Neu-Ulmer Zeitung

„Geprügelt wie eine Weltmeiste­rin“

Ehemalige Bewohner eines Donauwörth­er Kinderheim­s berichten von Misshandlu­ngen. Die Fälle sind über 40 Jahre alt – warum sie jetztan die Öffentlich­keit kommen

- VON CHRISTIAN MÜHLHAUSE UND MICHAEL BÖHM

Strenge Regeln, Drohungen, Gewalt und ein permanente­s Klima der Angst bestimmten über Jahre das Leben von Kindern, die in einem Donauwörth­er Kinderheim eigentlich Schutz und Geborgenhe­it finden sollten. Das „Cassianeum“wurde bereits 1977 geschlosse­n – doch in diesen Tagen schlagen die über 40 Jahre alten Misshandlu­ngen rund um den früheren katholiche­n Pfarrer und Leiter des Kinderheim­s, Max Auer, hohe Wellen. Der Grund: Das Bistum Augsburg weiß bereits seit mehreren Jahren von den Vorkommnis­sen im ehemaligen Kloster Heilig Kreuz. Die Öffentlich­keit erfuhr jedoch erst davon, als sich jüngst zwei betroffene Schwestern an Medien wandten. Nach einem Bericht des Bayerische­n Rundfunks in der vergangene­n Woche melden sich nun immer mehr ehemalige Heimbewohn­er.

„Wir wissen mittlerwei­le von sechs Betroffene­n“, erklärt KarlGeorg Michel, Sprecher des Bistums Augsburg. Die zwei Schwestern sowie ein weiterer ehemaliger Bewohner seien schon vor Jahren von der Kirche finanziell entschädig­t worden, als „Anerkennun­g des Leids“.

Ein ehemaliges Heimkind, das sich an unsere Zeitung wandte, erzählte von häufiger Gewalt durch eine Erzieherin: „Sie hat geprügelt wie eine Weltmeiste­rin.“Er betonte aber auch, dass es einzelne Personen gewesen seien, die für ihre Exzesse bekannt gewesen seien. Zu den Strafen im Donauwörth­er Kinderheim gehörte laut dem Mann, der drei Jahre in der Einrichtun­g lebte, unter anderem auch, dass Kinder Erbrochene­s essen mussten. Zudem durften die Kinder nachts nicht auf die Toilette gehen und wurden drakonisch für kleine Verfehlung­en bestraft. Laut den beiden Schwestern gab es auch sexuelle Übergriffe von älteren Buben.

„Was die von körperlich­en und seelischen Misshandlu­ngen betroffene­n Frauen geschilder­t haben, hat mich zutiefst bewegt und auch beschämt“, erklärte der heutige Leiter der Stiftung „Cassianeum“, Peter Kosak. Er ist seit wenigen Wochen im Amt und kündigte eine Aufarbeitu­ng der Geschehnis­se an. Das könnte jedoch schwierig werden. „Zu meinem großen Erstaunen musste ich feststelle­n, dass es über das Heim sowohl im Cassianeum als auch im Stadtarchi­v Donauwörth nur noch einige wenige Archivbest­ände gibt“, sagt Kosak und bittet in einem Aufruf auf der Internetse­ite was passiert ist.“So geht es offenbar auch den beiden Schwestern, die nun den Anstoß für die Debatte rund um das „Cassianeum“gegeben haben.

Warum das Bistum nicht schon vor sieben Jahren, als es von den Vorkommnis­sen in dem Heim erfahren hat, an die Öffentlich­keit gegangen ist, erklärt Sprecher Michel so: Zum einen sei das „Cassianeum“eine von der Diözese unabhängig­e Stiftung, die selbst für die Aufarbeitu­ng der Fälle zuständig sei. Zum anderen habe eine der Schwestern vor Jahren Wert darauf gelegt, dass nicht über die Höhe der Entschädig­ungszahlun­gen berichtet werde. Kritik, dass die Kirche etwas verheimlic­hen wollte, weist Michel zurück.

Und auch die Missbrauch­sbeauftrag­te erklärt, dass die Diözese sehr großen Wert auf die Aufarbeitu­ng von Missbrauch­sfällen lege. „Ich habe nicht das Gefühl, dass hier etwas unter den Tisch gekehrt wird“, sagt Ketterle-Faber, die seit 2013 im Amt ist. Seit dem Jahr 2010 hat die Diözese Augsburg 66 Missbrauch­sopfern Entschädig­ungen in Höhe von 480000 Euro bezahlt.

In Köln ist Anfang Februar ein 24-jähriger Mann festgenomm­en worden, der in großem Stil Daten im Internet gestohlen und weiterverk­auft haben soll. Die Zentralste­lle für Cybercrime Bayern und Computersp­ezialisten der Kriminalpo­lizei Ingolstadt hatten fast eineinhalb Jahre in dieser Sache ermittelt, wie die zuständige Generalsta­atsanwalts­chaft Bamberg am Montag mitteilte. Auslöser war die Anzeige eines Online-Versandhän­dlers aus dem Bereich des Polizeiprä­sidiums Oberbayern Nord gewesen. Der Händler hatte Mitte 2016 einen Angriff auf seinen Webserver gemeldet.

Dabei soll der mutmaßlich­e Hacker rund eine halbe Million Kundendate­nsätze abgegriffe­n und später auf diversen Seiten mit Gewinn an interessie­rte Netz-Kriminelle weiterverk­auft haben. Diese wiederum hätten die dann für betrügeris­che Bestellung­en genutzt.

Wie die Cyber-Spezialist­en im Zuge der Ermittlung­en herausfand­en, sei der Kölner bereits zuvor gute eineinhalb Jahre auf einem einschlägi­g bekannten Forum im Netz unterwegs gewesen. Unter Pseudonym soll er auch dort „in einer Vielzahl von Fällen“Zugangsdat­en von Online-Zahlungsdi­enstleiste­rn zum Kauf angeboten haben. Diese wiederum habe er über sogenannte Phishing-Mails ausgespäht. An die Versandadr­essen dafür soll er gekommen sein, weil er zuvor verschiede­ne Webshops gehackt habe.

Als die Polizei am 6. Februar in Köln zugriff, kam auch eine Spezialein­heit zum Einsatz. Die Beamten stellten einen Computer, drei Han– dys, zwei Laptops und diverse Speicherme­dien sicher. Erste Auswertung­en des Beweismate­rials hätten den weiteren Angaben der Generalsta­atsanwalts­chaft zufolge den Verdacht gegen den Mann erhärtet. Zudem hätten sich Hinweise auf weitere Straftaten ergeben. Der Beschuldig­te sitzt inzwischen wegen Flucht- und Verdunkelu­ngsgefahr in Untersuchu­ngshaft. Wie hoch der mutmaßlich entstanden­e Schaden sein könnte, steht nach Angaben eines Polizeispr­echers noch nicht fest. Die Ermittlung­en laufen.

Die in Bamberg angesiedel­te Zentralste­lle Cybercrime gibt es in Bayern seit Anfang 2015. Die Ermittler kümmern sich um die gesamte Breite von Netzkrimin­alität.

 ?? Foto: Barbara Würmseher ?? Im ehemaligen Kloster Heilig Kreuz war früher neben anderen Einrichtun­gen auch ein Kinderheim untergebra­cht. So nach und nach melden sich immer mehr Augenzeuge­n, die von Misshandlu­ngen und anderen fragwürdig­en Erziehungs­methoden dort berichten.
Foto: Barbara Würmseher Im ehemaligen Kloster Heilig Kreuz war früher neben anderen Einrichtun­gen auch ein Kinderheim untergebra­cht. So nach und nach melden sich immer mehr Augenzeuge­n, die von Misshandlu­ngen und anderen fragwürdig­en Erziehungs­methoden dort berichten.

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