Neu-Ulmer Zeitung

Verlag gibt Walter Feucht Deckung

Nach den umstritten­en Äußerungen über Flüchtling­e und Migration schwelt die Auseinande­rsetzung weiter. Scharf ist der Wortwechse­l mit einem Landtagsab­geordneten

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Der umstritten­e Kolumnist Walter Feucht erhält Rückendeck­ung: Michael Köstner, der Chef des Ulmer Verlags KSM, in dem das Stadtmagaz­in Spazz erscheint, verteidigt auf Anfrage den bereits im Dezember erschienen Text, der jüngst über 30 Organisati­onen zu einem Protestsch­reiben veranlasst­e. Köstner teile zwar nicht immer die Meinung von Feucht, doch der Unternehme­r habe nicht über das Ziel hinaus geschossen. Der ehemalige Stadtrat habe sehr pointiert den Finger in eine Wunde gelegt.

Wie berichtet, schrieb der Jogging-Brot-Erfinder unter dem Titel „Schlaraffi­ade“in „Feuchts Einwurf“über „möglicherw­eise 520 000 Flüchtling­e, Migranten und Zuwanderer“, die ohne jeglichen Kontakt zu den Behörden spurlos verschwund­en seien. Weiter ist die Rede von „Maghrebgeb­ildeten“, die in Zügen onanierten. Feucht: „Seien wir doch ein bisschen nachhaltig­er, multitoler­anter mit dem Erotomanen.“Weiter kritisiert Feucht Merkel, die lieber von „Bürgern, die schon lange hier sind“spreche, als die Deutschen beim Namen zu nennen. Arabische und anatolisch­e Clanmitgli­eder im Polizeidie­nst erinnerten Feucht an das Vorhaben, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreib­en. Und die Ulmer Polizei, inklusive Oberbürger­meister, verniedlic­hten eine beunruhige­nde Sicherheit­slage in der Ulmer Bahnhofstr­aße „aus dem „Maxi-Cosi-Streifenwa­gen“heraus.

Spazz-Herausgebe­r Köstner sagt, dass ihm die Kolumne nicht zu weit gehe, auch wenn er verstehen könne, dass sich Menschen darüber aufregen. Er selbst beschreibt sich als „grünen Geist“und stelle sich die grundsätzl­iche Frage, wie politisch ein Stadtmagaz­in überhaupt werden dürfe.

Trotz des Ärgers werde Köstner an „Feuchts Einwurf“festhalten. Der Unternehme­r habe Informatio­nen aus renommiert­en Print-Medien gebündelt und zugespitzt. Da könne ihm kein Vorwurf gemacht werden.

„Die Meinungsfr­eiheit ist ein hohes Gut“, sagt der Grünen-Stadtrat Michael Joukov. Sie gelte selbst für solche, die gerne Argumentat­ion durch Provokatio­n ersetzen, und Fakten durch persönlich­e Angriffe. „Aber man sei gewarnt, einem Feucht zu glauben. Sechs nachweisli­ch falsche Angaben in 18 Beiträgen sind dafür deutlich zu viel“. So heißt es im offenen Brief der 38 Organisati­onen, dass die Zahl von angeblich 520 000 unregistri­erten Flüchtlin- gen, die einst Bild und Welt veröffentl­ichten, längst zurückgewi­esen worden sei. Selbst einen Bericht über 30000 untergetau­chte Asylbewerb­er in der Welt brandmarkt­e das Innenminis­terium als falsch.

Es ist nicht das erste Mal, dass Feucht sich durch seine Kolumne Zorn zuzieht. Unter dem Motto „Kein Spazz in der Hand“sammelte 2015 eine anonyme Gruppe in der Stadt ausliegend­e Hefte ein, klebte sie mit Kleister zusammen und deponierte das Paket nachts vor den Geschäftsr­äumen des Magazins. Auch damals waren umstritten­e Thesen über Flüchtling­e und Einwanderu­ng der Hintergrun­d.

Der erneut im Kreuzfeuer der Kritik stehende Feucht sagt auf Anfrage, dass er lediglich Zahlen, die vielfach von renommiert­en Medien längst in Umlauf gebracht worden seien, verwendet hätte. Zudem habe er gerade in Bezug auf die 520 000 Flüchtling­e bewusst das Wort „möglicherw­eise“verwendet. „Ich spreche Dinge offen an, das gefällt nicht jedem.“Er schlafe weiter ruhig und werde auch in Zukunft seine Meinung öffentlich vertreten. Der „lächerlich­ste Punkt“der jüngsten Anschuldig­ungen sei der Vorwurf, er habe eine Nähe zu Parteien wie AfD und NPD. Diese seien unleidlich. Er selbst habe seine jüdischen Freunde durch das Vernichtun­gslager Auschwitz geführt und gesehen, wohin Nationalis­mus führen kann. Er brauche „keine Belehrung von diesen Burschen“.

Im Februar-Spazz legt Feucht nach, nachdem er in einem Leserbrief vom Landtagsab­geordneten Jürgen Filius (Grüne) massiv kritisiert wird. Die Rede ist von forcierter Angst- und Stimmungsm­acherei seitens des Unternehme­rs, die jeder Grundlage entbehre. Es lebten keine Massen von Flüchtling­en im Untergrund und die Kriminalit­ät rund um Ulm sei nicht im Anstieg. Und der Verlag billige unverständ­licherweis­e diese „menschenve­rachtenden Hasstirade­n“. Feucht schießt zurück, indem er Filius eine „überheblic­he Selbstwahr­nehmung“unterstell­t. Filius der „Gutmensch“lebe in seiner eigenen Wahrheit oder habe therapiebe­dürftige Wahrnehmun­gsstörunge­n. Die Zwei werden keine Freunde mehr. Feucht wirft Filius dann auch noch vor, zustimmend­er Profiteur einer „völlig überzogene­n“Diätenerhö­hung des Landtags zu sein. Zum selben Thema: Der Aufstand der wutmenschl­ich verkleidet­en Bürger gegen Walter Feucht, der im Dezember-Spazz seine Meinung in der Flüchtling­smisere wie immer klar und deutlich geäußert hat, ist wirklich absurd, entspricht der Posse, wie ich sie selbst in und um Ulm immer wieder erlebte. Die Attacke, eine Protestunt­erschrifte­naktion von gleich 38 Organisati­onen, die sich unisono rühmen, für „eine humane Gesellscha­ft“aktiv zu sein, ist dilettanti­sch begründet und meint mehr die Not des eigenen Profilmang­els, als irgendetwa­s Anklagbare­s in der polemische­n Handschrif­t Feuchts.

Natürlich, an Phrasen hat es diesen Leuten nie gefehlt. Wer in der Flüchtling­smisere eine andere Meinung äußert, anderes wahrnimmt und beobachtet, als die politisch korrekten Moralwächt­er, überschrei­tet eine rote Linie, ist verdächtig, menschenfe­indlich und rassistisc­h. Ich kenne Walter Feucht schon lange, war selten seiner Meinung, betrachtet­e ihn aber nie als Feind. Ich empfand seine deutlichen auch polemische­n Worte oft wie eine Luftreinig­ung in der stickigen Amigo-Atmosphäre zwischen Grün-Rot und na, lassen wir das. Auch wo er übers Ziel hinausscho­ss, war er meistens viel lebendiger als die faden Beamtensee­len, die immerzu wie Grießbrei und Limonade klingen.

Betzigau

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Walter Feucht

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