Wie Europa neuen Schwung bekommt
Durch die Eurokrise hat die Union an Vertrauen verloren. Was tun? In München zeigten Politik und Wirtschaft Ideen auf – von der Außenpolitik bis zum kostenlosen Interrail-Ticket
Für den früheren Bundesfinanzminister Theo Waigel ist klar, was das Zusammenwachsen Europas gebracht hat. „Wenn ich heute von Kehl nach Straßburg zum Grab meines 1944 gefallenen Bruders genauso schnell komme wie von NeuUlm nach Ulm, dann ist das ein entscheidender Fortschritt.“Ein Satz, der trifft. Im Saal des Literaturhauses in München löst er für einen Atemzug Stille aus. Die Europäische Union hat sich nach verheerenden Kriegen als Friedensprojekt erwiesen. Doch in der Eurokrise war auch deutlich geworden, dass es Defizite gibt. Wo muss Europa nachbessern? Welche Ideen gibt es?
Über diese Fragen diskutierten am Donnerstag vor rund 200 Zuhörern Vertreter aus Politik und Wirtschaft auf der „Münchner Europa Konferenz“, die zusammen mit der Münchner Sicherheitskonferenz stattfand. Klaus Regling ist Chef des Euro-Rettungsschirms ESM, der den Euro-Krisenländern Spanien, Portugal, Irland, Zypern und Griechenland geholfen hat – mit über 270 Milliarden Euro Kredit. Aus seiner Sicht hat sich dies gelohnt.
„Vier dieser Länder sind heute eine Erfolgsgeschichte mit hohen Wachstumsraten“, sagte Regling. „Griechenland macht Fortschritte. Insgesamt geht es uns ziemlich gut in Europa.“Europa habe weltweit die am meisten ausgeglichene Einkommensverteilung. Das europäische Sozialmodell sei die beste Ant- wort auf die Globalisierung. Aber reicht das für die Zukunft?
Siemens-Chef Joe Kaeser betonte, dass Europa große Anstrengungen vor sich hat. Der Manager war in München bemüht, sein Zusammentreffen mit US-Präsident Donald Trump in Davos selbstironisch auf die Schippe zu nehmen. Ihm war gegenüber Trump praktisch Unterwürfigkeit vorgeworfen geworfen. Kaeser hatte in München aber auch eine ernste Nachricht: Er fordert von Europa neue Anstrengungen, um im weltweiten Wettbewerb zu bestehen. „Es geht in Zukunft darum, ob es Europa gelingt, mit den Chinesen, den Indern und vielleicht auch den Amerikanern mitzuhalten“, sagte er. Jetzt, wo es Europa besser gehe, aus einer Position der Stärke heraus, sei die Zeit für Reformen. Einige Ideen brachte er mit.
Kaeser drängte Europa, in der Außenpolitik stärker an einem Strang zu ziehen. Europa müsse sich als „weltpolitische Großmacht“positionieren. „Wir haben die Chance, Europa da hinzuführen, wo es hingehört, nämlich als dritte Kraft in der Welt“, sagte Kaeser. Im Laufe der Diskussion verortete er Europa stets zwischen den USA und Asien. Für Kaeser denken die Europäer zu kleinräumig: „Es braucht keine 16 Vertretungen der Bundesländer in Brüssel.“Dass sich die Politik zu häufig im „Klein-Klein“verliert, befürchtet auch Christine Bortenlänger, Chefin des Deutschen Aktieninstituts.
Bortenlänger richtete ihre Kritik an Union und SPD. „Meine Kinder, die bereits wählen dürfen, waren enttäuscht, was nach der Bundestagswahl passiert ist.“Zu sehr sei an „Pöstchen“gedacht worden. Sie fordert von der Bundesregierung ein klares Signal Richtung Europa, um die großen Themen anzugehen – Sicherheit, der Kampf gegen Fluchtursachen. Zudem müsse Europa mehr Wohlstand schaffen, um wieder die Akzeptanz der Bürger zu gewinnen.
Theo Waigel, Vorsitzender der Europa-Konferenz, dachte dabei an die Jugend. Er forderte, mehr gegen die Jugendarbeitslosigkeit in der EU zu unternehmen: „Solange wir in einigen Ländern 20 bis 30 Prozent Jugendarbeitslosigkeit haben, ist es verständlich, dass die Begeisterung für Europa nicht groß ist.“
Dass Europa zwar viel erreicht hat, aber noch viel Arbeit besteht, sagte auch der schwäbische Europaabgeordnete Markus Ferber. Er sprach nicht nur über große Vorschläge wie eine stärkere gemeinsame Außenpolitik, sondern warb auch für eine charmante kleine Idee: Ein kostenloses Interrail-Ticket für Jugendliche. Damit ließe sich Europa erleben. Und junge Menschen könnten entdecken, dass ihre Altersgenossen im Ausland ganz ähnlich denken wie sie selbst.
Sie sind klein, süß, bunt verpackt – und der Grund dafür, dass sich zwei Süßwarenfirmen mächtig in die Haare bekommen haben. Es geht um Bonbons in diesem Rechtsstreit, der erst das Münchner Landgericht und nun das Oberlandesgericht (OLG) beschäftigt hat. Genauer gesagt: um deren Verpackung. Die Klägerin, die bayerische Süßwarenherstellerin Wiedenbauer, wirft der Gegenseite vor, unrechtmäßig mit dem Freistaat zu werben. Die hat ihren Sitz zwar auch in Bayern, lässt aber in Österreich produzieren. Dass diese Firma ihre Naschereien trotzdem unter dem Namen „Alpenbauer“in Papier mit Rautenmuster hüllt, hält Wiedenbauer für einen irreführenden Bezug auf eine angeblich bayerische Herkunft.
Im ersten Fall ging es um ein weiß-blaues Rautenmuster auf den Verpackungen und die Banderole mit der Aufschrift „Bayerische Bonbonlutschkultur“, im zweiten um Verpackungen mit Rautenmuster unterschiedlicher Farbkombination und lediglich der Aufschrift „Bonbonlutschkultur“. Im ersten Fall bestätigte das OLG ein früheres Urteil des Landgerichts. Es sei denkbar, dass die Beklagte mit der Aufmachung ihrer Bonbons potenzielle Kunden der Konkurrenz zu sich umgelenkt hat. Die Beklagte nahm daraufhin die Berufung zurück. Im zweiten Fall steht eine Entscheidung noch aus.