Das Mittel gegen Waffen – mehr Waffen, sagt die NRA
um eine Verschärfung des Waffenrechts abzublocken – so lautet die landläufige Erklärung dafür, dass selbst nach Massenmorden wie in Parkland kein Verbot von Sturmgewehren oder anderen Kriegswaffen zustande kommt. Die Wirklichkeit ist allerdings komplizierter. Geld ist nur einer der Gründe für den Einfluss des Verbandes – und nicht einmal der entscheidende.
Die Waffenindustrie ist weder die größte Branche der USA noch stellt sie den spendierfreudigsten LobbyVerband. Selbst die Milchindustrie verteilt in Washington mehr Geld. Das heißt aber nicht, dass die NRA keine ansehnliche Kriegskasse hat. Fast 55 Millionen Dollar steckte der Verband in den Präsidentschaftswahlkampf 2016, wobei Donald Trump mit etwa 31 Millionen Dollar Hauptnutznießer war. Überall im Land erhielten vor allem Politiker aus Trumps Republikanischer Partei großzügige Schecks der Waffenlobby. Rubio wurde mit mehr als drei Millionen Dollar unterstützt. Größter Geldgeber im Wahlkampf war der Finanzkonzern Fahr LLC, der nach Angaben der Website OpenSecrets.org mehr als 90 Millionen Dollar in die Hand nahm – und jeder einzelne Dollar ging an Hillary Clintons Demokraten.
Die Waffenlobby wiederum zeichnet gern düstere Bilder. Sollten die Demokraten wieder an die Macht kommen, sei es mit der Freiheit der Amerikaner vorbei, sagt NRA-Chef Wayne LaPierre, der hinter Forderungen nach strengeren Waffenregeln den „Sozialismus“entdeckt haben will. LaPierres Antwort auf die tödliche Bedrohung für Schüler, Kirchgänger und Diskotheken-Besucher durch Schusswaffen ist simpel: mehr Schusswaffen. „Das Einzige, das einen bösen Menschen mit einer Waffe stoppen kann, ist ein guter Mensch mit einer Waffe“, lautet der Leitspruch der Waffenlobby.
So sieht das auch Donald Trump. Der US-Präsident machte mit dem fragwürdigen Vorschlag Schlagzeilen, künftig auch Lehrer mit Waffen ausstatten zu wollen. Ein solcher hätte den Attentäter von Parkland „mit Kugeln durchsiebt“, prophezeite Trump zuletzt. Dass in Florida selbst ein bewaffneter Hilfspolizist den Todesschützen nicht aufhielt? Für Trump ist der Mann nichts weiter als ein „Feigling“. Bei einem Treffen mit Gouverneuren der Bundesstaaten im Weißen Haus sagte Trump, er selbst würde in einer solchen Situation in das Gebäude hineinlaufen, „selbst wenn ich keine Waffe dabei hätte“. Der Polizeibeamte hat sich unterdessen gegen den Vorwurf eines Fehlverhaltens gewehrt. Er sei zu einem der Schulgebäude gelaufen, weil er einen Alarmhinweis auf „Knallkörper“bekommen hatte. Dort habe er dann erkannt, dass die Knallgeräusche von Schüssen stammten. Doch habe er angenommen, dass die Schüsse nicht der Schulgebäude fielen, sondern außerhalb. In solchen Fällen besagten die Instruktionen der örtlichen Polizei, das die Beamten in Deckung gehen und Kontakt zu Kollegen aufnehmen sollten. Dieser Anweisung sei er gefolgt.
Die Debatte um ein schärferes Waffenrecht ist in diesen Tagen Thema Nummer eins in den USA. Es gab sie auch nach dem Massaker auf Konzertbesucher in Las Vegas mit 58 Toten oder nach der Bluttat in einer Kirche in Texas mit 26 Toten. Doch dieses Mal ist etwas anders: Freunde der ermordeten Teenager und Lehrer machen Druck. Junge Menschen demonstrieren, geben Interviews, sprechen bei Politikern vor. „Wenn der Präsident nur Gedanken und Gebete schicken kann, ist es an der Zeit, dass die Opfer etwas verändern“, sagte Emma González nach dem Massaker. Ihre leidenschaftliche Ansprache lief auf CNN, die 18-Jährige ist zum Gesicht des Protests geworden.
Das Massaker von Parkland, es hat viele Amerikaner wachgerüttelt. Auch Scott-Dani Pappalardo. Der Mann aus dem US-Bundesstaat New York sitzt im Garten, auf dem Schoß sein Sturmgewehr vom Typ AR-15. Es ist die Waffe, mit der Nikolas Cruz in die High School von Parkland stürmte und 14 ehemalige Mitschüler und drei Erwachsene erschoss. „Ich werde sichergehen, dass so etwas mit meiner Waffe nie mehr passiert“, sagt Pappalardo in die Kamera. Dann nimmt er die Waffe, setzt die Kreissäge an, zerteilt sie in zwei Hälften. „Nun ist es eine weniger“, sagt er in dem Video, das ininnerhalb nerhalb weniger Tage 28 Millionen Mal angeklickt wurde. Immer mehr Amerikaner zeigen seither Videos ihrer zersägten Gewehre.
In Florida plant man, Polizisten an „jede öffentliche Schule zu entsenden“. Zudem soll das Mindestalter für den Kauf von Schusswaffen von 18 auf 21 Jahre angehoben werden. Und man will die Aufsätze, die halbautomatische in vollautomatische Gewehre umfunktionieren, verbieten. Der Todesschütze von Parkland konnte sich die AR-15 legal besorgen, deren Hochgeschwindigkeits-Patronen die Organe der Opfer derart zerfetzten, das sie binnen Minuten verbluteten. Mit einer Handfeuerwaffe hätte er nicht so viele Menschen umbringen können.
Für die Schüler in Parkland dürfte dieser Gedanke kaum zu ertragen