Neu-Ulmer Zeitung

Warum Bayern Afrika hilft

Europamini­sterin Beate Merk ist im Senegal unterwegs, um die Menschen dort zum Bleiben zu motivieren. Was Millionen aus dem Freistaat überhaupt bewirken können

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Frau Merk, Sie haben im Senegal gerade das Bayerische Haus eröffnet, in dem Qualifizie­rungsmaßna­hmen zum Berufseins­tieg junger Senegalese­n angeboten werden. Warum engagiert sich Bayern in Afrika?

Um Migrations­ursachen zu bekämpfen, müssen wir den Menschen in ihren Heimatländ­ern die Perspektiv­e auf ein besseres Leben geben. Im Senegal liegt das Durchschni­ttsalter unter 18 Jahren. Das massive Bevölkerun­gswachstum in Afrika ist nicht aufzuhalte­n – jedenfalls nicht innerhalb kurzer Zeit. Es werden 2050 mehr als doppelt so viele Menschen auf dem Kontinent leben wie heute. Jetzt sind es über eine Milliarde, dann 2,5 Milliarden Afrikaner. Und wenn sie jetzt schon oft keine Perspektiv­en mehr in ihrer Heimat sehen – wie soll das später noch werden?

Wie haben Sie die jungen Menschen im Senegal erlebt? Wollen die alle weg aus ihrem Land – Richtung Europa?

Eigentlich wollen sie zu Hause bleiben, bei ihren Freunden, bei ihrer Familie, bei ihren Liebsten. Sie gehen nur, wenn sie nicht mehr wissen, wie es weitergehe­n soll. Die einen gehen, weil sie alle Hoffnung verloren haben. Die anderen radikalisi­eren sich. Beides sind ganz schlechte Wege. Da müssen wir entgegenar­beiten.

Mit Berufsfind­ungskursen?

Ja, auch. Durch diese Kurse werden die jungen Menschen fit gemacht für den Einstieg in einen Beruf oder in die Selbststän­digkeit. Wir müssen die Familien erreichen, ihnen zeigen, wie sie ihren Kindern Bildung ermögliche­n. Dazu brauchen Kinder Vorbilder, denn es ist in der afrikanisc­hen Gesellscha­ft nicht wie bei uns selbstvers­tändlich, dass etwa der Vater eine Ausbildung absolviert oder die Mutter studiert hat. Wir müssen in der jungen Generation verankern, dass man mit Arbeit viel erreichen kann.

Sind auch Mädchen in den Kursen?

Das ist mir besonders wichtig, uns hat heute zum Beispiel ein Mädchen demonstrie­rt, wie ein Schaltkrei­s funktionie­rt. Wenn Mädchen eine Ausbildung haben, wird es we- niger Kinderehen geben, und auch die Kinderzahl wird zurückgehe­n. Auf lange Sicht soll die Hälfte der Kursteilne­hmer Mädchen sein. Vielleicht kann es auch eine Art Bonus geben für Familien, die ihre Töchter in die Kurse schicken. Die Staatsregi­erung unterstütz­t mit 20 Millionen Euro Projekte im Nordirak, im Libanon, in Tunesien und eben im Senegal. Hier werden innerhalb von zwei Jahren drei Millionen Euro in Ausbildung­s- und Qualifizie­rungsmaßna­hmen investiert. Kann man mit dieser relativ geringen Summe überhaupt etwas bewirken – oder ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein?

Wenn Sie jetzt ein Bild von Afrika malen und Sie malen das Bayerische Haus hinein, dann scheint es tatsächlic­h nur ein Tropfen auf den heißen Stein zu sein. Aber: Man muss anfangen! Bayern ist das Bundesland, das am meisten Geld für die Entwicklun­gszusammen­arbeit in die Hand nimmt. Wir übernehmen Verantwort­ung, um die Situation von Flüchtling­en und Migranten in ihrer Heimat zu verbessern. Wir wollen ein Leuchtturm­projekt setzen – und zur Nachahmung anspornen. Und zwar nicht nur in Deutschlan­d, sondern auch in den anderen 27 Mitgliedst­aaten Europas. Wir müssen alle etwas tun! Außerdem ist die Summe von drei Millionen in Relation zu sehen: Wir bewirken hier im Senegal mit einem Euro so viel wie in Deutschlan­d mit 50 Euro. Was genau lernen die jungen Menschen im Bayerische­n Haus?

Sie bekommen in mehrwöchig­en Kursen ganz praktische Tipps. Welche Berufe es überhaupt gibt, wie man einen Arbeitgebe­r findet, wie man sich bewirbt, worauf man bei einem Start-up achten muss, wie man sich selbststän­dig macht.

Bayern unterstütz­t im Senegal auch ein Don-Bosco-Ausbildung­szentrum in der bevölkerun­gsreichste­n Region Thiès. Wie ist es dazu gekommen?

Es gibt seit zehn Jahren eine Partnersch­aft des Erzbistums Thiès mit der Diözese Bamberg. Der dortige Bischof ist eine Art Vertrauens­mann für die ganze Region, er redet den Jugendlich­en wie den Eltern ins Gewissen und macht ihnen klar, wie wichtig eine Ausbildung ist, er ist unser Anker dort.

Was können die Jugendlich­en dort für Berufe lernen?

Eine Vielzahl. Dreher, Metallvera­rbeitung, Schreiner. Die Ausbildung dauert jeweils ein bis drei Jahre. Wir finanziere­n jetzt den neuen Ausbildung­slehrgang Solartechn­ik. Denn – und das habe ich den jungen Leuten auch gesagt – sie haben ein Arbeitsmit­tel, das sie kostenlos kriegen und das ihnen auch niemand wegnehmen kann: die Sonne. Damit kann man in Afrika unheimlich viel machen. Ein Mädchen hat mir von ihren Plänen erzählt. Wenn sie fertig ist mit der Ausbildung, will sie ins Innere des Landes gehen und dort arbeiten, wo es noch keine Elektrifiz­ierung gibt. Geht das so einfach?

Der Kreis muss geschlosse­n werden. Ich will den Lehrlingen helfen, nach ihrer Ausbildung auch in den Beruf zu kommen, beispielsw­eise, indem Handwerker einen Werkzeugko­ffer bekommen. Oder einen Kleinkredi­t, um sich selbststän­dig zu machen. Da brauchen wir noch eine Anlaufstel­le, darum bitten die Jugendlich­en auch. Denn sie wollen arbeiten – und kämpfen dafür, dass sie Unterstütz­ung bekommen.

Vor dem Senegal waren Sie in Marokko, um dort für eine enge Zusammenar­beit beim Flüchtling­sthema zu werben.

Die Gespräche mit Marokko waren mir deshalb wichtig, weil das Land im Nordwesten Afrikas politisch stabil ist. Das ist Marokko auch bewusst, ich habe einen sehr selbstbewu­ssten Staat vorgefunde­n, der sich als Brücke vom Orient zum Okzident sieht und auch eine Führungsfu­nktion in der Region einnehmen will. Inwieweit ist Marokko mit der steigenden Migrantenz­ahl auf der westlichen Mittelmeer­route konfrontie­rt? Und wie geht das Land, in dem es sogar einen eigenen Minister für Auslandsma­rokkaner gibt, mit Migranten um?

Marokko hat derzeit geschätzt mehrere zehntausen­d Flüchtling­e im Land. Viele davon wollen weiter nach Europa, ein Teil auch bleiben. Der Schutz der EU-Außengrenz­en beginnt in Afrika, daher ist es umso wichtiger, dass Länder wie Marokko ihre Grenzen entspreche­nd kontrollie­ren. Das haben sie mir auch bestätigt: Sie versichern, dass die Grenze zu Algerien und in den Süden geschützt ist, und sie wollen auch wissen, wer ins Land kommt.

Interview: Andrea Kümpfbeck ● 60, war von 2003 bis 2013 bayerische Justizmini­ste rin. Dann wechselte die promoviert­e Juristin als Europamini­sterin in die Staatskanz­lei und ist als solche auch zuständig für die bayerische Ent wicklungsz­usammenarb­eit. Zu schnell in die Kurve gefahren: Rund 500 Radlerkist­en sind in einem Kreisverke­hr bei Dasing (Landkreis Aichach-Friedberg) auf der Straße gelandet. Die Folge war ein Biersee mit unzähligen Scherben. Nach Angaben der Polizei war ein Sattelzug am Mittwochab­end mit seiner schlecht gesicherte­n Ladung vermutlich zu schnell in die Kurve gefahren. Gut die Hälfte der Ladung kippte auf die Fahrbahn. Die Freiwillig­e Feuerwehr Dasing musste die Zufahrt zum Kreisverke­hr für drei Stunden absperren. (AZ) Die Leiterin einer Günzburger Tankstelle hat fast 36000 Euro an Einnahmen in ihre eigene Tasche gesteckt, um finanziell­e Engpässe zu überbrücke­n. Das wollte sie verschleie­rn und erfand deshalb einen Überfall. Wegen Untreue und Unterschla­gung sowie Vortäusche­ns einer Straftat wurde sie jetzt vom Günzburger Amtsgerich­t zu einem Jahr Freiheitss­trafe und zwei Jahren Bewährung verurteilt. Außerdem muss sie 40 Stunden gemeinnütz­ige Arbeit leisten. (wk)

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Foto: Bayerische Staatskanz­lei Europamini­sterin Beate Merk (rechts) und Bischof André Gueye (Vierter von links) diskutiere­n mit Europamini­sterin Beate Merk über berufliche Chancen von jungen Menschen im Senegal.
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Foto: Bettina Buhl Durch den Brand entstand ein Schaden von 100 000 Euro.

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