse“, sondern First Class fliegen durften und damit auch über den Wolken ordentlich schlafen konnten.
Offen darüber reden wollen in Korea eigentlich die wenigsten. Zu unklar ist nämlich, ob sich all die Mühen und Kosten später als Hokuspokus herausstellen oder – wie Bauer sagt – „es uns im Kampf um eine Medaille genau diesen einen entscheidenden halben Punkt mehr bringt.“Wie die künstlich erhellten Zimmer oder die neuen Lichtbrillen genau aussehen, wird zur Geheimsache erklärt. Fotos kursieren zwar auf einigen Trainer- und AthletenHandys, an die Medien dürfen diese aber, nach einer Order „von oben“, nicht weitergegeben werden. So müssen die Wintersport-Fans zu Hause also im wahrsten Sinne des Wortes im Dunkeln tappen, wie sich die deutschen Skisportler künstlich wach halten.
Vorangetrieben hat das LichtDoping der gebürtige Sulzberger Karlheinz Waibel, seines Zeichens Bundestrainer Wissenschaft und Technologie beim DSV. Der 51-jährige frühere Alpin-Cheftrainer bezeichnet sich in diesem Fall als „Dolmetscher zwischen Wissenschaft und Praxis“, weil beide verschiedene Sprachen sprechen würden. Zusammen mit dem Biologen Andreas Wojtysiak, der für den Lichtspezialisten Osram in München arbeitet, hat Waibel ein einfaches Ziel: Die Ortsanpassung in Pyeongchang beschleunigen.
Weil die innere Uhr anders tickt, wenn man in eine andere Zeitzone fliegt, müsse über das Auge die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin künstlich reguliert, sprich verhindert werden. „Untertags“, klärt Wojtysiak auf, „werde das in aller Regel über die Blaukomponente des Himmels geregelt“, in Korea dagegen wird nun Licht einer bestimmten Wellenlänge benötigt. Damit könne ein natürliches Müdewerden unterdrückt und der Stoffwechsel so angeregt werden, dass der Sportler punktgenau seine Höchstleistung abrufen könne.
Skispringer Andreas Wellinger dagegen macht sich weniger Gedanken um all die graue Theorie: „Es dauert halt ein paar Tage, bis man richtig ankommt, aber das hält uns nicht davon ab, ordentlich zu springen.“Zum Thema Lichtbrillen meint er: „Gedanken um das Schlafen macht man sich schon, aber im Endeffekt ist der Biorhythmus dann doch ein Sauhund“. Trainer Werner Schuster denkt ähnlich: „Man darf es auch nicht komplizierter machen, als es ist.“ Der Snowboard-Wettbewerb in der Halfpipe hat eine Attraktion weniger. Sotschi-Olympiasieger Iouri Podladtchikov musste seine Teilnahme wegen der Folgen seines Sturzes bei den X-Games absagen. Damit fällt ein starker Konkurrent von Snowboard-Superstar Shaun White für das Finale am Mittwoch aus. Der Schweizer hatte sich am 28. Januar in Aspen eine schwere Hirnverletzung mit Blutungen und einen Nasenbeinbruch zugezogen. Im Training auf der Slopestyle-Strecke ist die kanadische Snowboarderin Laurie Blouin schwer gestürzt. Die 21-Jährige sei bei Bewusstsein, stehe aber nach einem Krankenhaus-Besuch weiter unter Beobachtung, teilte der kanadische Verband mit. Blouin hat in ihrer Karriere bislang zwei Podestplätze im Slopestyle-Weltcup erreicht. Die Qualifikation bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang steht am Sonntag. Das Olympische Komitee der USA hat sich bei den Missbrauchsopfern des ehemaligen Turn-TeamArztes Larry Nassar entschuldigt. „Wir hätten mehr tun können und müssen uns jetzt unserer Verantwortung stellen“, sagte der USOCVorsitzende Larry Probst in Pyeongchang. Diejenigen, die gegen Nassar ausgesagt hatten, hätten „enorme Tapferkeit“bewiesen, fügte er hinzu. Er bestätigte, dass das USOC eine eigene Untersuchung in dem Fall angeordnet habe. Sie solle beleuchten, wer zu welchem Zeitpunkt von Nassars Vergehen wusste und was mit den Informationen dann passiert sei. Mehr als 265 Frauen und Mädchen hatten zuletzt gegen Nassar ausgesagt. Er wurde zu einer Gefängnisstrafe von 40 bis 125 Jahren verurteilt. Unter den Opfern sind auch Olympia-Medaillengewinnerinnen.