Realität überholt Satire
An Stoff mangelt es den Jecken in diesem Jahr wahrlich nicht. Und doch haben sie ein Problem: Längst hat die Realität die kühnste Fantasie überholt. Die Satire hechelt nur hinterher.
Immerhin, so angeschlagen die SPD derzeit auch ist, mit der raschen Klärung aller wichtigen Personalfragen ist sie der CDU einen entscheidenden Schritt voraus. Mit Andrea Nahles an der Spitze von Partei und Fraktion sowie Olaf Scholz als Vizekanzler und Finanzminister verfügt sie über zwei Kraftzentren. Wobei die beiden erst noch beweisen müssen, dass sie sich nicht gegenseitig blockieren, sondern ergänzen.
Angela Merkel schafft es dagegen nicht, die Brandherde in ihrer Partei auszutreten. Mit ihrer Ankündigung, weitere vier Jahre zu amtieren, verschiebt sie die Klärung der Erneuerung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag. Zug um Zug verliert sie an Autorität.
Ausgerechnet die sonst so diskussionsfreudigen Grünen haben gezeigt, wie man’s macht. Nur kurz währte die Personaldebatte. Dann wurde mit Robert Habeck und Annalena Baerbock ein neues Spitzenduo gewählt, das für Aufbruch und neuen Schwung steht. Wenn CDU, CSU und SPD weitermachen wie bisher, könnte die wahre Auseinandersetzung bei der nächsten Bundestagswahl nicht mehr Union gegen Sozialdemokraten heißen, sondern Grüne gegen AfD. uns in der CDU schon jetzt überlegen, wie wir uns ohne Merkel neu aufstellen.“
Als „völlig unzureichend“bewertete ein Mitglied der Jungen Gruppe in der Unionsfraktion gegenüber unserer Zeitung das Versprechen Merkels, auch „unter 60-Jährige“ins Kabinett zu berufen. „Das ist doch keine personelle Erneuerung.“Nötig sei vielmehr eine „umfassende Verjüngung“der Partei. „Da muss noch viel mehr passieren.“Dagegen goss der Chef der Jungen Union, Paul Ziemiak, bewusst kein neues Öl ins Feuer, sondern lobte Merkels Signal der Erneuerung als „ein gutes Zeichen“.
Wie die personelle Erneuerung allerdings konkret aussehen soll, ließ Merkel offen, Namen nannte sie nicht. Der immer ins Gespräch gebrachte 37-jährige Jens Spahn, derzeit Staatssekretär im Finanzministerium, könnte neuer CDU-Generalsekretär werden und den schwer kranken Peter Tauber ablösen. Der Wechsel der rheinland-pfälzischen Oppositionsführerin Julia Klöckner, 45, ins Kabinett als neue Agrarministerin scheint sicher zu sein. Und der 40-jährige Carsten Linnemann, Chef der einflussreichen Mittelstandsund Wirtschaftsvereinigung der CDU, könnte vielleicht einen Staatssekretärsposten erhalten.