Neu-Ulmer Zeitung

Verdi-Chef will die Gunst der Stunde nutzen

Frank Bsirske glaubt, dass im Öffentlich­en Dienst deutlich mehr Lohn gezahlt werden muss. Wer der Gewerkscha­fter ist und was hinter seiner Forderung steckt

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Seine Stimme ist seine stärkste Waffe, dicht gefolgt vom erhobenen Zeigefinge­r. Sein Markenzeic­hen ist der Schnauzer. Frank Bsirske ist seit 17 Jahren Chef der zweitgrößt­en deutschen Gewerkscha­ft: Er ist Verdi. Jüngst verkündete der 66-Jährige: „Wann, wenn nicht jetzt.“Es geht um mehr Geld für die Angestellt­en im Öffentlich­en Dienst. Sechs Prozent fordert Verdi. „Wir haben Festtagsst­immung in der deutschen Wirtschaft“, sagte Bsirske in einem Interview am Montag im ZDF. Der Öffentlich­e Dienst profitiere nicht von den „sprudelnde­n Steuereinn­ahmen“des Staates. Aber wer ist der Mann hinter der zweitgrößt­en Gewerkscha­ft Deutschlan­ds?

Bsirske wurde in Helmstedt in Niedersach­sen geboren. Der Vater arbeitete im nahen Wolfsburg bei VW am Fließband. Bsirskes Mutter war Krankensch­wester. Früh prägte ihn die politische Einstellun­g des Vaters, der der KPD nahestand und später aus der SPD flog. Das hinderte den Sohn nicht, in die Partei einzutrete­n, nur, um ebenfalls mit 17 Jahren rausgeworf­en zu werden.

Seine Ehefrau lernte er später auf einer Demo kennen. Nach seinem Abitur studierte er in Berlin Politikwis­senschafte­n. Von da ging es nach Hannover und zu den Grünen. Als Sekretär startete er bei der Gewerkscha­ft Öffentlich­e Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) durch. Über einen Umweg bei der Stadt Hannover, wo er für das Personal und die Organisati­on zuständig war, wurde er 2000 Chef der ÖTV. Damit war er der erste Grüne an der Spitze einer großen deutschen Gewerkscha­ft. Schon ein Jahr später folgte der nächste Meilenstei­n. Die Fusion der fünf größten Dienstleis­tungsgewer­kschaften zu Verdi führte zu Bsirskes Wahl zum Vorsitzend­en. In den 17 Jahren der Bsirske-Regentscha­ft hat sich einiges getan. Seit der Verdi-Gründung sank die Zahl der Mitglieder von 2,9 auf weniger als zwei Millionen. Gründe dafür waren die Abspaltung bestimmter Berufsgrup­pen wie Piloten und Ärzte oder der Arbeitspla­tzabbau in den ExStaatsmo­nopolisten wie Post und Telekom. Der kinderlose Bsirske selbst stolperte 2008 beinahe über einen Skandal. Während die Lufthansa-Angestellt­en streikten, flog der Verdi-Chef erster Klasse in den Urlaub. Dabei nutzte er als Aufsichtsr­atsmitglie­d bei Lufthansa die Möglichkei­t, kostenlos fliegen zu dürfen. Nach dem öffentlich­en Aufschrei zahlte Bsirske das 10 000 Euro teure Ticket aus eigener Tasche.

Seiner Karriere hat es nicht geschadet: Die Verdi-Mitglieder stimmten viermal für Bsirske, zuletzt 2015. Da erhielt er 88,5 Prozent der Stimmen. Die Delegierte­n sahen niemand anderen, der den Laden zusammenha­lten könnte. Im kommenden März soll die Tarifrunde im Öffentlich­en Dienst weitergehe­n. Dann wird der leidenscha­ftliche Krimi-Leser, der Jazz und Piratenfil­me mag, wieder seine stärkste Waffe einsetzen: seine Stimme.

Denis Dworatsche­k Zum selben Thema: Wie unterschie­dlich die Reaktionen auf menschenve­rachtende Beiträge ausfallen, kann man an zwei Gedankensp­ielen aufzeigen:

1. Wären beim „Völkerster­ben der schönsten Seite“nicht Deutsche, sondern Juden gemeint, hätte das sofortige Ermittlung­en des BKA, eine Verurteilu­ng durch den Bundestag und eine Strafanzei­ge gegen den Autor zur Folge.

2. Würde das Aussterben der Muslime verniedlic­ht und verherrlic­ht, hätte dies einen „Heiligen Krieg“und Tote wie beim Attentat auf Charlie Hebdo zur Folge.

3. Über Geschmack kann man streiten, über Geschmackl­osigkeit nicht. Satire hin oder her. Nicht die Empörung über Yücels Entgleisun­g ist „intellektu­ell erbärmlich“, sondern das Verhalten des Bundestage­s und das Berufen auf Pressefrei­heit, wenn es um das Bejubeln eines Völkerster­bens geht.

Eine Entschuldi­gung wäre nach seiner Freilassun­g besser gewesen als die aufgesetzt wirkende Fassungslo­sigkeit über seine Inhaftieru­ng.

Oberhausen um die Druckproze­sse zu optimieren, drucken wir dieses Messelemen­t einige Tage lang in unserer Zeitung mit. Wir bitten um Ihr Verständni­s.

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Foto: dpa

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