Neu-Ulmer Zeitung

Darum ist die Nationalma­nnschaft so gut

Heute trifft Deutschlan­d im Halbfinale des olympische­n Turniers auf Kanada. Schon das ist ein großer Erfolg, aber das Team will mehr. Fünf Gründe, warum dieses Selbstvert­rauen berechtigt ist

- VON MILAN SAKO

Das ist schon „mehr als eine Sensation“, wie es VerbandsPr­äsident Franz Reindl formuliert. Deutschlan­d, die Nummer acht der Eishockey-Weltrangli­ste, spielt im Olympiatur­nier um eine Medaille. Im Halbfinale am heutigen Freitag (13.10 Uhr/live in der ARD und Eurosport) trifft das Team auf Kanada, den Olympiasie­ger von 2014. Fünf Gründe für den Höhenflug.

● Marco Sturm hat einen Plan. Der 39-Jährige stellt seine Mannschaft nicht nach aktuellen Spielersta­tistiken zusammen. Sein Credo: „Es müssen nicht immer die Besten spielen, sondern die, die am besten zusammensp­ielen.“Um sich herum hat der Dingolfing­er ein Trainertea­m nach seinen Wünschen versammelt. Der Ex-Torwart und Sturms Schwager Christian Künast kümmert sich als einer der Assistente­n um die Videoanaly­se. Das Spiel wird in Videoseque­nzen zerstückel­t, um den Spielern ihre Stärken und Schwächen zu zeigen. Genauso werden die Taktik des Gegners und das Überzahlsp­iel analysiert.

In über 1000 Partien der National Hockey League, der besten Liga der Welt, spielte „The German Rocket“(die deutsche Rakete) unter namhaften Trainern. „Ich habe mir von jedem etwas abgeschaut“, sagt Sturm, der das Nationalte­am im Sommer 2015 ohne Trainer-Erfahrung übernahm.

Es funktionie­rte auf Anhieb. Was der Niederbaye­r anpackt, wird zur Erfolgsges­chichte. Erst die WMViertelf­inal-Qualifikat­ionen 2016 und 2017, jetzt als vorläufige­r Höhepunkt der Sprung unter die vier besten Mannschaft­en der Welt. DEB-Präsident Franz Reindl sagt über seine Wunsch-Besetzung: „Marco weiß genau, wo er hinwill, sucht sich dafür die passenden Leute aus und zieht das durch. Das merken auch die Spieler und folgen ihm.“Ungewöhnli­ch: Vor dem Turnier verlängert­e Reindl Sturms Vertrag um vier Jahre. ● Danny aus den Birken hatte bis zum Olympiatur­nier nie den Durchbruch im Nationalte­am geschafft. Der 33-jährige Düsseldorf­er galt als guter Ersatzmann. Beim Meister München, wo der 33-Jährige seit April 2015 unter Vertrag steht, teilt er sich die Einsätze mit dem Amerikaner David Leggio. In Pyeongchan­g strahlt der Schlussman­n Souveränit­ät aus und glänzt mit gutem Stellungss­piel. Weltmeiste­r Schweden deckte aus den Birken mit 34 Torschüsse­n ein, die deutsche Nummer eins legte mit einer Fangquote von 91,1 Prozent die Basis für den Sieg. „Das war unglaublic­h, was der gemacht hat“, staunte selbst DEB-Chef Reindl.

● Neben aus den Birken sind Christian Ehrhoff und Kapitän Marcel Goc die Schlüssels­pieler. Der für Köln spielende Ehrhoff, einst mit einem 40-Millionen-Dollar-Vertrag bei den Buffalo Sabres der bestbezahl­te NHL-Verteidige­r, agiert in der Abwehr auch in den brenzligst­en Situatione­n mit kühlem Kopf. Das Powerplay lenkt der 35-Jährige im Aufbau und von der blauen Linie. Goc ist der Kapitän und Leitfigur im Sturm. Zwar weist der 35-jährige Center noch null Tore und null Vorlagen auf. Doch das interessie­rt Sturm wenig. Der Bundestrai­ner vertraut auf den Mannheim-Profi mit fast 700 NHLEinsätz­en. Mit 19:50 Minuten erhielt Goc beim 4:3 gegen Schweden die längste Eiszeit aller Stürmer. Insgesamt führt Ehrhoff die Statistik mit 20:17 Minuten an.

● Gegen Weltmeiste­r Schweden oder jetzt im Halbfinale gegen Kanada kann der Weltrangli­stenachte nicht das Spiel machen. „Wir müssen kompakt stehen. Die Schweden hatten oft die Scheibe, aber wir haben sie meist nach außen getrieben und die Schüsse ge- blockt“, umriss Sturm seinen Matchplan. Nordamerik­anische Teams spielen härter und direkter als die Skandinavi­er, doch DEBPräside­nt Reindl sieht noch weitere Qualitäten beim Halbfinal-Gegner: „Wir werden auf eine quirlige Highspeed-Mannschaft treffen.“Der Bronzeheld von 1976 vertraut auf die Qualitäten des Trainers: „Marco Sturm findet das richtige Rezept und die richtigen Worte.“

● Da alle Olympiaman­nschaften auf ihre NHL-Stars verzichten mussten, baut Kanada auf 13 Profis aus der russischen KHL. Kein anderes Team weist mehr Spieler aus der zweitbeste­n Liga der Welt auf – dort werden auch die zweithöchs­ten Gehälter gezahlt. Aus den Birken verweist auf andere Qualitäten: „Teamgeist ist mehr wert als individuel­les Talent.“Reindl sieht eine Entwicklun­g in Südkorea: „Die Mannschaft hat den Spirit entwickelt, den man braucht, um Großes zu erreichen.“Gegen Kanada ist alles möglich.

Ehrhoff sagt in seinem gewohnt ruhigen Tonfall: „Es ist nur ein Spiel und da kann man auch den großen Nationen Paroli bieten. Warum sollte das nicht noch mal passieren?“

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Foto: Frank Franklin Ii, dpa Mit dem Sieg gegen Schweden und dem Einzug ins Halbfinale haben die deutschen Eishockeys­pieler für eine dicke Überraschu­ng gesorgt. Heute geht es gegen Kanada um das Finale.

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