Dieses Waschbecken ist aus Sand
Die ungewöhnliche Idee stammt von einem Unternehmen aus der Region. Und obwohl es die Firma noch nicht lange gibt, tüfteln die Gründer schon an dem nächsten Projekt
Lautlos gleitet ein kleiner Metallkasten über eine Fläche mit Sand. Als Nächstes fährt eine Art Wischer über die gleiche Fläche. Dann folgt wieder das metallische Kästchen. Der Vorgang ist ein 3D-Druck. Das metallische Kästchen trägt an bestimmten Stellen Kleber auf, der die Sandkörner aneinanderbindet. Der Wischer bringt eine sandkorndicke Sandschicht auf, dann beginnt das Ganze von vorne. Nach und nach entstehen so komplexe Formen und ganz unterschiedliche Dinge – zum Beispiel Waschbecken. Auf die Idee, aus Sand mit einem 3D-Drucker Waschbecken zu machen, ist Peter Schiffner gekommen, unterstützt von Laurens Faure. Die beiden Lübecker haben das Start-up-Unternehmen Sandhelden gegründet, das mittlerweile in Gersthofen bei Augsburg sitzt und dort mit dem 3D-Druck-Spezialisten Ex One zusammenarbeitet.
Wenn die Waschbecken aus dem Drucker kommen, zeigt sich der Einfallsreichtum der Gründer. Denn zunächst weisen die Schüsseln noch kein Wasser ab und lassen sich relativ leicht zerstören. Deshalb werden die Teile mit einem Harz besprüht, das sie aushärtet. „Der Sand ist extrem saugfähig und nimmt das Harz auf“, erklärt Schiffner. Danach wird noch eine spezielle Beschichtung aufgetragen. „Die muss UV-beständig und kratzfest sein und Chemikalien abweisen“, sagt der Sandhelden-Gründer. „Nach der Prozedur geben wir auf unsere Waschbecken eine Garantie von 15 Jahren – wie die Hersteller von Keramikbecken auch.“Doch nicht nur das Material ist besonders, auch das Design: Mal erinnern die Becken an Seerosen, mal an Fischschuppen oder ein Korallenriff.
Die Ideen dafür entwickeln Schiffner und seine Kollegen. Schiffner hat Architektur und Design studiert und schon während des Studiums fand er die Möglichkeiten, die 3D-Drucker bieten, interessant. 2014 gründet er das Unternehmen, Faure ist Co-Gründer. Die erste Zeit haben die Jungunternehmer in Forschung und Entwicklung investiert. Welcher organische Kleber hält die Sandkörner zusammen? Mit welchem Harz kann die gedruckte Waschbeckenform so gut aushärten, dass sie nicht mehr kaputt geht? Welche Beschichtung eignet sich? Und welche Formen lassen sich überhaupt drucken? Alles Fragen, die sie beantworten mussten.
Das ist ihnen inzwischen gelungen. Aber der Forschergeist hat das Team nicht verlassen. Und so lösen die Tüftler schon die nächste knifflige Aufgabe. Diesmal geht es um Plastik aus den Weltmeeren. „Viele Start-ups werden nur um des Gründens willen gegründet, wir wollen etwas Sinnvolles machen und unsere Werte in unserer Arbeit wiederfinden“, sagt Schiffner. Deshalb arbei- tet sein Unternehmen zusammen mit dem Fraunhofer-Institut daran, Plastikabfall aus dem Meer zu recyceln und für den 3D-Druck aufzuarbeiten. Das Ziel: Dinge zu drucken, die aus 100 Prozent Plastikmüll bestehen. „Bislang versuchen viele Unternehmen, mit recyceltem Kunststoff zu arbeiten“, sagt Jonas Schultzen, der für Sandhelden das Marketing übernimmt. „Aber meist gelingt das nur, wenn man einen bestimmten Anteil Neu-Plastik hinzufügt.“Anders bei der Technik, die die Sandhelden entwickelt haben. Dieses Projekt ist ihnen auch für die Zukunft wichtig. Sand gilt längst als umkämpfter Rohstoff. Deshalb su- chen sie nach Alternativen. Nun würden sie gerne beginnen, ihre Idee auch in die Tat umzusetzen und Dinge aus Plastikmüll zu produzieren. Doch ihnen fehlt noch das Geld. „Gerade Forschung und Entwicklung ist sehr teuer“, sagt Schiffner. Deshalb versuchen die jungen Unternehmer nun über die CrowdFunding-Plattform „Kickstarter“an Geld zu kommen. „Wir brauchen für einen Druckvorgang etwa eine Tonne Rohmaterial. Und das Plastik muss ja erst gereinigt und aufgearbeitet werden“, sagt Schiffner. Dafür benötigen die Start-up-Unternehmer eine Finanzierung.
Das ist nicht einfach, denn auch die jungen 3D-Pioniere merken, dass es für Start-ups hierzulande nicht einfach ist, an Kapital zu kommen. „Gerade Start-ups, die Produkte fertigen, tun sich in Deutschland schwer, Investoren zu finden“, berichtet Schiffner aus seiner Erfahrung. „Das Kapital geht oft eher an Internetfirmen.“Den Sandhelden ist es trotzdem gelungen, einen Investor zu finden, der nicht nur mit Geld, sondern auch mit Rat hilft.
Bisher scheint das Konzept aufzugehen: „Wir verkaufen im Monat etwa 50 Waschbecken, dazu kommen andere Produkte wie Vasen oder Lampenschirme“, sagt Schiffner. Und der Absatz wächst. Die Nachfrage kommt aus der ganzen Welt. Was die Kunden überzeugt, ist seiner Meinung nach nicht nur das ungewöhnliche Material, sondern auch die Möglichkeit, jedes Produkt individuell gestalten zu können.
Außerdem ist den Gründern ein kleiner Design-Coup gelungen. Sie haben den international bekannten Designer Ross Lovegrove kontaktiert – einfach so per E-Mail. Er entwickelte einst das Aussehen des Sony-Walkmans und arbeitet inzwischen viel mit filigranen, organischen Strukturen – genau das, was die Sandhelden mit ihren Waschbecken bieten können.
Der Brite reagierte auf die Anfrage aus Schwaben, hat sich schon einen Stuhl von den Jungunternehmern drucken lassen und will die Zusammenarbeit ausbauen. Damit und mit der Plastik-Idee hoffen die Sandhelden auf weiteren Erfolg.
Sand gibt es in Deutschland reichlich – trotzdem drohen Engpässe bei der Verfügbarkeit des Rohstoffs, die Baukosten in die Höhe zu treiben. Grund dafür seien zunehmende Schwierigkeiten bei der Gewinnung von Sand, teilte die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) mit. Dafür sind unter anderem die höheren Grundstückspreise verantwortlich.
Zwar gebe es in Deutschland mit Ausnahme von Regionen wie München oder Stuttgart „eine fast unendlich große Menge an Sand“, teilt die BGR mit. Quarz- und Bausand seien aus geologischen Gründen „eigentlich in ausreichendem Maße verfügbar“. Dennoch drohten „aktuell erhebliche Versorgungsengpässe“, heißt es von der Behörde.
Ein Großteil der Sand-, Kies- und Natursteinvorkommen in Deutschland ist demnach nicht abbaubar – etwa, weil die Flächen überbaut sind oder dort Schutzgebiete eingerichtet wurden. So seien beispielsweise in Baden-Württemberg bereits 85 Prozent der Landesfläche durch diese vorrangige Nutzung verplant und stünden für eine mögliche Rohstoffgewinnung nicht zur Verfügung.
Ein weiterer Faktor ist die Entwicklung auf dem Grundstücksmarkt: Laut BGR stellen immer mehr Landwirte ihre Flächen nicht für einen Rohstoffabbau zur Verfügung, weil es sich für sie in Zeiten niedriger Zinsen und gleichzeitig steigender Preise für Ackerland nicht lohnt, ihre Flächen zu verkaufen oder zu verpachten. In einigen Gebieten hätten bereits Kieswerke wegen fehlender Erweiterungsflächen geschlossen werden müssen, berichtet Studienautor Harald Elsner.
Zurzeit werden in Deutschland nach Angaben der Bundesanstalt pro Jahr rund hundert Millionen Tonnen Bausand gewonnen. Die Menge ist demnach seit 2012 wegen der privaten Bauinvestitionen um rund fünf Prozent gestiegen.
Zusätzlich erschwert wird die Versorgungssituation dem BGR zufolge außerdem durch „langwierige Genehmigungsverfahren für neue Gewinnungsvorhaben“und „nicht ausreichende Verarbeitungskapazitäten der Baustoffindustrie“. Als Folge davon gab es im vergangenen Jahr im Ruhrgebiet erstmals Versorgungsengpässe beim Straßenbau.
Für 2018 werde eine Verstärkung der Lieferengpässe vorausgesagt, die auch andere Regionen Deutschlands – zum Beispiel den Großraum Mannheim-Karlsruhe oder Berlin – treffen könnte, heißt es in der BGRStudie. Die Versorgungsschwierigkeiten wiederum könnten „zu einer Verteuerung der Baurohstoffe und damit des Bauens führen“, erklärte Elsner.