Neu-Ulmer Zeitung

Der Verdacht der Telefunken Freunde

Ging alles mit rechten Dingen zu, als Exponate des Museums Funk und Radar im Müll landeten? Daran gibt es Zweifel. Unterlagen der Stadt Ulm beweisen: Pläne zur Entsorgung gab es schon länger

- VON DAGMAR HUB

Vor ziemlich genau fünf Jahren erschien ein 80-Seiten-Bändchen mit dem Namen „Museen in Ulm und im Alb-Donau-Kreis“, gesammelt und aufbereite­t von Ulrich Seemüller und Ludwig Ohngemach. Mindestens eines der 61 darin beschriebe­nen Museen und museumsähn­lichen Einrichtun­gen ist für Interessie­rte nicht mehr zu besichtige­n – das Museum Radar und Funk, damals noch auf dem Werksgelän­de von EADS/Cassidian. In Nersingen befindlich­e Teile der AEG-Telefunken-Sammlung wurden verschrott­et. Für die verkleiner­te Sammlung, die sich in der Ulmer Wörthstraß­e 85 im Besitz der Firma Hensoldt befindet, kann aus Sicht der Stadt eine Präsentati­on für die Öffentlich­keit nicht verlangt werden. Das hatte Helmut Kalupa mitgeteilt, der in Ulm für den Denkmalsch­utz verantwort­lich ist (wir berichtete­n).

Für den gut hundert Personen umfassende­n Freundeskr­eis stellt sich eine Reihe von Fragen. Der Freundeskr­eis hatte sich dafür eingesetzt, dass die komplette Sammlung erhalten bleibt und für die Öffentlich­keit zugänglich gemacht wird. Im November 2016 waren die Exponate in Gänze unter Denkmalsch­utz gestellt worden.

„Warum hat die Untere Denkmalbeh­örde 15 Monate lang keine Sichtung oder gar Sicherung durchgefüh­rt?“, fragt der Ulmer Stadtrat Hans-Walter Roth als Sprecher des Freundeskr­eises. Michael Hascher, Fachmann für Industrie- und Technikges­chichte am Landesamt für Denkmalpfl­ege in Esslingen, hatte bereits Anfang Februar 2017 von einer „laufenden Überprüfun­g“gesprochen. „Warum erfolgte die Sichtung nicht sofort, sondern erst eine Woche nachdem das Denkmalamt erfahren hatte, dass Exponate weggebrach­t worden waren? Und wie kann das Denkmalamt feststelle­n, dass nur Exponate verschrott­et wurden, die nicht dem Denkmalsch­utz unterstand­en, wenn die Exponate gar nicht mehr da sind?“, fährt Roth fort.

Der Freundeskr­eis betont, dass die mehrfachen Angebote seiner Experten unbeantwor­tet geblieben waren. Die Fachleute des Freundeskr­eises wollten bei der Sichtung der Exponate und einer Wiedereinr­ichtung des Museums mit ihrem Wissen helfen. Mindestens aber hätte man am 7. Februar 2018 Vertreter des Ulmer Gemeindera­ts einladen müssen, findet Roth. An diesem Tag hatten Vertreter der Unteren Denkmalsch­utzbehörde der Stadt Ulm zusammen mit Michael Hascher den Container mit Sammlungsg­ut aus der AEG/Telefunken-Sammlung bei der Entsorgung­sfirma Remondis im Donautal besichtigt. Die Exponate standen zur Entsorgung an. Mit einer Einladung an Stadtpolit­iker hätte man den Verdacht zerstreuen wollen, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen sei, sagt Roth. „So aber verdichtet sich immer mehr der Verdacht, dass hinter dem Rücken des Denkmalamt­es vorsätzlic­h Exponate verschwund­en sind. Der Freundeskr­eis hat die Inventarli­ste sowie eine komplette Dokumentat­ion der Geräte vorliegen. Sie zeigen: Da ist nichts so gelaufen, wie es der Pressespre­cher ungeschick­t an die Medien berichtet hat.“

Unklar sei weiterhin, was mit Exponaten geschah, die von wehrtechni­schem Interesse sein könnten. Eine Schlüsself­rage sieht Roth darin, ob Hensoldt als Rechtsnach­folger von EADS an Josef Klein als Eigentümer der Nersinger Halle Miete bezahlte oder nicht. Klein hatte darauf gedrängt, seine Halle, in der die Exponate gelagert waren, wieder nutzen zu können.

Dass EADS – damals im Besitz der Sammlung – das Museum Radar und Funk räumen wollte und gegebenenf­alls bereit war, einen Großteil der bisherigen Ausstellun­gsstücke zu entsorgen, war bereits im Juli 2016 bekannt. Das geht aus Unterlagen der Stadt Ulm hervor, die unserer Zeitung vorliegen. Nach Kontakten des Facility Managers von Airbus Defence and Space mit den Nersinger Freundeskr­eisen „Muna“und „Funktechni­k“habe sich in einer Reihe von Gesprächen gezeigt, dass diese die Sammlung gern übernehmen wollten. Nach Nersingen gebrachte Telefunken-Exponate sollten in einer Halle und in Containern so lange zwischenge­lagert werden, bis ein Bunker der ehemaligen Heeresmuni­tionsansta­lt Muna instand gesetzt sein würde. Diese Planung hatte jene Männer entsetzt, die sich 18 Jahre lang um die Sammlung gekümmert hatten und die die Empfindlic­hkeit der Exponate kannten.

Unterstütz­ung soll das Vorhaben unter anderem bei Bezirkshei­matpfleger Peter Fassl gefunden haben. Für die Finanzieru­ng hatte man in Nersingen auf Mittel aus dem EUFörderpr­ogramm Leader gehofft. Deren Regionalge­schäftsfüh­rerin Marina Ostheimer hatte vor einem Jahr betont, dass AEG-Telefunken Ulmer Technikges­chichte ist und dass sich Leader niemals vordrängen werde, „wenn Ulm die Sammlung haben will“. Bezüglich der MunaProjek­tidee hatte die Leader-Kommission viele offene Fragen gesehen, darunter die Zugänglich­keit der Muna, die Sanierung der Altlasten dort und ein schlüssige­s Konzept.

Zu einer Präsentati­on der einstigen Sammlung wird es in Ulm nun nicht mehr kommen. Der Freundeskr­eis aber will seine Arbeit nicht einstellen und sich nicht auflösen, erklärt dieser. Es gelte jetzt, sich generell für ein Ulmer Technik-Museum einzusetze­n.

 ?? Archivfoto: Alexander Kaya ?? Das Firmenschi­ld von Telefunken im früheren Museum Radar und Funk auf dem Werksgelän­de der Firma EADS/Cassidian.
Archivfoto: Alexander Kaya Das Firmenschi­ld von Telefunken im früheren Museum Radar und Funk auf dem Werksgelän­de der Firma EADS/Cassidian.
 ?? Foto: Dagmar Hub ?? Alte Funkgeräte aus der ehemaligen Sammlung.
Foto: Dagmar Hub Alte Funkgeräte aus der ehemaligen Sammlung.
 ?? Archivfoto: Alexander Kaya ?? Die Exponate waren in Nersingen unter gebracht.
Archivfoto: Alexander Kaya Die Exponate waren in Nersingen unter gebracht.

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