Verlag gibt Walter Feucht Deckung
Nach den umstrittenen Äußerungen über Flüchtlinge und Migration schwelt die Auseinandersetzung weiter. Scharf ist der Wortwechsel mit einem Landtagsabgeordneten
Der umstrittene Kolumnist Walter Feucht erhält Rückendeckung: Michael Köstner, der Chef des Ulmer Verlags KSM, in dem das Stadtmagazin Spazz erscheint, verteidigt auf Anfrage den bereits im Dezember erschienen Text, der jüngst über 30 Organisationen zu einem Protestschreiben veranlasste. Köstner teile zwar nicht immer die Meinung von Feucht, doch der Unternehmer habe nicht über das Ziel hinaus geschossen. Der ehemalige Stadtrat habe sehr pointiert den Finger in eine Wunde gelegt.
Wie berichtet, schrieb der Jogging-Brot-Erfinder unter dem Titel „Schlaraffiade“in „Feuchts Einwurf“über „möglicherweise 520 000 Flüchtlinge, Migranten und Zuwanderer“, die ohne jeglichen Kontakt zu den Behörden spurlos verschwunden seien. Weiter ist die Rede von „Maghrebgebildeten“, die in Zügen onanierten. Feucht: „Seien wir doch ein bisschen nachhaltiger, multitoleranter mit dem Erotomanen.“Weiter kritisiert Feucht Merkel, die lieber von „Bürgern, die schon lange hier sind“spreche, als die Deutschen beim Namen zu nennen. Arabische und anatolische Clanmitglieder im Polizeidienst erinnerten Feucht an das Vorhaben, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Und die Ulmer Polizei, inklusive Oberbürgermeister, verniedlichten eine beunruhigende Sicherheitslage in der Ulmer Bahnhofstraße „aus dem „Maxi-Cosi-Streifenwagen“heraus.
Spazz-Herausgeber Köstner sagt, dass ihm die Kolumne nicht zu weit gehe, auch wenn er verstehen könne, dass sich Menschen darüber aufregen. Er selbst beschreibt sich als „grünen Geist“und stelle sich die grundsätzliche Frage, wie politisch ein Stadtmagazin überhaupt werden dürfe.
Trotz des Ärgers werde Köstner an „Feuchts Einwurf“festhalten. Der Unternehmer habe Informationen aus renommierten Print-Medien gebündelt und zugespitzt. Da könne ihm kein Vorwurf gemacht werden.
„Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut“, sagt der Grünen-Stadtrat Michael Joukov. Sie gelte selbst für solche, die gerne Argumentation durch Provokation ersetzen, und Fakten durch persönliche Angriffe. „Aber man sei gewarnt, einem Feucht zu glauben. Sechs nachweislich falsche Angaben in 18 Beiträgen sind dafür deutlich zu viel“. So heißt es im offenen Brief der 38 Organisationen, dass die Zahl von angeblich 520 000 unregistrierten Flüchtlin- gen, die einst Bild und Welt veröffentlichten, längst zurückgewiesen worden sei. Selbst einen Bericht über 30000 untergetauchte Asylbewerber in der Welt brandmarkte das Innenministerium als falsch.
Es ist nicht das erste Mal, dass Feucht sich durch seine Kolumne Zorn zuzieht. Unter dem Motto „Kein Spazz in der Hand“sammelte 2015 eine anonyme Gruppe in der Stadt ausliegende Hefte ein, klebte sie mit Kleister zusammen und deponierte das Paket nachts vor den Geschäftsräumen des Magazins. Auch damals waren umstrittene Thesen über Flüchtlinge und Einwanderung der Hintergrund.
Der erneut im Kreuzfeuer der Kritik stehende Feucht sagt auf Anfrage, dass er lediglich Zahlen, die vielfach von renommierten Medien längst in Umlauf gebracht worden seien, verwendet hätte. Zudem habe er gerade in Bezug auf die 520 000 Flüchtlinge bewusst das Wort „möglicherweise“verwendet. „Ich spreche Dinge offen an, das gefällt nicht jedem.“Er schlafe weiter ruhig und werde auch in Zukunft seine Meinung öffentlich vertreten. Der „lächerlichste Punkt“der jüngsten Anschuldigungen sei der Vorwurf, er habe eine Nähe zu Parteien wie AfD und NPD. Diese seien unleidlich. Er selbst habe seine jüdischen Freunde durch das Vernichtungslager Auschwitz geführt und gesehen, wohin Nationalismus führen kann. Er brauche „keine Belehrung von diesen Burschen“.
Im Februar-Spazz legt Feucht nach, nachdem er in einem Leserbrief vom Landtagsabgeordneten Jürgen Filius (Grüne) massiv kritisiert wird. Die Rede ist von forcierter Angst- und Stimmungsmacherei seitens des Unternehmers, die jeder Grundlage entbehre. Es lebten keine Massen von Flüchtlingen im Untergrund und die Kriminalität rund um Ulm sei nicht im Anstieg. Und der Verlag billige unverständlicherweise diese „menschenverachtenden Hasstiraden“. Feucht schießt zurück, indem er Filius eine „überhebliche Selbstwahrnehmung“unterstellt. Filius der „Gutmensch“lebe in seiner eigenen Wahrheit oder habe therapiebedürftige Wahrnehmungsstörungen. Die Zwei werden keine Freunde mehr. Feucht wirft Filius dann auch noch vor, zustimmender Profiteur einer „völlig überzogenen“Diätenerhöhung des Landtags zu sein. Zum selben Thema: Der Aufstand der wutmenschlich verkleideten Bürger gegen Walter Feucht, der im Dezember-Spazz seine Meinung in der Flüchtlingsmisere wie immer klar und deutlich geäußert hat, ist wirklich absurd, entspricht der Posse, wie ich sie selbst in und um Ulm immer wieder erlebte. Die Attacke, eine Protestunterschriftenaktion von gleich 38 Organisationen, die sich unisono rühmen, für „eine humane Gesellschaft“aktiv zu sein, ist dilettantisch begründet und meint mehr die Not des eigenen Profilmangels, als irgendetwas Anklagbares in der polemischen Handschrift Feuchts.
Natürlich, an Phrasen hat es diesen Leuten nie gefehlt. Wer in der Flüchtlingsmisere eine andere Meinung äußert, anderes wahrnimmt und beobachtet, als die politisch korrekten Moralwächter, überschreitet eine rote Linie, ist verdächtig, menschenfeindlich und rassistisch. Ich kenne Walter Feucht schon lange, war selten seiner Meinung, betrachtete ihn aber nie als Feind. Ich empfand seine deutlichen auch polemischen Worte oft wie eine Luftreinigung in der stickigen Amigo-Atmosphäre zwischen Grün-Rot und na, lassen wir das. Auch wo er übers Ziel hinausschoss, war er meistens viel lebendiger als die faden Beamtenseelen, die immerzu wie Grießbrei und Limonade klingen.
Betzigau