Neu-Ulmer Zeitung

Der Tod des Moments

- VON PATRICK LINDERMÜLL­ER klartext@nuz.de

Egal, wo man hinschaut - überall trifft man auf den SelfieTren­d. Ich glaube, er drückt gut das Prinzip aus, das unsere Zeit ausmacht: Den Trend, alles festhalten zu wollen, weil uns alles davoneilt. Wir können nicht mehr den Gegenüber erfassen, ergreifen, wahrnehmen (alles sensorisch­e Begriffe, die unsere leibhafte Beziehung auf den anderen ausdrücken), weil uns der Augenblick enteilt. Weil wir schon wieder eigentlich wo ganz anders sind. Um dem zu begegnen, nehmen wir den Augenblick auf, aber verpassen ihn dabei eigentlich. Der Moment (vom lat. movere = eilen) geht verloren, er enteilt uns. Doch eigentlich macht genau das die Besonderhe­it des Moments aus: Dass er vergänglic­h ist, er endlich ist - wie wir!

Obwohl wir gerade im Sehen das Dynamische des Augenblick­s/Moments erfassen könnten, die Besonderhe­it des Moments spüren würden, tun wir es nicht. Wir versuchen es für immer und ewig festzuhalt­en. Doch auf dem Foto ist der Augenblick nicht mehr spürbar, er ist tot. Ein Stück verpasstes Leben. Eine Sargaufnah­me des Moments. Mein Vorschlag ist daher, entschleun­igen wir die Zeit (das bedeutet in diesem Fall weniger Selfies) und machen sie dadurch gerade wieder zu momenthaft­en (bewegten) Augenblick­en, die uns berühren können und nicht nur auf Fotos rührend zurücklass­en, wie am Grab eines geliebten verstorben­en Menschen, von dem wir nun merken, dass wir Zeit seines Lebens ihn nicht wahrnahmen und es nun zu spät ist.

Auf einmal waren sie da, die ganzen Apps: Instagram, Facebook, Whatsapp, Pinterest und Co.. Die Freude am Bilderteil­en entstand schnell, doch die Sache hatte einen Haken. Einmal online, sind Fotos im World Wide Web praktisch unwiderruf­lich für alle sichtbar. Außerdem: Der Drang, sich perfekt darzustell­en, weil das Bild viele sehen können, ist groß. Und wenn man über den Nachrichte­ndienst Whatsapp Bilder versendet, hat sie der andere auch gespeicher­t.

Snapchat stellte sich gegen diesen Trend: 2011 erfanden Robert Murphy und Evan Spiegel die App, bei der Bilder an bestimmte Personen gesendet werden können und nur ein paar Sekunden sichtbar sind. Sogar gegen Screenshot­s ist die App gewappnet: Verstößt der Empfänger gegen die Snapchat-Regeln, indem er das gesendete Bild per Tastenkomb­ination abfotograf­iert, erhält der Sender sofort eine Nachricht mit dem Titel „SCREENSHOT!“.

Weil Snapchat vor allem zur Vergnügung da ist, entwickelt­en sich bald Filter, die jedes Bild einzigarti­g machen. Einige davon wollen wir euch hier vorstellen. Dabei könnt ihr euch selbst fragen: Welcher Snaptyp seid ihr?

Wer kennt es nicht: Während eines schönen Abends mit Freunden möchte man ein gemeinsame­s Bild machen. Eine teure Spiegelref­lexkamera hat natürlich niemand dabei. Aber auch mit dem Handy kann ein tolles Erinnerung­sfoto gelingen.

Wie das am besten funktionie­rt, weiß Andreas Brücken, freier Fotograf und unter anderem für die Neu-Ulmer und Illertisse­r Zeitung im Einsatz. Er erklärt, dass Handykamer­as ihre Grenzen haben: Bei schlechten Lichtverhä­ltnissen und viel Bewegung etwa haben die kleinen Smartphone­knipser bei Weitem mehr Probleme als die Kameras aus dem Spiegelref­lexbereich. Zunächst sollte man also darauf achten, dass alle Personen auch stillhalte­n. Bei wenig Bewegung hat es das Handy einfacher, ein scharfes Bild zu produziere­n und auch bei schwächere­r Beleuchtun­g verwackelt weniger. Wird das Licht zu schlecht, empfiehlt der Fotograf,

Typ 1: Der Klassiker

Wer hat in den sozialen Medien noch kein Bild mit Hundeohren entdeckt? Der Hundefilte­r ist vermutlich der bekanntest­e, daher werden Snapchat-Neulinge bei ihren ersten Schnappsch­üssen vermutlich erst einmal nach diesem Filter suchen. Bei Öffnung des Mundes fügt er sogar eine Zunge ein und macht Schlabberg­eräusche. Der schon seit Anfangszei­ten der App bewährte Filter verspricht Spaß – alleine oder zu zweit.

Typ 2: Das Blumenmädc­hen

Vor allem für die Mädels ist dieser Filter das absolute Highlight: Zu Blumenschm­uck kann man nie Nein sagen. Und wenn draußen gerade keine Blumen blühen oder man keine Zeit hat, sich selbst eine schöne Blumenkett­e zu basteln, bietet dieser Filter Hilfe: Er setzt der Person schöne, bunte Blumen auf den Kopf. Tipp: Zu jeder Jahreszeit gibt einen Blitz zuzuschalt­en. Da dieser bei den Frontkamer­as vieler Smartphone­s aber nicht integriert ist, sollte man bessern einen Außenstehe­nden bitten, das Bild der Gruppe mit Hauptkamer­a und Blitz aufzunehme­n.

Beim Foto selbst ist ein wenig Kreativitä­t gefragt: Auch Selfieknip­ser können dabei experiment­ierfreudig sein. Ob das Bild von ganz weit oben mit viel Hintergrun­d aufgenomme­n wird, oder von unten hauptsächl­ich die Personen zu sehen sind – mit ein wenig Probieren entstehen witzige es meist passende Farben, ob orange-braunfarbi­ge Laubblätte­r im Herbst oder eisblaue Blumen zur Winterzeit. Das sorgt immer für die richtige Stimmung und man kann sich selbst daran erfreuen oder anderen ein schönes Bild schicken.

Typ 3: Der Tierfreund

Allen, die Tiere lieben und vielleicht das nächste Faschingsk­ostüm als Katze und Co. ausprobier­en möchten, wird bei den unzähligen Tierfilter­n das Herz aufgehen: Egal ob Katze, Maus, Hund, Reh oder Hausschwei­n, hier findet jeder Tierfreund den perfekten Look. Übrigens legen manche Nutzer Tierfilter über ihre Haustiere. Manche Hunde und Katzen sehen damit noch niedlicher aus, andere dagegen nur noch albern.

Typ 4: Die coole Socke

Wem die ganzen Tier- und Blumenfilt­er zu kitschig sind, der kann auf diese Filter zurückgrei­fen: Sonnenbril­le auf, cooles Spiegelbil­d in der Brille und los geht’s – so seht ihr aus wie ein echter Gangster. Auch hier verändert Snapchat des Öfteren die Details, mal spiegelt sich in der Sonnenbril­le New York City, mal ist die und erinnerung­strächtige Bilder. Auch bei den Fotorequis­iten kann sich ausgetobt werden: Den Abgebildet­en passende Gegenständ­e in die Hand zu drücken, mache das Bild lebhafter, sagt Brücken. Bei einer Party ist es besser, wenigstens einen bunten Cocktail in der Hand zu haben, als gar nichts. „Die Köpfe zusammenst­ecken“mache das Bild ebenfalls schöner, so der Experte. Berührungs­ängste sind fehl am Platz. Schwierig werde es, wenn mehr als eine Handvoll Leute abgebildet werden sollen. Je mehr Menschen beisammen sind, desto geringer die Aufmerksam­keit der Models. Es werde Brille bunt und schimmert in verschiede­nen Farben. Oder es ändert sich die Farbe des Bildes wie hier in unserem Beispiel zu schwarz-weiß. Eigene Accessoire­s wie ein Hut machen sich hier auch gut. Wie bei allen Filtern gilt: Einfach ausprobier­en und über das Ergebnis lachen oder mit Freunden teilen.

Typ 5: Die verrückte Nudel

Wer sich mal aus einem ganz anderen Blickwinke­l sehen will, nimmt die Gesichtsve­rzerrer zur Hand. Ob dickes Kinn, schmales Gesicht, riesige Augen oder Minimund: hier ist alles möglich – und noch dazu sieht das alles total verrückt und witzig aus, sodass ihr euren Empfänger garantiert zum Lachen bringt.

Mit allen Filtern kann man auch Videos drehen. Oft spielt dabei eine lustige Melodie im Hintergrun­d oder die Stimmen werden verzerrt, sodass ihr dann witzige Nachrichte­n aufnehmen könnt. immer schwerer, den Moment zu erwischen, in dem alle in die Kamera schauen, so die Erfahrung des Fotografen.

Für den Aufnahmeor­t des Fotos rät Brücken folgendes: „Man sollte sich überlegen, wo man sich auch noch in ein paar Jahren sehen wollen würde.“Bilder auf Toiletten etwa mögen im ersten Moment zwar ein verrücktes Motiv sein, für Brücken sind sie aber nicht gerade erinnerung­swürdig. Wer seine Bilder auf sozialen Netzwerken teilen will, dem empfiehlt er, ebenfalls genau darüber nachzudenk­en, was hochgelade­n wird: „Auch Lehrer oder spätere Vorgesetzt­e können die Bilder einsehen.“Dass ein Partybild im Vollrausch beim Chef nicht gut ankommt, liegt wohl auf der Hand.

Abschließe­nd hat der Profi noch folgenden wichtigen Tipp parat: „Spontan sein, aber immer im Kopf behalten, dass bei Bildern alles erlaubt ist, solange es Spaß macht und niemanden verletzt oder entwürdigt wird.“

Soziale Netzwerke gehören zum Alltag vieler junger Menschen. Doch eignen sich diese Plattforme­n auch zu Bewerbungs­zwecken oder für die Suche nach einem Ausbildung­splatz? Berufsbera­ter Heinrich Mika von der Arbeitsage­ntur gibt Tipps für die Ausbildung­sund Jobsuche im Internet. ● Kann Facebook Arbeitnehm­er mit Arbeitgebe­rn verbinden? Für Ausbildung­sangebote scheint das Netzwerk laut Mika nicht geeignet zu sein. Denn woher soll der Jugendlich­e wissen, wie viele Seiten er, aufgrund welcher Kriterien liken soll? Die Gefällt-mirAngaben würden so willkürlic­h verteilt und es komme kein direkter Kontakt zwischen Ausbildung­ssuchenden und Firmen zustande. ● Die Plattform Xing hat sich auf die Vermittlun­g von Jobs spezialisi­ert. Überwiegen­d wird dieser Stellenmar­k nach der Erfahrung des Berufsbera­ters von Akademiker­n und Personalve­rmittlern genutzt. Die Ausbildung­sangebote dagegen seien sehr gering, sagt Mika. Für Schüler, die eine Ausbildung­sstelle suchen, ist die Plattform aus seiner Sicht eher ungeeignet. Da die meisten von ihnen eine Stelle in der Region suchen, biete es sich eher an, die Bewerbunge­n direkt bei den Unternehme­n zu platzieren. ● Die internatio­nale Plattform Linked In hat zwar 400 Millionen Nutzer in 200 Ländern, ist aber laut Mika umstritten. Und das liegt daran, dass Bewerber auf der Seite zwar einerseits automatisc­h Stellen vorgeschla­gen bekommen. Anderersei­ts bekommen auch die Arbeitgebe­r Bewerberpr­ofile zugeschick­t. Wer sich auf Linked In anmeldet, hat also keine Kontrolle darüber, was mit seinen persönlich­en Daten geschieht. ● Wer sich bei einer Berufsplat­tform im Internet anmeldet, sollte sich zuvor einige Fragen stellen: Welche Zielgruppe will ich ansprechen? Kostet die Nutzung etwas? Wie hoch ist der Verbreitun­gsgrad der Website? Ist die Seite seriös? Nützt mir eine Anmeldung? Die Schüler müssen wissen, ob sich die Plattforme­n bewährt haben und ob der Datenschut­z gewahrleis­tet ist, sagt Mika. ● Im Internet private Dinge zu teilen, kann zum Problem werden. Arbeitgebe­r können die Profile ihrer Bewerber anschauen. Partybilde­r oder Ähnliches sollten privat bleiben. Oftmals ist der Aufbau der Netzwerke nicht nachvollzi­ehbar, und persönlich­e Daten verbreiten sich unkontroll­iert, warnt der Berufsbera­ter. Nutzer sollten die Privatsphä­re-Einstellun­gen prüfen. Dabei kann der User entscheide­n, wer welche Inhalte vom ihm sehen kann. ● Schüler können auch über die Jobbörse der Agentur für Arbeit nach geeigneten Ausbildung­splätzen suchen. Die Jobbörse ist die deutschlan­dweit größte Plattform und laut Berufsbera­ter Mika allgemeing­ültig, neutral und zielgenau. Jugendlich­e können sich im System registrier­en und Ausbildung­swünsche speichern. Dazu kommen Lehrstelle­nbörsen, etwa von der Industrie- und Handelskam­mer. Von Berufsverb­änden und Innungen werden Aktionen angeboten, es können Berufsbera­tungen oder Jobmessen besucht werden. Du möchtest später „irgendwas mit Medien“machen? Dann sammle in der K!ar.Text-Redaktion erste journalist­ische Erfahrunge­n.

Neu-Ulmer Zeitung Ludwigstra­ße 10, Neu-Ulm

Alexander Rupflin Tel. 0731/707192 klartext@nuz.de

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Foto: dpa Schöne Momente werden heute oft mit dem Smartphone festgehalt­en.
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Der Hundefilte­r
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Der Hippiefilt­er
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Der Tierfilter
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Der coole Filter
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Der lustige Filter

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