Neu-Ulmer Zeitung

Wie Gerd Müller um seinen Job kämpft

Dass der CSU-Politiker ein guter Entwicklun­gsminister ist, stellt kaum jemand infrage. Trotzdem kann es sein, dass er das Amt abgeben muss. Weil seine Partei ein Männerprob­lem hat – oder ein Frauenprob­lem

- VON HOLGER SABINSKY WOLF

So sieht also ein Schwabe aus, der um seinen Job kämpft: Er arbeitet einfach weiter. Vergangene Woche hat Bundesentw­icklungsmi­nister Gerd Müller in Kuwait die deutsche Regierung bei der Irak-Wiederaufb­au-Konferenz vertreten. Bei der Münchner Sicherheit­skonferenz setzte er sich für eine Vernetzung von Entwicklun­gs-, Außen- und Verteidigu­ngspolitik ein. Und diese Woche forderte er in Brüssel eine neue Afrikapoli­tik und eine Verdopplun­g der finanziell­en Unterstütz­ung für Afrika.

Der 62-Jährige macht, was er in den vergangene­n vier Jahren mit Erfolg gemacht hat: Er versucht, Fluchtursa­chen vor Ort zu bekämpfen, weil er das für viel sinnvoller hält, als einen Haufen Geld für Flüchtling­e auszugeben, die nach Deutschlan­d kommen. Der gebürtige Krumbacher, der seit vielen Jahren im Allgäu lebt, hat einiges erreicht und für seine Arbeit vom politische­n Gegner und Hilfsorgan­isationen viel Lob bekommen. „Ich würde gerne Minister bleiben“, sagt Müller. Und doch muss er bangen.

Das klingt absurd, liegt aber an einem Männerprob­lem in der CSU beziehungs­weise einem Frauenprob­lem – je nachdem, wie man es sehen will. Drei Ministerpo­sten hat die Partei herausgeha­ndelt. Super-Innenminis­ter wird Horst Seehofer. Für das Verkehrs- und Digitalmin­isterium sowie das Entwicklun­gsminister­ium gibt es drei Kandidaten: Gerd Müller, Generalsek­retär Andreas Scheuer und Dorothee Bär, 39.

Nach allem, was jüngst zu hören ist, wurde Scheuer ein Karrieresp­rung versproche­n. Für ihn käme nur das Verkehrsmi­nisterium infrage. Im Kampf um das Entwicklun­gsminister­ium läuft es also auf einen Kampf zwischen Müller und Bär hinaus. Die Entscheidu­ng liegt bei Seehofer und soll spätestens am ersten März-Wochenende fallen.

Bär hat als Staatssekr­etärin Regierungs­erfahrung gesammelt, sie ist Parteivize. Zudem spricht für sie, dass sie eine Frau ist. Das wird sie nicht gerne hören, da sie sich nach Fernsehauf­tritten in High Heels regelmäßig darüber ärgert, dass vor allem ihre High Heels diskutiert werden. Doch die Lage in Berlin ist so: Angesichts einer CDU und einer SPD, die im neuen Kabinett Parität zwischen den Geschlecht­ern herstellen wollen, gerät auch die CSU unter Druck, nicht drei männliche Minister zu nominieren. Bär ist zurzeit auffällig präsent in Talkshows.

Müller ist präsent in den Krisenregi­onen und bei wichtigen Konferenze­n. Sein neues Projekt heißt „Per- spektive Heimat“. Es ist ein Rückkehrer-Programm für Flüchtling­e in Deutschlan­d. 100 000 Iraker leben zum Beispiel hier. In ihrer Heimat ist die Terrormili­z IS besiegt. Müller will die Rückkehr der Vertrieben­en fördern – mit Ausbildung­s- und Jobangebot­en: „Die Leute erhalten einen Lohn von zehn Euro am Tag für Wiederaufb­au-Arbeit im Wohnungsun­d Straßenbau.“Mit Siemens-Chef Joe Kaeser und dem irakischen Ministerpr­äsidenten habe er ein Ausbildung­szentrum für 5000 Menschen im Irak vereinbart. 10000 Iraker sollen heuer nach Müllers Vorstellun­g heimkehren – „freiwillig und nicht in Handschell­en“.

Auch das Programm „Cash for Work“, das Müller 2016 gestartet hat, läuft erfolgreic­h. Deutschlan­d hat in den syrischen Nachbarlän­dern Jordanien, Libanon, Irak und in der Türkei mehr als 60000 Arbeitsmög­lichkeiten pro Jahr geschaffen. Das Programm soll die finanziell­e Lage der Menschen und gleichzeit­ig die Infrastruk­tur verbessern. Es geht um die Ausbesseru­ng von Straßen, die Sanierung von Häusern und Schulen.

Ein anderer Schwerpunk­t Müllers ist Afrika. Dort sieht er große Chancen für die Entwicklun­gsarbeit: „Afrika ist der Kontinent der Ressourcen und der erneuerbar­en Energien“, erklärt Müller. Dennoch suchten jährlich 20 Millionen Jugendlich­e Arbeit. Er sieht Deutschlan­d in der Verantwort­ung: „Tragen wir nicht zur Problemlös­ung vor Ort bei, kommen die Leute zu uns.“Der Minister setzt sich daher für mehr Privatinve­stitionen und fairen Handel ein. Europa habe die Innovation­en und das Geld, um Afrika wirksam zu helfen. „Es wäre kurzsichti­g, wenn wir Hunger und Klimawande­l vor Ort nicht bekämpfen würden.“

Mit solchen Sätzen führt Gerd Müller nicht die Popularitä­tsranglist­e in der CSU an. Hat sich die Partei doch eher einem harten Kurs gegen Flüchtling­e verschrieb­en. Aber der Schwabe hat sich Respekt verschafft. Auch bei Horst Seehofer. Der hat neulich in einer Vorstandss­itzung Müllers Arbeit sehr gelobt. Schwabens CSU-Chef Markus Ferber hat sich ebenso für Müllers Verbleib im Kabinett stark gemacht wie der CSUEhrenvo­rsitzende Theo Waigel. Die Argumentat­ion der Unterstütz­er geht so: Müller macht eine prima Arbeit, warum sollte man ihn opfern, nur damit eine Frau Ministerin wird? Dorothee Bär war Staatssekr­etärin im Verkehrsmi­nisterium, sie hat Digitalkom­petenzen; warum soll sie nicht dieses Ministeriu­m erhalten? Und wenn doch Andreas Scheuer Verkehrsmi­nister wird, bräuchte die CSU einen neuen Generalsek­retär. Oder eben eine Generalsek­retärin.

 ?? Foto: Kay Nietfeld, dpa ?? Gerd Müller im Gespräch mit Flüchtling­en in Äthiopien. Der CSU Politiker ist seit vier Jahren Entwicklun­gsminister – und würde es gerne bleiben.
Foto: Kay Nietfeld, dpa Gerd Müller im Gespräch mit Flüchtling­en in Äthiopien. Der CSU Politiker ist seit vier Jahren Entwicklun­gsminister – und würde es gerne bleiben.

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