In einem US Militärcamp soll alles begonnen haben
das Deutsche Reich Frieden mit dem seit der Oktoberrevolution 1917 bolschewistischen Russland geschlossen und war der prekären Kriegssituation an zwei Fronten entronnen. Aber die Entwicklung an der Westfront, die Versorgungsmängel durch die britische Seeblockade und nicht zuletzt der Kriegseintritt der Vereinigten Staaten führten dazu, dass die Oberste Heeresleitung im Laufe des Jahres 1918 immer mehr zu der Überzeugung kam, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen war. Die Amerikaner schickten zudem immer mehr Soldaten nach Europa. Angeblich waren sie es, die die „Spanische Grippe“in die kriegsgeschwächte Alte Welt brachten.
Der Anfang ist vielen Quellen zufolge im riesigen Militärlager „Camp Funston“in den landwirtschaftlich geprägten Weiten des USBundesstaates Kansas zu finden. 56000 zumeist junge Männer waren dort zusammengepfercht und warteten auf ihren Marschbefehl nach Europa. „Als Kronzeuge dieser Ursprungshypothese wird der Landarzt Loring Miner im Haskell County aufgerufen“, schreibt Dr. Harald Salfellner, ein in Prag ansässiger Arzt, Verleger und Medizinhistoriker, der nun seine jahrelangen Recherchen in dem Buch „Die Spanische Grippe – Eine Geschichte der Pandemie von 1918“zusammengefasst hat. War es wirklich so? Salfellner hat zumindest Zweifel daran.
Landarzt Miner jedenfalls, so die bisher gängige Meinung, hatte im März 1918 beobachtet, dass in dem Camp eine Grippewelle grassierte, der binnen kurzer Zeit immer mehr Menschen starben. Das meldete er der US-Gesundheitsbehörde. Die Symptome waren grausam. Nach einer Inkubationszeit von nur ein oder zwei Tagen stellten sich hohes Fieber bis 41 Grad und schwerstes Krankheitsgefühl mit unerträglichen Kopfschmerzen ein. Die Betroffenen wälzten sich in den Betten und vegetierten nur noch wimmernd dahin. Ihre Gesichter wurden rot bis bläulich und waren aufgedunsen.
Dazu traten sehr häufig zwei Formen der Lungenentzündung auf: die Primärpneumonie, bei der die Lungenentzündung direkt von den Grippeviren ausgelöst wird, oder – was häufiger vorkam: Der Patient erkrankte an einer von Bakterien hervorgerufenen Lungenentzündung, die zur Grippe hinzukam und den ohnehin geschwächten Patienten malträtierte. Das nennt sich Sekundärpneumonie.
Mit fürchterlichen Folgen für den Erkrankten, der an vereiterten Lungen und entsetzlichen Schmerzen litt. Salfellner beschreibt es so: „Die unter qualvoller Atemnot leidenden Kranken sind bis zum Schluss bei klarem Bewusstsein, beobachten die vergeblichen Rettungsversuche der Ärzte und erkennen mit Entsetzen das bevorstehende Ende. (...) In diesen Fällen macht ein Herzversagen dem Todeskampf ein Ende.“
Im Frühjahr 1918 waren zunächst vergleichsweise wenige Menschen von der Krankheit betroffen, sodass noch nicht wirklich von einer Grippewelle die Rede war. Die Nachrichten rund um den Erdball waren vom Kriegsgeschehen dominiert. In diesen Tagen wurden weitere USSoldaten nach Europa gebracht, wo sie – so die gängige medizinhistorische Deutung – dann den Kriegskontinent „infizierten“.
So kam es auch zu dem Namen „Spanische Grippe“und nicht etwa „Amerikanische Grippe“. Die Zensurbehörden der kriegsführenden Länder untersagten nämlich zunächst, darüber zu berichten, um die Kampfmoral nicht zu torpedieren. Spanien war aber neutral, und dort gab es nur relativ wenig Zensur. So berichteten spanische Mean dien Ende Mai, dass acht Millionen Spanier an Grippe erkrankt seien. Plötzlich war der Name „Spanische Grippe“in der Welt.
Eine Pandemie, die grob skizziert in drei Wellen verlief: der ersten etwas weniger schweren im Frühjahr 1918, einer zweiten extrem tödlichen im Spätsommer und Herbst 1918 sowie einer dritten Anfang 1919. Überall auf der Erde lagen die Menschen darnieder. Die Grippe raffte ganze Ortschaften dahin. Generäle in Europa waren es leid, morgens nur noch die Zahl der Erkrankten genannt zu bekommen, was das Kriegsgeschäft stark erschwerte.
Zwei Drittel der Bevölkerung des Deutschen Reiches waren angeblich erkrankt. Je nach Schätzung starben davon zwischen 250 000 und 460000. In den USA entstand Salfellner zufolge ein „Hexenkessel“der Grippewelle. Allein in der Woche vom 17. bis zum 23. Oktober verloren in den Vereinigten Staaten 210 000 (!) Amerikaner ihr Leben. Überall gab es riesige Probleme, die Toten – weil so zahlreich – zu bestatten.
Die Schätzungen, wie viele Menschen überhaupt ihr Leben lassen mussten, gehen auseinander. Der Weltkrieg überschattete vieles. Sehr zahlreich sollen die Opfer in Russland gewesen sein. Doch in dem revolutionsgeschüttelten Land, nunmehr Sowjetunion genannt, hatten die führenden Kommunisten andere Themen auf der Agenda. Die meisten Toten soll es in Indien gegeben haben: 14 Millionen, was eine Volkszählung im Jahr 1921 angeblich belegte.
Ob die Grippe tatsächlich in den Vereinigten Staaten ihren Ursprung nahm, ist bis heute nicht hundertprozentig geklärt. Ebenso wenig ist klar, warum sie bevorzugt nicht Kinder und Alte dahinraffte, sondern gerade gesunde Menschen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren. Fakt ist, dass es sich um ein Influenzavirus des sogenannten Subtypen A/H1N1 handelte. Dieser stammte Experten zufolge von einem Vogelgrippe-Virus ab und war kurz vor dem Ausbruch der Seuche mehrfach mutiert – in einer Weise, die ihn äußerst gefährlich machte. Weil er