Neu-Ulmer Zeitung

Dämpfer für Trumps Abschiebep­läne

US-Richter schützen mehrere hunderttau­send junge Migranten. Zumindest vorerst dürfen die sogenannte­n „Dreamer“bleiben. Das ärgert vor allem den US-Präsidente­n

- VON THOMAS SEIBERT

Wie haben die Köpfe geraucht in den vergangene­n Monaten. Pläne wurden erarbeitet und verworfen. Lange Sitzungen in Hinterzimm­ern und vor den Kameras verliefen ohne Ergebnis. Politiker stritten sich und warfen sich gegenseiti­g Verantwort­ungslosigk­eit vor. Unterdesse­n mussten mehrere hunderttau­send unschuldig­e junge Leute die baldige Abschiebun­g aus den USA befürchten. Doch plötzlich, mit einer dürren Erklärung des Verfassung­sgerichts in Washington, ist der Streit zumindest vorerst geklärt. Die sogenannte­n „Dreamer“(Träumer) dürfen mindestens bis zum nächsten Jahr bleiben, Politiker im Kongress haben mehr Zeit für eine Lösung. Sauer ist nur einer: Donald Trump.

Der Mann, der – wie gestern bekannt wurde – offenbar bereits seinen Wahlkampf für die nächste Kandidatur 2020 vorbereite­t, hatte die Einwanderu­ngspolitik zur Chefsache erklärt. Er will eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen und die Mexikaner dafür bezahlen lassen. Er will Bürger aus einer Reihe mehrheitli­ch muslimisch­er Staaten nicht mehr ins Land lassen. Und er will die rund 800 000 „Dreamer“hinauswerf­en – junge Leute, die als illegaler Einwandere­r ins Land kamen und bisher geduldet werden. Alle zwei Jahre müssen sie eine neue Aufenthalt­sgenehmigu­ng beantragen, mit der sie in den USA leben, arbeiten oder studieren dürfen.

Im September ordnete Trump das Ende der Duldung der „Dreamers“zum 5. März an. Damit wollte der Rechtspopu­list die opposition­ellen Demokraten zu einem Deal zwingen: Er bot an, auf den Rauswurf der jungen Menschen zu verzichten, auszusetze­n. Neuanträge werden zwar nicht mehr angenommen, doch Trumps Regierung schaltete das Verfassung­sgericht ein, um die Gerichte zu umgehen – aber nach der Weigerung der obersten Richter, sich einzumisch­en, wird es vorerst keine Abschiebun­gen geben.

„Dreamer“und Unterstütz­ergruppen sind glücklich, dass die Katastroph­e vorerst ausbleibt, dringen aber auf eine dauerhafte Lösung. Die Ohrfeige für die Regierung vor Gericht sei eine gute Nachricht, doch sei damit die Unsicherhe­it für die „Dreamers“noch nicht aus der Welt geschafft worden, erklärte die Bürgerrech­tsgruppe ACLU.

Damit ist auch vorerst nicht zu rechnen. Im Kongress sind die meisten Politiker bemüht, in den Monaten vor den Zwischenwa­hlen im November kontrovers­e Entscheidu­ngen zu vermeiden. Das bedeutet, dass ein neuer Lösungsver­such wahrschein­lich erst im kommenden Jahr gestartet werden dürfte. Die Demokraten hoffen, bis dahin die Mehrheit in mindestens einer der beiden Parlaments­kammern erobert zu haben; im November wird das gesamte Repräsenta­ntenhaus und ein Drittel des Senats neu gewählt. Laut Umfragen haben die Demokraten gute Chancen auf Zugewinne. Für die Trump-Regierung beKinder deutet der Richterspr­uch, dass ihr eine wichtige politische Trumpfkart­e in der Einwanderu­ngsdebatte aus der Hand genommen worden ist. Entspreche­nd verschnupf­t reagierte der Präsident. Er schimpfte über das als sehr liberal bekannte Appellatio­nsgericht des Neunten Bezirks in San Francisco, das mit seiner Entscheidu­ng die geplanten Abschiebun­gen gestoppt hatte. Später fällte ein Bundesgeri­cht in New York ein ähnliches Urteil. „Nichts ist so schlimm wie der Neunte Bezirk“, maulte Trump. Wie schon beim Streit um den Muslim-Bann versuchten die Richter in San Francisco jetzt wieder, seine Regierung zu stoppen. Am Ende werde er im Hauptverfa­hren vor dem Verfassung­sgericht siegen, doch derzeit müsse er sich beugen. „Das ist eine sehr, sehr traurige Sache.“

Nun hofft die Regierung, dass der Streit vor den Appellatio­nsgerichte­n zügig abgeschlos­sen wird und dass anschließe­nd der vorwiegend mit Konservati­ven besetzte Verfassung­sgerichtsh­of eine Entscheidu­ng im Sinne von Donald Trump trifft. Doch auch das kann bis zum nächsten Jahr dauern. Trump versucht weiter, die Demokraten zu einer Abmachung zu bewegen. Doch die Opposition hat es damit nun nicht mehr eilig.

Nach dem Mord an dem slowakisch­en Enthüllung­sreporter Jan Kuciak fordert der Deutsche Journalist­en-Verband (DJV) eine umfassende Ermittlung der Hintergrün­de. „Der Fall muss umgehend und rückhaltlo­s aufgeklärt werden – auch, ob die vorher bekannten Bedrohunge­n von den Behörden ernst genommen wurden und was sie unternomme­n haben, um den Kollegen zu schützen“, sagte DJV-Chef Frank Überall der Heilbronne­r Stimme. Der Fall zeige auch, wie wichtig es sei, Journalist­en in Europa bei ihrer Arbeit – und damit letztlich die Pressefrei­heit – zu schützen.

Kuciak und seine Verlobte waren in ihrem Privathaus erschossen worden. Wahrschein­lichstes Motiv sei die Tätigkeit des Mannes gewesen, sagte Polizeiprä­sident Tibor Gaspar. Der 27-jährige Kuciak hatte im Internetpo­rtal Aktuality.sk regelmäßig über Fälle von mutmaßlich­em Steuerbetr­ug berichtet. Im Blick hatte er vor allem prominente Unternehme­r, die nach seinen Recherchen Geschäftsv­erbindunge­n zu den regierende­n Sozialdemo­kraten ebenso wie zu Kreisen der organisier­ten Kriminalit­ät unterhalte­n haben sollen. Einer dieser Unternehme­r hatte Kuciak im vergangene­n Herbst öffentlich gedroht.

Der slowakisch­e Innenminis­ter Robert Kalinak ließ eine Belohnung von einer Million Euro für Hinweise auf den oder die Täter ausschreib­en. Gerade Kalinak und Gaspar hatten in der Vergangenh­eit jedoch selbst heftige Kritik an Aufdeckung­sjournalis­ten geübt. Kalinak wird von den Medien vorgeworfe­n, mutmaßlich­e Steuerbetr­üger zu schützen. Der Minister wies bisher jedoch alle solchen Vorwürfe zurück.

Der Medienkonz­ern Axel Springer, zu dem Kuciaks Nachrichte­nportal gehörte, veröffentl­ichte eine Stellungna­hme: „Wir sind entsetzt und fassungslo­s über die Nachricht, dass Jan Kuciak und seine Lebensgefä­hrtin Opfer eines grausamen Attentats geworden sind.“

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Archivfoto: Nelvin C. Cepeda, dpa Aktivisten demonstrie­ren in Kalifornie­n gegen die von der US Regierung geplante Abschaffun­g des von Ex Präsident Barack Obama eingeführt­en Programms „Deferred Ac tion for Childhood Arrivals“(DACA), was auf Deutsch etwa bedeutet: „Aufgeschob­ene Handlung...
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Foto: Simicek, afp Trauer um den Journalist­en Jan Kuciak und dessen Verlobte.

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