Krimi mit Wohlfühl Effekt
Die „Rosenheim-Cops“sind längst weit über die idyllische Region im Alpenvorland hinaus Kult. Zur 400. Folge gibt es einen neuen Kommissar. Aber etwas Entscheidendes fehlt
Ausgerechnet in der Jubiläumsfolge fehlt er, der entscheidende Satz: „Es gabad a Leich“. Mit diesem Verweis auf einen Leichenfund schickt Sekretärin Miriam Stockl üblicherweise die Mordermittler zum Einsatzort. Doch wenn die „Rosenheim-Cops“am Dienstag – ausnahmsweise erst um 19.35 Uhr – zum 400. Mal ihre Arbeit aufnehmen, hat Stockl keine Chance. Sie hat den Bus verpasst, kommt zu spät ins Präsidium – prompt gleiten ihr die Fäden aus der Hand.
16 Jahre nach dem Start ist die ZDF-Vorabendserie Kult. Mit bis zu fünf Millionen Zuschauern im Schnitt erreicht sie nach kurzer Flaute wieder die Marke der ersten Staffel. Ein Erfolg, mit dem laut Produzent Alexander Ollig kaum jemand gerechnet hatte.
Im Mittelpunkt stehen auch nie die Gewaltdelikte. „Das liegt darin begründet, dass es für den Zuschauer schwierig ist, sich über den verschwundenen Vierfachlocher von Frau Stockl zu amüsieren, wenn ein Kind ermordet oder eine junge Frau entführt wurde“, erklärt Ollig. Als „Wohlfühl-Serie“beschreibt auch Darsteller Joseph Hannesschläger die „Rosenheim-Cops“. Er spielt Kommissar Korbinian Hofer, der seit der ersten Folge dabei ist – in der Jubiläumsausgabe jedoch fehlt. Meist ermittelt aber ein Duo aus der Kombi dicker Mann mit Wurzeln in Bayern und jüngerem, sportlichem Kollegen aus Norddeutschland.
Folge 400 ist der erste Fall für Mordermittler Christian Bach. Darsteller Patrick Kalupa antwortet auf die Frage nach Besonderem an einer Rolle bei den „Cops“: „Die Kameradschaft unter den Kollegen, das Panorama und das deftige Essen machen mir beste Laune!“Als Hochdeutscher und Newcomer habe er inmitten der Rosenheimer einen „total attraktiven Single-Stand und kann mit ganz eigener Tonspur überzeugen“. Er ist der 13. Kommissar – ihnen gegenüber steht eine Frau: Katharina Abt alias Verena Danner, die seit 2016 zu sehen ist. Die Bedeutung der Ermittler hat sich aber gewandelt: „Am Anfang war die Serie sehr auf die beiden Kommissare konzentriert, heutzutage ist es mehr eine EnsembleLeistung“, sagt Hannesschläger. „Die Kommissare ermitteln hauptsächlich, die Nebenfiguren bestreiten die Nebengeschichten.“So machen die halbprivaten Stränge die Leichtigkeit aus. Seien es die geschwätzige Stockl, der emsige Polizist Michi Mohr oder Hofers Schwester Marie, die im Stadtrat und so im Stadtgeschehen omipräsent ist und mit Polizeidirektor Gert Achtziger nebenbei die Musikakademie schmeißt. Das Ganze inszeniert in Voralpenidylle.
Rosenheims – echter – Polizeipräsident Robert Kopp ist derweil erleichtert, dass seine Kollegen nicht jede Woche einen Mordfall lösen müssen. „Im täglichen Dienst ist bei uns die Taktung allerdings schon wesentlich höher als in der Fernsehserie.“Gabriele Bauer, Oberbürgermeisterin der Stadt, verweist – angesprochen auf die hohe Mordrate im TV – gerne auf die hundertprozentige Aufklärungsquote. „Die ,Rosenheim-Cops‘ sind aus Rosenheim nicht mehr wegzudenken“, sagt die CSU-Politikerin. Der Erfolg schlage sich auch in den Tourismuszahlen nieder. „Beim Blick aus meinem Büro sehe ich jeden Tag Menschen, die vor dem Polizeipräsidium – das eigentlich unser Rathaus ist – Erinnerungsfotos schießen“, erzählt Bauer. Die Stadt bietet sogar Führungen „Auf den Spuren der ,Rosenheim-Cops‘“an, an denen inzwischen mehr als 38 000 Menschen teilgenommen haben.
Wie wichtig die Fans für die Serie sind, macht auch Produzent Ollig deutlich: Zuschauerkritik werde sehr ernstgenommen. So werde etwa ständig verfolgt, was die knapp 20 000 Fans auf der Facebook-Seite posten. „Und im Bedarfsfall setzen wir Kritik dann auch behutsam um.“
Das Bild auf ihrer Internetseite zeigt Susanne Preusker in Winterkleidung, auf der Wollmütze und in ihrem Schal hat sich ein wenig Schnee verfangen. Neben dem Foto hat die Familie der 58-Jährigen einen kurzen Text verfasst: „Voller Achtung und Liebe trauern wir um Susanne Preusker, geliebte Mutter und Ehefrau. Sie hat sich am Dienstag, 13. Februar 2018, entschieden, aus dem Leben zu scheiden.“
Warum die frühere Gefängnispsychologin nicht mehr leben wollte, weiß in der Öffentlichkeit niemand. Doch Menschen in ganz Deutschland nehmen Anteil an ihrem Tod. Sie erinnern sich an den Tag vor fast neun Jahren, von dem Susanne Preusker selbst sagte, dass er ihr Leben zweigeteilt hat.
Sie arbeitete damals als Cheftherapeutin in der Justizvollzugsanstalt Straubing. An diesem 7. April 2009 kam ein Häftling zu ihr ins Büro, bat um ein Gespräch. Der verurteilte Mörder und Sexualtäter fesselte Preusker, verbarrikadierte die Tür und vergewaltigte sie mehrmals. Sieben Stunden lang war sie in seiner Gewalt, bevor die Polizei den Täter zum Aufgeben bewegte. Preusker konnte nicht mehr arbeiten, weil sie an Angststörungen und Panikattacken litt.
Die gebürtige Hildesheimerin wollte, dass über ihren Fall gesprochen wird. Sie schrieb 2011 das Buch „Sieben Stunden im April – Meine Geschichte vom Überleben“. Warum sie an die Öffentlichkeit gehe, fragte damals eine Journalistin des Straubinger Tagblatts. Sie teile ihr Schicksal mit sehr vielen Frauen, sagte Preusker. „Vergewaltigung ist (...) gesellschaftliche Realität. Und eine konkrete gesellschaftliche Realität muss als solche klar benannt werden dürfen.“
In den Jahren danach hat Susanne Preusker ihr neues Leben aufgebaut, schrieb Bücher vom Tier-Ratgeber bis zum Krimi. Stets an ihrer Seite waren ihr Mann und ihr Sohn. Oft betonte Susanne Preusker, wie viel sie ihnen verdanke. Zum Abschied bedanken die beiden sich bei ihr: „für viele glückliche Momente, humorvolle Stunden und all das, was sie ausmachte“. (sari)