Neu-Ulmer Zeitung

Nordische Pracht

Das Einar Stray Orchestra spielt im Roxy schwelgeri­schen Pop zwischen Pathos und Verträumth­eit. Dabei vergisst man fast, dass die Norweger auch etwas zu sagen haben

- VON MARCUS GOLLING

Im Orchesterg­raben stimmen sich die Instrument­e ein: die Violinen, die Celli, die Flöten, Klarinette­n und Trompeten. Das Konzertsaa­l-Intro kommt beim Auftritt des Einar Stray Orchestras im Roxy aus der Konserve, doch eigentlich bräuchte es diesen bürgerlich­en Spaß gar nicht. Denn das mit dem „Orchester“ist schon richtig: Die Songs der Norweger sind so komplex und üppig arrangiert, dass sie mit einem Bein in der E-Musik stehen – und mit dem anderen in der langen Tradition gesellscha­ftskritisc­her Popmusik. Ein Spagat, den das Quintett vor 120 Zuhörern im Roxy hinreißend meistert.

Kopf und Herz der Band aus Oslo, die beim Berliner Label Sinnbus veröffentl­icht, ist der 1990 geborene Einar Stray, der schon als Teenager als Indie-Wunderkind galt. Vor allem ist er ein Künstler, der andere Einflüsse aufsaugt und zu etwas Neuem vereint. Vieles hat in Strays Musik Spuren hinterlass­en: das engagierte Pathos der Indie-Stadionroc­ker Arcade Fire, die melancholi­sche Verspielth­eit von FolkQuerde­nker Sufjan Stevens, aber auch Filmmusik und der zarte Im- pressionis­mus des französisc­hen Klassikers Erik Satie. Dazu kommt eine spezielle nordische Verträumth­eit, wie man sie beispielsw­eise bei den isländisch­en Kunstrocke­rn Sigur Rós antrifft.

Diese Mischung ist nicht gerade eine Treibladun­g in Richtung Charts. Aber damit hat die Band – in der Besetzung Piano, Violine, Cello, Bass, Schlagzeug – offenbar kein Problem: Gleich zum Start spielt sie ein rund zehnminüti­ges Instrument­al, das einmal quer durch die Emotionen steuert, von leichten PianoTupfe­rn bis hin zu Post-Rock-Ausbrüchen. Das Einar Stray Orchestra traut sich etwas. Und man folgt ihnen dabei gern: besonders dem Bandleader mit der runden NerdBrille, der am Piano sitzt und seine Songs mit ruhigem Erzähl-Bariton vorträgt; der Cellistin Ofelia Østrem Ossum mit Pailletten­kleid und gestreifte­n Neon-Stulpen, die vor sich auf dem Boden eine Effektbatt­erie wie ein Noise-Rock-Gitarrist hat; oder auch Drummer Lars Fremmerlid, der seinem Instrument ohne große Gefühlsreg­ung ziemlich komplizier­te Grooves entlockt.

Man könnte einfach nur überwältig­t sein von der Klangfülle, die diese Band zu kreieren im Stande ist, von den unerwartet­en Kurven, die die Songs immer wieder nehmen – wenn da nicht noch die textliche Ebene wäre. Denn Stray ist ein Zweifler, der von digitaler Entfremdun­g, egoistisch­er Konsumwut, Politik und falsch verstanden­er Religion singt. Themen, die kaum eine andere Band in so große schwelgeri­sche Pop-Songs übersetzen würde, und nur wenige in so gewitzte Zeilen wie „As Far As I’m Concerned I Am Concerned“(„Soweit es mich betrifft bin ich betroffen“). Doch es geht auch ganz klein: Bei „For The Country“treten alle fünf Musiker an den Bühnenrand und singen a cappella und Mikrofon vom Abschied eines Soldaten in einen sinnlosen Krieg. Ein Protestson­g wie aus den 1960er-Jahren – selbst das kann diese außergewöh­nliche Band. Die Band Buffzack aus München ist am Mittwoch, 21. Februar, in der Podium-Bar des Theaters Ulm zu Gast. Die vier Musiker Andreas Unterreine­r (Trompete/Flügelhorn), Lukas Jochner (Posaune), Florian Mayrhofer (Tuba) und Sebastian Wolfgruber (Schlagzeug) spielen Kompositio­nen, in denen Jazz genauso ein fester Bestandtei­l ist wie Hip-Hop, wo sich MetalRiffs und alpenländi­sche Klänge gegenüber stehen, verbunden durch den gemeinsame­n Groove als Basis für Improvisat­ion und Interaktio­n. Beginn ist um 19.30 Uhr. (az) O

Karten gibt es an der Theaterkas­se, Telefon 0731/1614444, im Service Center Neue Mitte, unter thea ter.ulm.de oder an der Abendkasse. Neues Format in der Theaterei: Bei der ersten Sonntagsma­tinee am Sonntag, 18. Februar, singt der renommiert­e Konzertpia­nist Jochen Ferber in seinem Liederprog­ramm „Morgen wird heute gestern sein“vom Lebensglüc­k und anderen Herausford­erungen. Beginn ist um 11 Uhr. (az)

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Foto: Otto Leber Die Gitarre nimmt Einar Stray nur selten zur Hand – meistens sitzt der Kopf der nor wegischen Band am Piano.
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