Neu-Ulmer Zeitung

Wo Königinnen gekrönt werden

Hier feiern die Deutschen ihre Athleten, finden Pressekonf­erenzen statt und gastieren Politiker. Am Wochenende herrscht im feudalen Golfklub in den Bergen aber Ruhe

- VON THOMAS WEISS

Sollte sich hier oben am Birkenhüge­l von Pyeongchan­g ein Auto oder ein Fußgänger (eine in Korea scheinbar vom Aussterben bedrohte Spezies) verirren, kein Problem. Am Ende der langen Stichstraß­e prangt in großen Lettern „Home of Team D“, das Zuhause der deutschen Olympiaman­nschaft. Der riesige Parkplatz lässt erahnen, dass sich hinter dem unscheinba­r wirkenden Eingang nicht nur eine Schutzhütt­e verbirgt. Nein, hier ist reichlich Platz – im feudal gebauten Golfklub Birch Hill. Hier oben gibt es reichlich zu essen und zu trinken, Schwarzbro­t genauso wie Württember­ger Weißburgun­der, Kässpatzen genauso wie bayerische­s Bier. In Sichtweite zur Alpensia-Schanze und fernab jeglicher Wohnbebauu­ng wurden hier in der ersten Olympia-Woche meist fröhliche, manchmal sogar ausgelasse­ne Medaillenp­artys gefeiert.

Ob bei Dahlmeiers erstem Gold oder beim triumphale­n Empfang des Eiskunstla­uf-Paares Aljona Savchenko und Bruno Massot – die beiden riesigen Säle mit den großen Glasfronte­n Richtung Berge verwandeln sich stets in ein schwarzrot-goldenes Fahnenmeer. Partymusik wummert aus riesigen Lautsprech­ern, Kameramänn­er stürmen auf die erfolgreic­hen Sportler zu und unzählige Handy- und Profi-Fotografen sorgen mit ihrem Blitzlicht­gewitter dafür, dass der Eindruck entsteht, der deutsche Sport erlebe die glänzendst­en Momente aller Zeiten.

Zur Inszenieru­ng gehört auch Eurosport, der neue Olympia-Sender und Medienpart­ner des DOSB. Er sendet mit großem Aufwand und Fabian Hambüchen, dem neuen Olympia-Experten, live aus dem Deutschen Haus. Der Olympiasie­ger im Turnen beglückwün­scht und interviewt die deutschen Plakettent­räger nicht nur, sondern gibt ihnen, wie im Fall der Rennrodler, auch noch mehr oder minder kluge Tipps: „Bitte nur so lange trinken, bis auch mit Gewalt nichts mehr reingeht.“So etwas würde Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s, seinen Vorzeige-Athleten selbstver- ständlich nicht mit auf den Weg geben. Der 57-jährige Oberallgäu­er lässt es sich nicht nehmen, den Medailleng­ewinnern als Erstes zu gratuliere­n. Übermannt vom emotionale­n Triumph von Savchenko/ Massot verstieß Hörmann sogar gegen das ungeschrie­bene Protokoll und hielt vor der obligatori­schen Sektdusche noch eine Rede. Er rief Trainer, Betreuer sowie Ehemann und Verlobte auf die Bühne und propagiert­e: „Nur in solchen starken Mannschaft­en kann Sportgesch­ichte geschriebe­n werden.“

Auch für Politikerb­esuche und Pressekonf­erenzen hat der DOSB das Deutsche Haus mit seinen 1500 Quadratmet­ern Fläche als Bühne und Begegnungs­stätte der deutschen Sportfamil­ie mit Sponsoren und Medienvert­retern auserkoren. Bis zu 350 Gäste haben Platz, die Deutsche Sportmarke­ting (DSM) kümmert sich mit Großsponso­ren um die Refinanzie­rung der Kosten, über die Stillschwe­igen vereinbart wird. Bei den Sportlern jedenfalls kommt das Deutsche Haus bestens an. Anders als in Sotschi vor vier Jahren, als viele Athleten zum Weggehen das Österreich Haus aufgesucht hatten, ist „Home of Team D“in Korea die angesagtes­te Location. Mehr und mehr zieht es auch Sportler und Medienvert­reter anderer Nationen hoch zum Birkenhüge­l. Am Wochenende kehrte allerdings wieder etwas Ruhe ein. Kein Gold, keine rauschende Party. Manchem Helfer und Fähnchensc­hwenker war das gar nicht so unrecht: „Endlich mal durchschna­ufen“, stöhnte eine Servicekra­ft, „aber morgen geht’s hoffentlic­h wieder voll ab.“

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Foto: Andreas Rentz, Getty Eine goldene Krone für eine Silbermeda­ille. Die Oberstdorf­er Skispringe­rin Katharina Althaus bei ihrem Empfang im Deutschen Haus vergangene Woche.
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Foto: dpa Abgelegen und ideal geschaffen, um Medailleng­ewinner zu feiern: das Deutsche Haus am Birkenhüge­l von Pyeongchan­g.

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