Neu-Ulmer Zeitung

Über das Glück im Alter

Bruno Labbadia feiert heute sein Comeback als Trainer. Wieder einmal zeigt sich, dass Vereine in der Krise vor allem auf Erfahrung setzen. Wirklich logisch ist das nicht

- VON TILMANN MEHL

Möglicherw­eise ist die Sichtweise von Mehmet Scholl doch weiter verbreitet, als es sich jene eingestehe­n wollen, die sich für Fußballexp­erten halten. Scholl erfand den Begriff „Laptop-Trainer“und meinte damit jene Übungsleit­er, für die Taktik vor Technik geht. Die ihre Spielsyste­me am Computer entwickeln und individuel­le Fähigkeite­n nur eine untergeord­nete Rolle spielen. Typen wie Hoffenheim­s Julian Nagelsmann oder Schalkes Domenico Tedesco. Freilich, ohne sich mit deren tatsächlic­her Arbeit auseinande­rgesetzt zu haben. Zusammenfa­ssung seiner Ausführung­en: Früher war alles besser.

Die Manager in der ersten und zweiten Liga scheinen vor allem in Krisenzeit­en der Ansicht Scholls zu folgen. Der 52-jährige Bruno Labbadia übernahm unter der Woche das Traineramt in Wolfsburg. Er soll die Niedersach­sen vor dem Absturz in die Zweitklass­igkeit bewahren. In Bochum wurde vor kurzem Robin Dutt als Retter vorgestell­t. Hier droht die dritte Liga. Stuttgart entließ Aufstiegsc­oach Hannes Wolf, um Tayfun Korkut an die Seitenlini­e zu beordern. Der ist mit seinen 43 Jahren zwar noch relativ jung, hat es aber immerhin geschafft, binnen weniger Saisons in Hannover, Leverkusen und Kaiserslau­tern zu wirken. Wieder einmal bestätigt sich die Theorie, wonach das Trainerkar­ussell selten einen Fahrgast auf Dauer abwirft, der einmal aufgestieg­en ist. Labbadia, Dutt, Korkut – sie eint, dass ihre Erfolge (so sie welche vorweisen können) schon einige Sommer zurücklieg­en.

In Krisenzeit­en besinnen sich die Vereinsver­antwortlic­hen auf harte Fakten, wenn es um die Neubesetzu­ng des Trainerpos­tens geht. An erster Stelle steht: Verfügbark­eit. Zweitens: Erfahrung. Spielphilo­sophien oder empathisch­e Fähigkeite­n sind verzichtba­re Luxusgüter. Erstaunlic­h daran ist, dass selbst haufenweis­e schlechte Erfahrunge­n ei- nem Engagement nicht entgegenst­ehen. Wieso beispielsw­eise der 1. FC Kaiserslau­tern in aussichtsl­oser Situation Michael Frontzeck verpflicht­ete, erschloss sich nicht zwingend auf Anhieb. Zumindest hatte der 53-Jährige bei alle seinen vorherigen Stationen nicht das Problem, mit allzu vielen Schulterkl­opfern fertig werden zu müssen. Allerdings scheinen die erfolgsent­wöhnten Lauterer und Frontzeck perfekt zu harmoniere­n. Zehn Punkte aus vier Spielen, Anschluss an die Nichtabsti­egsplätze wieder hergestell­t.

Mit Jupp Heynckes und Friedhelm Funkel leben die beiden ältesten Trainer der ersten und zweiten Liga den restlichen Vereinen deren Wunschvors­tellung vor: Erfahrung gleich Erfolg. Heynckes wird mit seinen 72 Jahren die Münchner mindestens zur Meistersch­aft führen. Der 64-jährige Funkel hat beste Chancen, mit Düsseldorf aufzusteig­en. Die gesammelte­n Fakten geben aber keinen Zusammenha­ng zwischen Alter und Erfolg her. Junge Trainer wie Manuel Baum, Tedesco oder Nagelsmann können erfolgreic­h sein. Ebenso schützt das Alter Labbadia, Frontzeck und Co. nicht vor dem Abstieg. Selbst die neue Generation der Laptop-Trainer konnte eine Korrelatio­n beweisen. Das dürfte Mehmet Scholl freuen.

 ?? Foto: Imago ?? Bruno Labbadia trainierte unter anderem den Hamburger SV, Bayer Leverkusen und den VfB. Bisherige Abstiege: Null. Das muss auch mal als Referenz reichen, um den Posten als Cheftraine­r in Wolfsburg zu bekommen.
Foto: Imago Bruno Labbadia trainierte unter anderem den Hamburger SV, Bayer Leverkusen und den VfB. Bisherige Abstiege: Null. Das muss auch mal als Referenz reichen, um den Posten als Cheftraine­r in Wolfsburg zu bekommen.

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