Besser GroKo als gar nix
Beim politischen Ascherfreitag der SPD im Schlössle werben drei von vier Rednern für die Neuauflage des Bündnisses mit der Union. Die Genossen üben auch Selbstkritik
Sollten die knapp 50 SPDAnhänger, die sich zum politischen Ascherfreitag im Offenhauser Schlössle versammelt hatten, die Region Ulm/Neu-Ulm repräsentieren, muss sich die Große Koalition in Berlin keine Sorgen machen: Die regionale Mehrheit wird sich – so der Eindruck – für den Koalitionsvertrag aussprechen. Drei von vier Rednern warben entschieden für Zustimmung.
Den „klaren Auftrag, vier Jahre lang in der Regierung Gutes zu tun für die Menschen im Land“, las der Vorsitzende der SPD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag, Andreas Stoch, aus dem Wahlergebnis vom September 2017 heraus. Die großen Themen Familie, Pflege, Gesundheit brauchen laut Stoch, der in Stuttgart Kultusminister war, sozialdemokratische Politik. Im Topf seien 50 Milliarden Euro, die nur gescheit verteilt werden müssten. Dass „Jamaika“in den Koalitionsgesprächen gescheitert war, fand der Redner gut, „weil sich die Gesellschaft dann nicht weiterentwickelt hätte“. Die CDU sei ohne Profil in die Verhandlungen gezogen. Der Merkel-Leitsatz „Weil ich auf Euch aufpasse, geht es Euch gut“, sei nicht eingelöst worden.
Stoch räumte ein, es gehe dem tatsächlich hervorragend. Eigentlich solle man die Zeit anhalten. „Aber es geht eben nicht jedem gut, und viele glauben nicht daran, dass es bleiben kann, wie es ist.“Deshalb liefen viele den falschen Predigern hinterher. Außer mit der CDU rechnete Stoch auch mit der FDP und vor allem ihrem Vorsitzenden Christian Lindner ab. „Dieses Unterhemdenmodel aus NordrheinWestfalen wollte ja überhaupt nie regieren.“Aber auch die Grünen seien gescheitert. Ministerpräsident Kretschmann habe in Berlin „Schwarz-Grün“installieren und dann als sein Werk preisen wollen.
Die „Kernfrage“laute aber doch, ob Oppositionsarbeit die Partei stärke oder ob sie nicht doch eher in der Regierung ein schärferes Profil ge- winnen könne. Die SPD habe viel Eigenes in den Koalitionsvertrag gebracht, nur hätten die Menschen das nicht recht wahrgenommen. Zudem habe Martin Schulz unglücklich agiert, als er sich als künftigen Außenminister vorgestellt habe. Unter starkem Beifall verkündete Redner Stoch: „Ich sage euch, gemeinsam können wir in dieser Regierung am besten was für die Menschen im Land tun.“
Auch der Neu-Ulmer Kreisvorsitzende Karl-Heinz Brunner warb als Gastgeber für den Koalitionsvertrag und vor allem dafür, „dass wir in den Land- und Bezirkstagswahlen im kommenden September erfolgreich sein wollen“. Die Zeit sei gekommen, da die SPD über den Tellerrand hinaussehen und die ZuLand kunft in den Blick nehmen müsse. Das gelinge aber wohl kaum, wenn nun auch noch Oberbürgermeisterinnen wie jene in Flensburg sich um den Parteivorsitz bewerben wollten. Da sei er doch recht froh, dass Natascha Kohnen unangefochten als Landesvorsitzende an der Spitze der Bayern-SPD stehe. Zur Großen Koalition meinte der Abgeordnete, es sei immer noch besser, nur 20 Prozent vom Erwünschten zu erreichen, als auf die restlichen 80 Prozent immer nur zu warten.
Jeweils drei Minuten Redezeit wurde den beiden Direktbewerbern im Stimmkreis Neu-Ulm für die Land- und Bezirkstagswahlen im September eingeräumt. Der 33 Jahre alte Landtagskandidat Daniel Fürst aus Neu-Ulm berichtete, wie positiv seine Bewerbung im Bekanntenund Freundeskreis aufgenommen worden sei. Fürst prangerte fehlenden Wohnraum im Land und überhöhte Mieten an.
Die 23 Jahre alte stellvertretende Juso-Landesvorsitzende und Bezirkstagskandidatin Seija Knorr aus Vöhringen sprach sich gegen die GroKo aus. Da geschehe zu wenig in der Alten- und Krankenpflege, in der sie selbst arbeitet. Außerdem vermisse sie im Programm die Bürgerversicherung, und der Familiennachzug für Flüchtlinge sei viel zu niedrig angesetzt.
Das Erscheinen von Kathrin Schulthess’ Buch „Das schiefe Haus von Ulm“überlebte dessen Auftraggeber und Herausgeber Günter Altstetter nur kurz. Wie erst jetzt bekannt wurde, starb der aus der Ulmer Umgebung stammende Architekt, der in den 90er Jahren das heruntergekommene Schiefe Haus im Ulmer Fischerviertel gekauft und zu einem Juwel der Stadt gemacht hatte, bereits im Januar 2018 im Alter von 74 Jahren. Er wurde am 26. Januar im westfälischen Münster bestattet, wo er gelebt hatte und bis 2006 auch im eigenen Planungsbüro tätig gewesen war.
In der Traueranzeige für den 74-Jährigen wurde um Spenden für die „Schiefes Haus Ulm G. Altstetter-Stiftung“gebeten. Bereits im Sommer 2015 hatte Altstetter in einem Interview gesagt, dass eine Stiftung das Gebäude den Ulmern zurückgeben soll, wenn er sich dereinst nicht mehr um das Haus kümmern könne. Dieses hatte 1996 nach der geglückten Sanierung den Landesdenkmalpreis Baden-Württemberg erhalten hatte und war als schiefstes Hotel der Welt sogar ins Guinness-Buch der Rekorde aufgenommen wurde.
Die gemeinnützige Stiftung soll auf Dauer die Erhaltung, Nutzung und den Zugang zum Schiefen Haus als Kulturdenkmal sichern und damit die historische Baukonstruktion, die den Architekten Altstetter so faszinierte, innen und außen für die Öffentlichkeit erlebbar machen. „Sie soll außerdem das in Ulm erfolgreich praktizierte Zusammenspiel von Denkmälern und Projekten der Neuzeit im Sinne der Ensemble- und Quartiersbildung fördern, sowie die Ausbildung von Studenten in dieser Richtung durch Stipendien unterstützen“, wurde bei der Errichtung der Stiftung 2015 festgelegt. Von jeder Übernachtung, die jemand im 15. Jahrhundert gebauten Schiefen Haus bucht, geht ein Teil des bezahlten Preises an die Stiftung.
Altstetter – ein „Ulmer im Herzen“, seit er als Kind in den 50er Jahren bei einem Ulmer Künstler Zeichnen, Malen und Aquarellieren gelernt hatte – hatte stets betont, dass er sich mit dem Erwerb des ein als Armenhaus genutzten Denkmals einen Lebenswunsch erfüllt habe. Altstetter hatte sich als Kaufinteressent mit dem Versprechen beworben, das Haus den Menschen in Ulm zurückzugeben. Seine Stiftung will Wort halten über seinen Tod hinaus. (köd)