Leitartikel
Natürlich kann man die Vertreter der „Alternative für Deutschland“ständig beschimpfen. Es bringt nur leider nichts. Die Opferrolle ist deren Geschäftsmodell
Gerade hat Cem Özdemir rotgesehen. Der Grünen-Politiker stand am Rednerpult im Bundestag, es ging um die Türkei, um den Journalisten Deniz Yücel und wie übel Politiker der „Alternative für Deutschland“(AfD) diesen beschimpft hatten. Özdemir wütete und haderte, er nannte die AfD-Vertreter „Rassisten“.
Es war eine Freude, ihm zuzuhören, so fanden viele Deutsche. Im Netz machte Özdemirs Rede die Runde, oft lautete der Kommentar, genauso müsse man sie anpacken, diese Lumpen von der AfD, dazu gäbe es keine Alternative.
Aber stimmt das? Sosehr sich die aufrechten AfD-Gegner bestärkt sahen, so gestärkt könnten die Alternativen aus diesem Schlagabtausch hervorgehen. Seht her, werden sie sagen, so geht man mit uns um, man schreit uns an, man beschimpft uns, sogar im Bundestag. Die Inszenierung als Opfer ist das erfolgreichste Geschäftsmodell der AfD. Wer sich gewaltig im Recht fühlt wie Özdemir, kann also durchaus gewaltig Rechten helfen.
Wie Minister mit den Populisten umzugehen haben, hat nun sogar das Bundesverfassungsgericht beschäftigt. Es entschied gestern, ein Mitglied der Bundesregierung dürfe nicht einfach eine „Rote Karte“gegen die AfD verhängen. Vielmehr müssten Minister – wenn sie sich in amtlicher Funktion äußern – selbst im hitzigsten Streit Neutralität wahren, statt Diffamierung mit Diffamierung zu vergelten.
Die Entscheidung ist selbstverständlich richtig, weil sie Selbstverständliches betont: In einer Demokratie muss es nicht nur die Freiheit der Andersdenkenden geben – sondern auch die Bereitschaft der Mächtigen, mit den weniger Mächtigen zu diskutieren. „Rote Karte“, das ist das Spielende. In einer Demokratie darf das Spiel der Meinungen aber nie aufhören.
Natürlich gibt es Themen, die unsere Gerichte völlig zu Recht als ausdiskutiert ansehen, den Holocaust etwa – oder die demokratische Verfasstheit unseres Staatswesens, verewigt in der Ewigkeitsklausel des Grundgesetzes. Aber es gilt durchaus zu diskutieren, warum sich rund eine Million Menschen abgewandt haben von der Merkel-Union, welche Themen sie umtreiben und wie sie politisch ansprechbar blieben – und nicht rechts außen Platzverweise auszusprechen. Die Kanzlerin hat diesen Diskurs verweigert, als die Flüchtlingskrise noch weit weg war und die AfD eine ganz andere Partei, ein Professoren-Klub der EuroSkeptiker. Im Wahlkampf 2013 ignorierte Merkel den damaligen AfD-Chef Bernd Lucke. Ähnlich klammerten sich viele in der Union an das Mantra, rechts von ihnen sei politisch ja kein Platz. Ergebnis des großen Schweigens war, dass sich die AfD immer wieder neu erfinden konnte, etwa als politischer Gewinner der Flüchtlingskrise. Nun lassen sich ihre Vertreter nicht mehr ignorieren, sie sitzen im Bundestag, bald wohl als größte Oppositionspartei. Sie gilt es dort zu stellen, nicht herablassend, nicht unverschämt, worauf diese ja nur warten, siehe oben. Wird die Debatte mit ihnen unappetitlich, etwa wenn die AfD dem Journalisten Yücel neben dem Deutschsein auch die Journalistenehre absprechen will, muss Demokratie dies aushalten.
Das Gute an Populisten ist, dass sie sich meist selbst entlarven. In Frankreich konnte Marine Le Pen in einer TV-Debatte kaum erklären, warum sie an die Macht will, also wandten sich viele Franzosen ab. In Österreich warf der Ultra-Rechtsausleger Norbert Hofer im Präsidentschaftswahlkampf seinem Rivalen so oft „Lüge“vor, dass es vielen Österreichern mit ihm reichte.
Nur: Damit sich Rechte selbst widersprechen, muss man mit ihnen sprechen. Traut Angela Merkel sich das, wäre dies wohl effektiver als jede Kabinettsumbildung. Zum Leitartikel „Merkel hat das Heft noch fest in der Hand“von Walter Rol ler (Meinung & Dialog) vom 27. Februar: Wie Sie in Ihrem Leitartikel deutlich zum Ausdruck bringen, hat es Merkel verstanden, sich noch einmal mit offensiver Taktik der Angriffszone ihrer eigenen Parteisoldaten zu entziehen. Der Bilanz der vergangenen Legislaturperioden muss sich Frau Merkel dem mündigen Souverän spätestens nach der Bayern-Wahl stellen, sollte es Neuwahlen geben, dann schon vorher. Für den Bürger ist es irrelevant, wer Minister wird, ihm ist es egal, ob Alt oder Jung, er legt seine Messlatte an der Leistung der vergangenen Legislaturperiode an und misst daran den Wahrheitsgehalt der Versprechen für die kommenden vier Jahre.
Landsberg Zu „Sechs Schwaben sind wohl einer zu viel“(Bayern) vom 26. Februar: Bei der Aufstellung der Liste für die Landtagswahl beweist die Schwaben-SPD, dass sie das Thema Parteierneuerung wirklich nicht verstanden hat. Wie auch bei anderen sogenannten Volksparteien zu beobachten, muss man den Eindruck gewinnen, dass das Interesse für den Erhalt des eigenen Postens im Vordergrund steht. Welche Partei gibt jüngeren Personen eine Chance? Wer soll zur Erneuerung in den Parteien wirklich beitragen? Es wird wohl niemand anderer als der Wähler am Wahltag entscheiden.
Friedberg Zu „Das beste Radweg Konzept in Bay ern“(Bayern) vom 26. Februar: Nicht alles ist o.k. Im Juni 2017 sind wir, die „Fahrradfreunde-GGL“aus Gundelfingen, die DonautälerTour gefahren. Die Tour, so in Ihrem Bericht, ist ein „Vier-SternePremiumradweg“. Wir fragen uns schon, ob die Vergeber der vier Sterne den Teilabschnitt zwischen Bissingen und Schwenningen schon mal gefahren sind? Dieser Teil der Tour, wenn auch nur wenige Kilometer, hat nichts mit einem Fahrradweg gemeinsam und ist allenfalls etwas für Mountainbiker. Da wir unter anderem den gesamten Donau-Radweg von den beiden Quellflüssen bis ans Schwarze Meer mit vielen schlechten Teilabschnitten gefahren sind, nehmen wir uns die Freiheit heraus, dieses Urteil abzugeben. Der übrige Teil der Strecke ist allerdings sehr zu empfehlen.
Gundelfingen Zum Leserbrief „Eltern, bitte kümmert euch“vom 27. Februar und „Das See pferdchen reicht nicht“(Bayern) vom 22. Februar: Ich war sehr erfreut, als ich im Beitrag „Das Seepferdchen reicht nicht“zum meines Wissens ersten Mal nicht den Hinweis gefunden habe, dass es ja in erster Linie Elternpflicht ist, sich um das Schwimmenlernen ihrer Kinder zu kümmern. Denn das, was in meiner Kindheit vor über 40 Jahren (also etwa zur selben Zeit, als die Kinder des Verfassers von „Eltern, bitte kümmert euch“Schwimmen gelernt haben) noch relativ einfach zu bewerkstelligen war, ist es heute bei weitem nicht mehr: Jetzt gibt es nur noch so wenige Hallenbäder, dass diese zu Zeiten, in denen Eltern mit ihren Kindern schwimmen gehen könnten, also hauptsächlich am Wochenende und vielleicht mal wochentags zwischen 17 und 19 Uhr, so überfüllt sind, dass an einen Schwimmunterricht durch die Eltern nicht zu denken ist. Private Schwimmkurse kann sich nicht jeder leisten und sie führen auch nicht immer zum Erfolg.
Obergriesbach Zum Porträt: „Der beste Bandenchef seit Jahren“(Meinung & Dialog) vom 26. Februar: Meine Heimatzeitung hat recht: Marco Sturm ist nach einigen Luschen auf diesem Posten ein wahrhaft toller Bundestrainer. Ein Fachmann und Motivator, der über einen wunderbaren Teamgeist Baumeister einer sensationellen Eishockeymedaille war. Einen solchen Typen könnte man sich sehr gut als Sportminister im neuen Kabinett vorstellen. Doch nach den kaum getrockneten Tränen, ausgelöst durch das knapp verpasste Gold, wurden meine Augen erneut feucht, weil der Sport weiterhin beim Bundesministerium des Inneren versteckt bleibt. Immerhin sehen Standorte wie Burgau und Kaufbeuren ihren Mut zum Arenenbau durch den Pusch aus Südkorea wohl schon jetzt belohnt.
Kötz um die Druckprozesse zu optimieren, drucken wir dieses Messelement einige Tage lang in unserer Zeitung mit. Wir bitten um Ihr Verständnis.