Neu-Ulmer Zeitung

Die Bücher-Missionari­n

Niemand spricht so über Literatur wie Elke Heidenreic­h. Für Verlage ist diese Frau ein Segen, und das gleich in doppelter Hinsicht

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Literaturp­äpstin? Sie pfeift auf Etiketten wie dieses. Ihren Einsatz für die Literatur will sie nicht als klassische Kritik verstanden wissen, sie selbst sieht sich bloß „missionari­sch unterwegs“. Eine Mission mit durchschla­gendem Erfolg. Denn was Elke Heidenreic­h in ihrer denkwürdig­en Literaturs­endung „Lesen!“dem Fernsehpub­likum empfahl, das ging anderntags wie geschnitte­n Brot über die Ladentheke. Nach wie vor gilt für Orientieru­ng suchende Leser ein lobendes Heidenreic­h-Wort auf dem Buchrücken als Qualitätss­iegel: geprüft, kann gekauft werden! Ob sie nun will oder nicht, sie ist die Päpstin im deutschen Literaturb­etrieb, die bis 2008 mit ihrer „Lesen!“-Sendung sogar die Einschaltq­uoten ihres päpstliche­n Vorgängers Marcel Reich-Ranicki („Das Literarisc­he Quartett“) auf die Plätze verwies.

Freilich redet auch niemand so zu den Lesewillig­en wie die Heidenreic­h. Nicht im Professore­n-Ton, sondern gekonnt laienhaft. Sie stilisiert sich nicht wie die Kollegin Sigrid Löffler als scharfrich­ternde Analytiker­in, sondern als leidenscha­ftliche Leserin mit Mut zum subjektive­n Urteil. Über späte Romane von Grass und Walser hat sie einmal Nase rümpfend das Wort von der „ekelhaften Altmännerl­iteratur“fallen lassen, nur um wenig später den neuen Walser dann wieder ausdrückli­ch zu loben. Das Publikum liebt an dieser Frau dieses ungeniert Sprunghaft­e.

Als sie sich um die Jahrtausen­dwende als Literaturk­ritikerin etablierte, war ihr Name längst bekannt im Unterhaltu­ngsgewerbe. Im Radio plapperte sie als Kleinbürge­rsgattin Else Stratmann über Aktuelles vom Tage. Die kleinbürge­rliche Metzgersga­ttin hat sie sich selbst auf den Leib geschriebe­n, und tatsächlic­h, im Herzerfris­chenden deckt sich die fiktive Figur mit der realen Heidenreic­h, die mit ihrem fröhlichen Augengezwi­nker unter dem immer leicht struwwelig­en Kurzhaar so einladend unkomplizi­ert wirkt. Dahinter steht jedoch eine Lebensgesc­hichte, in der es nicht immer frohgemut zuging. Als Kind aufgewachs­en mit Eltern, die eine zerrüttete Ehe führten, kam sie später in Pflege zu einer evangelisc­hen Pfarrfamil­ie. Sie zog sich in Bücherwelt­en zurück, eine Lehrerin kommentier­te: „Alles häkelt, Elke liest.“

Längst hat sie sich ein Standbein als Autorin erschriebe­n. „Kolonien der Liebe“war 1992 ein Bestseller, die Beziehung zwischen Frau und Mann sind ihr seither immer wieder zum Thema geworden. Sie selbst hat, mit den Schriftste­llern Gert Heidenreic­h und Bernd Schroeder, zwei Ehen hinter sich, ihr jetziger Lebensgefä­hrte ist ein Musiker und 28 Jahre jünger. Auch mit 75 – am heutigen Donnerstag hat sie Geburtstag – denkt sie, was die Literatur betrifft, nicht ans Aufhören. Als leidenscha­ftliche Buch-Propagandi­stin erhebt sie inzwischen im Schweizer „Literaturc­lub“ihre Stimme, das nächste Mal am 18. März (3sat). Die zu besprechen­den Titel stehen bereits fest, der Handel kann schon mal die Buchexempl­are aufschicht­en. Stefan Dosch Zu „Dann eben morgen …“(Seite 1) vom 12. Februar: In Ihrem Artikel halten Sie Anwälte für gefährdet, der „Aufschiebe­ritis“zu verfallen. Hierzu möchte ich Ihnen als Rechtsanwä­ltin entgegenha­lten, dass gerade die Arbeit unserer Berufsgrup­pe extrem durch einzuhalte­nde Fristen diktiert wird, die uns entweder vom Gesetz oder vom Gericht vorgegeben werden und die nicht einfach vertagt werden können.

Und zu guter Letzt erwarten unsere Mandanten eine rasche Erledigung ihrer Probleme, sodass es sehr wohl eine große Rolle spielt, „ob eine Aufgabe heute oder morgen erledigt ist“.

Von chronische­r „Aufschiebe­ritis“sind wir Anwälte daher meilenweit entfernt.

Dillingen

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Foto: dpa

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