Tomaten, die in der Wüste wachsen
Gewächshäuser können ein Weg sein, die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Die Baywa will daraus ein Geschäft machen und kooperiert mit dem Königshaus in Abu Dhabi
In Gewächshäusern sollen nicht nur Pflanzen sprießen, sondern auch die Gewinne wachsen: Deutschlands größter Agrarhandelskonzern Baywa will den Bau von Gewächshäusern zu einem Geschäftsfeld machen. Die erste Anlage mit zehn Hektar geht in diesem Jahr in Abu Dhabi in Betrieb, dort sollen jährlich 5000 bis 6000 Tonnen Tomaten für den lokalen Markt produziert werden, sagte Vorstandschef Klaus Josef Lutz.
Das Pilotprojekt wird gemeinsam mit der Agrarfirma Al Dahra Group und der Königsfamilie in Abu Dhabi betrieben. „Wir haben beschlossen, mittelfristig bis zu 300 Millionen Euro in den Bau von Gewächshäusern zu investieren, die wir dann weiterverkaufen wollen“, sagte Lutz. Dank des technologischen Fortschritts soll das nicht nur profitabel sein, sondern auch gut für die Umwelt: „Die Technologie reduziert den Wassereinsatz um bis zu 65 Prozent und den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und anderer Chemie um bis zu 70 Prozent.“
Gewächshäuser spielen wegen der wachsenden Weltbevölkerung und des steigenden Nahrungsmittelbedarfs auch in den Überlegungen von Ernährungswissenschaftlern eine Rolle. „Für die Nahrungsmittelsicherheit (im Mittleren Osten) sind Gewächshäuser definitiv eine Lösung“, sagt Wissenschaftler Jouke Campen von der niederländischen Forschungseinrichtung Wageningen University and Research, einem der weltweit führenden Zentren der Pflanzen- und Ernährungswissenschaft.
Die Niederländer betreiben zwei Gewächshaus-Forschungsprojekte in der Region, eines in Abu Dhabi und ein weiteres in Saudi-Arabien. Der Schwerpunkt liege auf der Reduzierung des Wasserverbrauchs, sagte Campen. „Wir haben bisher einige sehr schöne Ergebnisse.“Geeignete Kulturen für Gewächshäuser sind Tomaten, Gurken, Paprika, Auberginen, Beeren und Salat. Ein weiterer Vorteil: Diese Lebensmittel müssen so nicht mehr über weite Strecken transportiert werden.
Die Baywa will daran verdienen. „Wir bieten den Investoren die agrarische Produktion und die Ver- marktung durch die Baywa an“, sagte Lutz. Das Feedback von Versicherungen, Pensionsfonds, Family Offices und strategischen Investoren sei sehr positiv. Die Landwirtschaft ist bislang für kapitalstarke Anleger wie Versicherungen kein großes Thema. Ein Beispiel ist der weltgrößte Rückversicherer Munich Re. Sein Vermögensverwalter Meag hat weltweit 250 Milliarden Euro angelegt, davon aber weniger als ein Prozent in der Agrarbranche, wie ein Sprecher sagt. Doch in Zeiten der Niedrigzinsen nehmen auch Großanleger neue Geschäfte unter die Lupe – zumindest in kleinerem Maßstab kommen auch Agrarprojekte in Frage.
Für Baywa sollen Gewächshäuser ein Mittel werden, um die traditionell sehr starken Schwankungen im Agrarhandel auszugleichen: „Wir haben ähnliche Volatilitäten wie im Weizen-, Mais- und Sojahandel auch im Obsthandel“, sagte Lutz. Der Konzern müsse Wege finden, diese Schwankungen auszugleichen.
In Frage für den Gewächshausbau kommen keineswegs nur heiße und trockene Regionen: „In Gewächshäusern kann man eigentlich überall produzieren, am Nordpol oder in der Wüste“, sagte Christiane Bell, Leiterin des Obst- und Gemüsegeschäfts von Baywa. „Die Nachfrage nach Gewächshäusern global wächst rasant.“
Geplant ist die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens. „Wir wollen selbst der Hersteller und Einkäufer sein, um unsere eigenen Projekte umsetzen zu können, aber auch als Anbieter für interessierte Firmen auftreten zu können“, sagte Bell. Laut Vorstandschef Lutz sind auch die USA ein Ziel.
Doch niederländische Unternehmen mit ihrer in Jahrzehnten gesammelten Expertise im Gewächshausanbau sind in diesem Bereich starke Wettbewerber. Zentrum der Gewächshaus-Spezialisten im Nachbarland ist die Region Westland. Deren Kapazitäten sind indes begrenzt. „Ganz Westland hat eine Kapazität von jährlich 400 Hektar (für den Bau neuer Gewächshäuser) im Jahr“, sagt Bell. „Die sind jetzt schon für die nächsten Jahre ausgebucht.“ Die Einschnitte im Kraftwerksgeschäft von Siemens sind aus Sicht von Konzernchef Joe Kaeser nur ein Vorgeschmack auf die Folgen des tiefgreifenden Wandels der Industrie. „Das, was wir bei uns heute an Strukturveränderungen im fossilen Energieerzeugungsumfeld bewältigen, das wird in fünf bis zehn Jahren im Vergleich zu den Auswirkungen der industriellen Digitalisierung eher als Randnotiz gewertet werden müssen“, sagte Kaeser am Rande der Sicherheitskonferenz in München. Siemens gehe diese Themen aus seiner Sicht vorausschauender und proaktiver an als viele andere Unternehmen in Deutschland. Der Konzern plant in der Kraftwerks- und der Antriebssparte den Abbau von weltweit 6900 Arbeitsplätzen und hat dafür in den vergangenen Wochen viel Kritik einstecken müssen. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter fordert für Kinder und Jugendliche eine kostenlose Nutzung von Bus und Bahn. „Für alle Kinder und Jugendlichen muss der Nahverkehr bundesweit kostenfrei sein“, verlangte er in der Bild am Sonntag. Finanziert werden soll dies aus den derzeitigen Geldern für die Schülertickets und aus dem Bundeshaushalt. „Das ist machbar und sinnvoll“, so der Grünen-Politiker. Die Idee eines Gratis-Nahverkehrs war von der Bundesregierung als Maßnahme zur Verbesserung der Luft in den Städten an Brüssel gemeldet worden. Sie könnte zunächst in einigen Modellstädten getestet werden.