Neu-Ulmer Zeitung

Immer dran, immer drin

Im Internet ist Präsenz allein schon eine Währung. Durch Werbung verdienen Plattforme­n ein Vermögen. Die Folge: Ein weitgehend unkontroll­ierter Wettbewerb um Aufmerksam­keit – auch um die Kunden der Zukunft

- VON WOLFGANG SCHÜTZ Foto: Imago

Es gibt natürlich Zahlen, die die reine Marktmacht ausdrücken. Im vergangene­n Jahr wurde global zum ersten Mal mehr Geld in Internetwe­rbung investiert als in Fernsehwer­bung, mehr Geld in die sogenannte­n „Sozialen Netzwerke“als in gedruckte Zeitungen. Und die Hälfte aller Einnahmen aus der Online-Werbung weltweit teilen sich genau zwei Unternehme­n: Google und Facebook.

Aber vielleicht noch mehr über deren Macht erzählt der Triumph eines Prinzips. Jene Firmen, die laut dem Millward Brown Index mit einem Marktwert von rund 230 Milliarden Dollar (Google) und 103 Milliarden Dollar (Facebook) auf Platz eins und fünf der wertvollst­en Unternehme­n der Welt stehen, produziere­n und verkaufen in ihrem Geschäftsk­ern ja eigentlich gar nichts. Sie erhalten ihre Bedeutung allein dadurch, dass sehr, sehr viele Menschen auf ihren virtuellen Plattforme­n kommunizie­ren und sich informiere­n. Ihr Kapital ist die reine Präsenz der Menschen; sie haben das, was einst den Traum vom freien Internet also die pure Hölle sein für die rund 800 000 Menschen allein in Deutschlan­d, die bereits heute als krankhaft konsumsüch­tig gelten – sondern es fördert natürlich das von keinem Menschen mehr kontrollie­rt werden, sondern automatisi­ert verknüpft sind. Wie soll es auch anders gehen? – wenn in jeder einzelnen Minute allein auf Youtube 400 Stunden Filmmateri­al hochgelade­n werden.

Das Einzige, was automatisc­h registrier­t wird, ist, ob etwas die gewünschte Wirkung erzielt oder nicht: dass nämlich Kinder und Kunden drin- und dranbleibe­n. Beispiele dafür, dass sich in einem solchen freien Spiel der Reize nicht der zurückhalt­ende Blick, feine Schattieru­ngen und Differenzi­erungen durchsetze­n, gibt es reichlich. Beispiel: Der Umstand, dass bei Twitter eine Mitteilung positiv bewertet wird, steigt statistisc­h – ohne Ansehen des restlichen Inhalts – um das Vierfache, wenn ein Schimpfwor­t

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