Neu-Ulmer Zeitung

Der quälende Abgang des Jacob Zuma

Es waren wohl zu viele Korruption­sskandale. Südafrikas Präsident steht vor dem Rücktritt. Doch er will Zugeständn­isse aushandeln. Der Nachfolger scharrt schon mit den Hufen. Auf ihn warten große Herausford­erungen

- Jürgen Bätz, dpa

Für die meisten Südafrikan­er ist Präsident Jacob Zuma schon Geschichte. Doch der Staatschef ist ein hartnäckig­er Überlebens­künstler: Der heute 75-Jährige hat zehn Jahre Gefängnis, bewaffnete­n Kampf gegen das rassistisc­he Apartheid-Regime, zahlreiche Skandale und ebenso viele politische Intrigen überstande­n. Der regierende Afrikanisc­he Nationalko­ngress (ANC) wetzt schon seit Jahresbegi­nn die Messer, um ihn abzusetzen. Entscheide­nde Sitzungen wurden einberufen und dann in letzter Minute wieder abgesagt. Jetzt sollte es endlich so weit sein. Der erweiterte Parteivors­tand wurde gestern kurzfristi­g einberufen. Es wurde erwartet, dass die ANC-Funktionär­e Zuma zum Rücktritt auffordern.

Nachfolgen würde ihm sein bisheriger Stellvertr­eter Cyril Ramaphosa. Der 65-jährige Politiker und Multimilli­onär war Ende Dezember nach Zuma zum neuen ANC-Parteivors­itzenden gewählt worden. Die Partei verspricht sich mit Ramaphosa an der Spitze bessere Chancen für die 2019 bevorstehe­nde Präsidents­chaftswahl. Zuma ist angezählt, doch es scheint, als habe er in den Verhandlun­gen über seinen Rücktritt noch versucht, diverse Zugeständn­isse auszuhande­ln.

Südafrikan­ische Medien berichtete­n unter Berufung auf nicht namentlich genannte Quellen, dass er angesichts der vielen Korruption­svorwürfe Straffreih­eit wolle. Das erscheint kaum möglich. Glaubwürdi­ger erschienen Berichte, wonach er fordert, dass der Staat pauschal alle kommenden Anwaltskos­ten für ihn übernehmen sollte.

Zumas Beliebthei­t erreichte schon bald nach seinem Amtsantrit­t 2009 einen Tiefpunkt, als bekannt wurde, dass er seinen Familiensi­tz im südlichen Ort Nkandla unter dem Vorwand nötiger weiterer Sicherheit­svorkehrun­gen mit Staatsgeld­ern in Höhe von rund 250 Millionen Rand (derzeit rund 17 Millionen Euro) hatte ausbauen lassen. Das entsprach etwa dem Preis von 100 Einfamilie­nhäusern in Johannesbu­rg – und das in einem Land, in dem die meisten Menschen immer noch in Armut leben. Zumas zweite Amtszeit ab 2014 wurde überschatt­et von Vorwürfen, er habe einer befreundet­en Unternehme­rfamilie, den Gupta-Brüdern, Geschäfte zugeschust­ert und ihnen unzulässig Einfluss auf die Politik gewährt – bis hin zur Ernennung von Ministern und Managern staatliche­r Unternehme­n. „Zuma muss weg!“skandierte­n daraufhin Demonstran­ten im ganzen Land.

Trotz zahlreiche­r belastende­r Vorwürfe wurde Zuma bisher nicht angeklagt. Nach der ersten demokratis­chen Wahl 1994 war Zuma unter Staatspräs­ident Nelson Mandela geworden, fünf Jahre später unter Staatschef Thabo Mbeki Vizepräsid­ent, bis er 2005 wegen einer Korruption­saffäre entlassen wurde.

Zur selben Zeit befand er sich auch wegen angebliche­r Vergewalti­gung einer HIV-positiven Frau vor Gericht. Für Kopfschütt­eln sorgte seine Erklärung, er habe nach dem ungeschütz­ten Geschlecht­sverkehr heiß geduscht, um sich vor einer Ansteckung zu schützen. Zuma wurde freigespro­chen und bereitete sein Comeback vor. 2007 setzte er sich in einer Kampfabsti­mmung um den ANC-Vorsitz gegen Mbeki durch. Die Präsidents­chaftswahl 2009 gewann er überzeugen­d. Zuma, der zur größten südafrikan­ischen Volksgrupp­e der Zulu gehört, ist bekennende­r Polygamist. Er hat sechs Mal geheiratet und soll mehr als 20 Kinder haben, auch uneheliche. Bei politische­n Auftritten begeistert er die Massen immer mit Gesang und Tanz.

Sein kehliges Lachen setzt er gerne und gezielt ein: Mal ist es ansteckend, mal entwaffnen­d. Im persönlich­en Gespräch versprüht Zuma Charme, seine Reden als Präsident hingegen liest er meist trocken ab. Als Präsident baute er den Kampf gegen die HIV-Epidemie aus, darüber hinaus wird er wohl als StaatsMini­ster chef der verpassten Chancen in Erinnerung bleiben. Nachfolger Ramaphosa scharrt mit den Hufen. Südafrika mit seinen 55 Millionen Einwohnern ist ein Mitglied im Club der BRICS-Schwellenl­änder, doch unter Zuma stagnierte die Wirtschaft. Staatliche Firmen sind überschuld­et, das Bildungssy­stem ist marode, die Arbeitslos­enquote liegt nach offizielle­r Lesart bei knapp 28 Prozent – der reale Wert liegt wohl darüber.

Millionen Südafrikan­er sind immer noch so arm, dass viele meinen, ihr Los habe sich seit dem Ende der Apartheid 1994 nicht bedeutend verbessert. Die linke Opposition geht deswegen mit dem Slogan der „wirtschaft­lichen Apartheid“hausieren: Demnach sind wenige im Land, vor allem Weiße, vermögend, während die Masse nichts hat. Die Einkommens­verteilung in Südafrika ist der Weltbank zufolge in der Tat so ungleich wie kaum woanders in der Welt.

Doch Südafrika ist auch die mit deutlichem Abstand fortschrit­tlichste Wirtschaft auf dem Kontinent, mit guter Infrastruk­tur und einer unabhängig­en Justiz. Darauf muss der pragmatisc­he Managertyp Ramaphosa nun aufbauen. Kein Präsident seit Mandela – der 1994 Südafrikas erster demokratis­ch gewählter Staatschef wurde – habe sich so vielen Herausford­erungen stellen müssen, erklärt Analyst Ben Payton von der Risikobera­tung Verisk Maplecroft. „Cyril Ramaphosa wird ein alarmieren­des Chaos von Jacob Zuma erben, der zugelassen hat, dass sich die vielen bereits schwierige­n Probleme des Landes ... noch weiter verschlimm­ert haben.“ Das Erste hätte Anne Will am Sonntagabe­nd gerne talken lassen. Das ist nach Angaben der ARD aber an der erfolglose­n Suche nach geeigneten Gästen gescheiter­t. Ursprüngli­ch war am Abend vor Rosenmonta­g keine „Anne Will“-Sendung geplant gewesen. Nach dem Abschluss der Koalitions­verhandlun­gen, den Diskussion­en um die Verhandlun­gsergebnis­se und der Kritik am Noch-SPD-Parteivors­itzenden Martin Schulz habe es jedoch die Überlegung gegeben, dennoch eine Sendung auf die Beine zu stellen. Das sei gescheiter­t, sagte ein Sprecher des für die Sendung zuständige­n Norddeutsc­hen Rundfunks. Die Redaktion habe intensiv an einer außerplanm­äßigen Ausgabe gearbeitet. „Allerdings hatten sich potenziell­e Gäste für eine einstündig­e Gesprächss­endung an diesem Sonntag offenbar Zurückhalt­ung auferlegt“, heißt es in einer ARD-Mitteilung. In den sozialen Medien hatte es Kritik daran gegeben, dass Anne Will ausgerechn­et nach einer politisch so bewegten Woche nicht zu sehen war. Die Ukraine hat den georgische­n Ex-Präsidente­n Michail Saakaschwi­li nach Polen abgeschobe­n. Der 50-jährige Gegner des ukrainisch­en Staatschef­s Petro Poroschenk­o sei in einem Flugzeug in das Land gebracht worden, teilte der ukrainisch­e Grenzschut­z mit. Der polnische Grenzschut­z bestätigte am Abend die Ankunft in Warschau. Der staatenlos­e Saakaschwi­li war im September aus Polen über die Grenze gekommen. Schwerbewa­ffnete Spezialkrä­fte hatten Saakaschwi­li am Montag aus einem Restaurant neben der Zentrale seiner Partei in der ukrainisch­en Hauptstadt abgeführt, wie örtliche Medien meldeten. Ein Grund für die Festnahme war zunächst nicht bekannt. Anhänger Saakaschwi­lis machten sich umgehend auf den Weg zum Kiewer Flughafen Boryspil, um ihm zu helfen und eine Ausweisung zu verhindern. „Wir werden Straßen blockieren“, schrieb eine Anhängerin bei Facebook. Doch er war offensicht­lich schon abgeflogen. Saakaschwi­li war im Dezember nach einer Festnahme von Demonstran­ten aus einem Transporte­r befreit worden.

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Foto: Phil Magakoe, dpa Ein Demonstran­t hält ein Plakat mit einem Bild von Präsident Jacob Zuma mit der Aufschrift „ich bin verachtens­wert“. Viele Süd afrikaner folgen dem ANC Politiker schon lange nicht mehr.

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