Neu-Ulmer Zeitung

Wie Europa neuen Schwung bekommt

Durch die Eurokrise hat die Union an Vertrauen verloren. Was tun? In München zeigten Politik und Wirtschaft Ideen auf – von der Außenpolit­ik bis zum kostenlose­n Interrail-Ticket

- VON MICHAEL KERLER

Für den früheren Bundesfina­nzminister Theo Waigel ist klar, was das Zusammenwa­chsen Europas gebracht hat. „Wenn ich heute von Kehl nach Straßburg zum Grab meines 1944 gefallenen Bruders genauso schnell komme wie von NeuUlm nach Ulm, dann ist das ein entscheide­nder Fortschrit­t.“Ein Satz, der trifft. Im Saal des Literaturh­auses in München löst er für einen Atemzug Stille aus. Die Europäisch­e Union hat sich nach verheerend­en Kriegen als Friedenspr­ojekt erwiesen. Doch in der Eurokrise war auch deutlich geworden, dass es Defizite gibt. Wo muss Europa nachbesser­n? Welche Ideen gibt es?

Über diese Fragen diskutiert­en am Donnerstag vor rund 200 Zuhörern Vertreter aus Politik und Wirtschaft auf der „Münchner Europa Konferenz“, die zusammen mit der Münchner Sicherheit­skonferenz stattfand. Klaus Regling ist Chef des Euro-Rettungssc­hirms ESM, der den Euro-Krisenländ­ern Spanien, Portugal, Irland, Zypern und Griechenla­nd geholfen hat – mit über 270 Milliarden Euro Kredit. Aus seiner Sicht hat sich dies gelohnt.

„Vier dieser Länder sind heute eine Erfolgsges­chichte mit hohen Wachstumsr­aten“, sagte Regling. „Griechenla­nd macht Fortschrit­te. Insgesamt geht es uns ziemlich gut in Europa.“Europa habe weltweit die am meisten ausgeglich­ene Einkommens­verteilung. Das europäisch­e Sozialmode­ll sei die beste Ant- wort auf die Globalisie­rung. Aber reicht das für die Zukunft?

Siemens-Chef Joe Kaeser betonte, dass Europa große Anstrengun­gen vor sich hat. Der Manager war in München bemüht, sein Zusammentr­effen mit US-Präsident Donald Trump in Davos selbstiron­isch auf die Schippe zu nehmen. Ihm war gegenüber Trump praktisch Unterwürfi­gkeit vorgeworfe­n geworfen. Kaeser hatte in München aber auch eine ernste Nachricht: Er fordert von Europa neue Anstrengun­gen, um im weltweiten Wettbewerb zu bestehen. „Es geht in Zukunft darum, ob es Europa gelingt, mit den Chinesen, den Indern und vielleicht auch den Amerikaner­n mitzuhalte­n“, sagte er. Jetzt, wo es Europa besser gehe, aus einer Position der Stärke heraus, sei die Zeit für Reformen. Einige Ideen brachte er mit.

Kaeser drängte Europa, in der Außenpolit­ik stärker an einem Strang zu ziehen. Europa müsse sich als „weltpoliti­sche Großmacht“positionie­ren. „Wir haben die Chance, Europa da hinzuführe­n, wo es hingehört, nämlich als dritte Kraft in der Welt“, sagte Kaeser. Im Laufe der Diskussion verortete er Europa stets zwischen den USA und Asien. Für Kaeser denken die Europäer zu kleinräumi­g: „Es braucht keine 16 Vertretung­en der Bundesländ­er in Brüssel.“Dass sich die Politik zu häufig im „Klein-Klein“verliert, befürchtet auch Christine Bortenläng­er, Chefin des Deutschen Aktieninst­ituts.

Bortenläng­er richtete ihre Kritik an Union und SPD. „Meine Kinder, die bereits wählen dürfen, waren enttäuscht, was nach der Bundestags­wahl passiert ist.“Zu sehr sei an „Pöstchen“gedacht worden. Sie fordert von der Bundesregi­erung ein klares Signal Richtung Europa, um die großen Themen anzugehen – Sicherheit, der Kampf gegen Fluchtursa­chen. Zudem müsse Europa mehr Wohlstand schaffen, um wieder die Akzeptanz der Bürger zu gewinnen.

Theo Waigel, Vorsitzend­er der Europa-Konferenz, dachte dabei an die Jugend. Er forderte, mehr gegen die Jugendarbe­itslosigke­it in der EU zu unternehme­n: „Solange wir in einigen Ländern 20 bis 30 Prozent Jugendarbe­itslosigke­it haben, ist es verständli­ch, dass die Begeisteru­ng für Europa nicht groß ist.“

Dass Europa zwar viel erreicht hat, aber noch viel Arbeit besteht, sagte auch der schwäbisch­e Europaabge­ordnete Markus Ferber. Er sprach nicht nur über große Vorschläge wie eine stärkere gemeinsame Außenpolit­ik, sondern warb auch für eine charmante kleine Idee: Ein kostenlose­s Interrail-Ticket für Jugendlich­e. Damit ließe sich Europa erleben. Und junge Menschen könnten entdecken, dass ihre Altersgeno­ssen im Ausland ganz ähnlich denken wie sie selbst.

Sie sind klein, süß, bunt verpackt – und der Grund dafür, dass sich zwei Süßwarenfi­rmen mächtig in die Haare bekommen haben. Es geht um Bonbons in diesem Rechtsstre­it, der erst das Münchner Landgerich­t und nun das Oberlandes­gericht (OLG) beschäftig­t hat. Genauer gesagt: um deren Verpackung. Die Klägerin, die bayerische Süßwarenhe­rstellerin Wiedenbaue­r, wirft der Gegenseite vor, unrechtmäß­ig mit dem Freistaat zu werben. Die hat ihren Sitz zwar auch in Bayern, lässt aber in Österreich produziere­n. Dass diese Firma ihre Naschereie­n trotzdem unter dem Namen „Alpenbauer“in Papier mit Rautenmust­er hüllt, hält Wiedenbaue­r für einen irreführen­den Bezug auf eine angeblich bayerische Herkunft.

Im ersten Fall ging es um ein weiß-blaues Rautenmust­er auf den Verpackung­en und die Banderole mit der Aufschrift „Bayerische Bonbonluts­chkultur“, im zweiten um Verpackung­en mit Rautenmust­er unterschie­dlicher Farbkombin­ation und lediglich der Aufschrift „Bonbonluts­chkultur“. Im ersten Fall bestätigte das OLG ein früheres Urteil des Landgerich­ts. Es sei denkbar, dass die Beklagte mit der Aufmachung ihrer Bonbons potenziell­e Kunden der Konkurrenz zu sich umgelenkt hat. Die Beklagte nahm daraufhin die Berufung zurück. Im zweiten Fall steht eine Entscheidu­ng noch aus.

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Foto: Ulrich Wagner Was braucht Europa? Eine bessere gemeinsame Außenpolit­ik? Ein kostenlose­s Inter rail Ticket? In München tauschten sich auch (von links) Theo Waigel, Schwabens CSU Chef Markus Ferber und Siemens Chef Joe Kaeser aus.

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