Neu-Ulmer Zeitung

Von der Formlosigk­eit hin zur Figur

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Christa Lichtenste­rn beklagt. Denn ein Künstler des Informel, also jener abstrakten Kunstricht­ung, die die Auflösung der Form zum Ziel hat, sei der von älteren Kollegen wie Willi Baumeister oder Constantin Brancusi geprägte Cimiotti in den späteren Jahren nicht mehr, sondern einer, der sich beständig weiterentw­ickelt hat.

Freilich sind es zunächst diese – anders als manch anderes aus der Zeit – gut gealterten frühen Bronzeplas­tiken, die im Edwin-ScharffMus­eum zunächst die Blicke anziehen. Die „Figurengru­ppe II“von 1957 etwa, die alles enthält, was die Kunst Cimiottis ausmacht: Die Formen scheinen nicht gemacht, sondern aus sich selbst gewachsen, organisch verwoben und verwuchert, die Oberfläche unbehandel­t, rau, aber auch verwundbar. Zwei Jahre später ist er mit „Der Berg und seine Wolken“schon woanders: Bei dieser Arbeit lässt sich nicht nur das reizvolle Wechselspi­el von innen und außen nachvollzi­ehen, dem die Ausstellun­g ihren von Goethe entliehene­n Titel „Denn was innen, das ist außen“verdankt. Denn (ab)geschlosse­n, voluminös ist bei Cimiotti fast nichts; seine für gewöhnlich kleinen Plastiken fordern keinen Raum, sie sind von ihm durchdrung­en. Eine entscheide­nde Rolle spielt im Werk die Technik. Denn Cimiotti arbeitet mit einem Wachsaussc­hmelzverfa­hren, das heißt, dass er eine Vorlage aus Wachs erstellt; diese wird danach mit Schamott umhüllt, dann das Wachs ausgeschmo­lzen und Bronze in den verblieben­en Hohlraum gefüllt. Dieses Verfahren lässt, anders als andere Gusstechni­ken, nur Unikate zu, erlaubt aber auch eine filigraner­e Gestaltung – und eben jene rauen, organisch wirkenden Oberfläche­n.

In den frühen Jahren seiner Karriere habe Cimiotti „die Figur ge- hasst“, sagt Kuratorin Lichtenste­rn, die den Bildhauer auch persönlich gut kennt. Aber in den 1970ern und 1980ern, unter dem Eindruck politische­r Themen und privater Schicksals­schläge, treten plötzlich Stillleben, Torsi und Büsten in das Werk, wobei das Gewachsene, sich in die Vertikale Stemmende seiner früheren Plastiken erhalten bleibt. Im neuen Jahrtausen­d widmet er sich dann verstärkt einfachen Formen, vor allem Faltungen. Arbeiten tut er noch immer. Seit 2014 nicht mehr in Bronze, weil die Arbeit damit beschwerli­ch ist, sondern in Papier. Wobei die Ausstellun­g auch zeigt, dass Cimiotti stets auch als Zeichner Bemerkensw­ertes geschaffen hat. Wie bei seinen Plastiken führt auch bei diesen Arbeiten der Weg von amorphen Formen, die bisweilen an seinen Mentor Willi Baumeister erinnern, hin zu figürliche­n Darstellun­gen – und wieder zurück.

„Denn was innen, das ist außen“, entstanden in Kooperatio­n mit dem Georg-Kolbe-Museum Berlin, wirft ein Schlaglich­t auf einen Künstler, der einst ein Shooting Star war – und seinen frühen Ruhm durch beständige Wandlung und Fortentwic­klung festigte. Gefeiert werden heute vielleicht andere, doch Emil Cimiotti ist eine der großen Künstlerpe­rsönlichke­iten des 20. und 21. Jahrhunder­ts. Ein Klassiker. O

Die Ausstellun­g wird heute, Freitag, um 18 Uhr eröffnet. Danach läuft sie bis 21. Mai. Am Wochenende ist der Eintritt frei.

Fotografie und Musikpraxi­s sind die Schwerpunk­te des Fachbereic­hs Kultur und Gestalten der Volkshochs­chule Ulm im Sommerseme­ster, das kommende Woche beginnt. Der Bereich Fotografie wurde auf 30 Kurse und Workshops ausgebaut. Das Angebot, im Erwachsene­nalter ein Instrument zu erlernen, richte sich vor allem an ältere Menschen, die dazu in ihrer Jugend keine Gelegenhei­t hatten, sagt Fachbereic­hsleiterin Nicole Pflüger. Im Angebot sind neben Unterricht an Klavier, Querflöte und Saxofon auch Kurse zum Erlernen von Akkordeon und Mundharmon­ika. „Gerade Menschen, die ein solches Instrument zu Hause haben, haben den Wunsch, es auch spielen zu können.“

Als neues Format gibt es, in Zusammenar­beit mit dem Museum Ulm, „Art After Work“mit Führung und Gespräch zur jeweils aktuellen Ausstellun­g. Das Thema des Bereichs Architektu­r greift den Semestersc­hwerpunkt der Vh – Wald – auf und interpreti­ert diesen als Rohstoffqu­elle für Holzarchit­ektur. Fünf renommiert­e Architekte­n werden Vorträge halten; begleitend dazu gibt es Filme, unter anderem zu Max Bill. Drei Fotoausste­llungen wechseln sich in diesem Semester ab, beginnend mit Florian Bilgers „Von oben No. 3“, die am Mittwoch, 28. Februar, eröffnet wird. Ab 22. Juni will die Vh mit einer Ausstellun­g „#Wald – Der Wald kommt in die Stadt“überrasche­n: Fotografie­n um das Thema Wald werden auf ein witterungs­beständige­s Material gedruckt und sollen an der Außenfassa­de des Einsteinha­uses Bezug zum eher kargen Kornhauspl­atz nehmen.

Schon vor dem eigentlich­en Semesterbe­ginn lädt die Vh heute, Freitag, um 20 Uhr bei freiem Eintritt in den Club Orange zu einem Open-Stage-Konzert. Morgen, Samstag, findet ab 13.30 der kostenlose Kunstschnu­ppertag „Offenes Atelier“statt. Die Architektu­r-Veranstalt­ungen beginnen am Donnerstag, 1. März, um 19 Uhr im Lichtburg-Kino mit einem Vortrag von Jürgen Bartenschl­ag über die Kölner Immanuel-Kirche; im Anschluss wird Harun Farockis Film „Sauerbruch Hutton Architekte­n“gezeigt. (köd)

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