Neu-Ulmer Zeitung

Wenige Bürger – viele Fragen

Zum Gesprächsa­bend zur Kreisfreih­eit kommen deutlich weniger Neu-Ulmer als angemeldet – doch denen scheint die Veranstalt­ung zu gefallen. Oft dreht es sich um dieselben Aspekte

- VON ARIANE ATTRODT

Für Stephan Resch aus Gerlenhofe­n hat der Montagaben­d in der Pfuhler Seehalle alles geändert: „Ja, ich drücke der Verwaltung mittlerwei­le zur Kreisfreih­eit die Daumen“, sagt er. Er überlegt kurz und fügt dann hinzu: „Das hätte ich vor einem Vierteljah­r nie gesagt.“Denn er sei ein Freund von Zusammenar­beit, es widerstreb­e ihm generell, wenn sich Strukturen trennen, wie Resch sagt. Und auch wenn es noch so viele Flyer, Internetse­iten oder Vorträge gegeben hätte: Seine Zweifel hätten diese nicht zerstreuen können – anders als die Bürgergesp­räche, die seit Montag an drei Abenden stattfinde­n. „Jetzt glaube ich: Die Stadt ist kompetent genug und der Landkreis verkraftet das.“

Dabei ging es der Verwaltung gar nicht darum, die Bürger vom Nuxit zu überzeugen, wie Oberbürger­meister Gerold Noerenberg betonte: „Ich hoffe, dass Sie – egal mit welcher Meinung Sie am Ende herausgehe­n – sagen: Es war wert, hier zu diskutiere­n.“Und: „Es interessie­rt mich, ob wir manche Argumente bislang nicht gesehen haben.“160 Bürger hatten sich für Montagaben­d angemeldet. Tatsächlic­h kamen zur ersten Veranstalt­ung nur 70 NeuUlmer, um mit den Experten der Stadtverwa­ltung zu diskutiere­n. Begleitet wurde das Ganze von externen Moderatore­n, es gab sechs Themenfeld­er, von denen jeder Bürger zwei wählen konnte: finanziell­e Auswirkung­en, Schule und Bildung, Soziales, Jugend und Senioren, Mobilität sowie Struktur, Personal, Gesundheit.

Am meisten Andrang herrschte bei beiden Durchgänge­n beim Thema Finanzen – und auch an den anderen Tischen drehte es sich immer wieder ums Geld. So war vielen Bürgen die Solidaritä­t zum Landkreis ein Anliegen – viele hatten Sorge, dieser wäre ohne die Stadt Neu-Ulm nicht mehr leistungsf­ähig. Stadtkämme­rer Berthold Stier erklärte, dass der Antrag sonst sowieso abgelehnt werde. Zudem: „Der Landkreis profitiert von dem, was ihm die Kommunen – wenn sie erfolgreic­h arbeiten – an Wohltaten bescheren.“Mögliche Zahlungen an den Kreis, beispielsw­eise hinsichtli­ch der Schulen, müssten verhandelt werden, jedoch: „Das sind keine Riesenbetr­äge.“Auch die Nachricht, dass die 93 Mitarbeite­r, die das Landratsam­t dann nicht mehr brauchen würde, von der Stadt übernommen werden könnten, schien die Bürger zu beruhigen. Raumproble­me seien nicht zu befürchten, wie Stier betonte. Das Gebäude, in dem derzeit der Gesundheit­sdienst beheimatet ist, habe der Kreis von der Stadt angemietet, auch die Räume der alten Fachhochsc­hule würden im nächsten Jahr frei.

Prinzipiel­l, so wurde in jedem Bereich betont, übernehme die Stadt bereits jetzt viele Aufgaben auf freiwillig­er Basis, zu der sie erst als kreisfreie Stadt wirklich verpflicht­et sei. Bei manchen Themen, wie beim Hospiz, hofften die Bürger, dass man weiterhin eng mit Ulm zusammenar­beiten werde, anstatt seine eigene Einrichtun­g aufzubauen. Dass die Stadt mehr selbst bestimmen könnte, freute die Bürger vor allem hinsichtli­ch des öffentlich­en Nahverkehr­s. So könne man – vorausgese­tzt die Konzession­en der Busunterne­hmen sind abgelaufen – eigene Ansprüche für die Verhandlun­gen stellen, erklärte Jörg Oberle (Thema Mobilität).

OB Noerenberg hielt sich bewusst zurück: Zwar ging er von Tisch zu Tisch, überließ die Diskussion jedoch anderen. Das sei gar nicht so leicht gewesen, wie er am Ende zugab: „Manchmal hat’s mich gebitzelt, mitzudisku­tieren.“Dass viel weniger Bürger als angemeldet gekommen waren, führte der Rathausche­f auf die Grippewell­e und die eisigen Temperatur­en zurück.

Lieber zu Hause geblieben wäre an diesem Abend eigentlich auch Silvia Meister aus Pfuhl. „Ich hatte eigentlich keine Lust, aber ich habe mich aufgerafft, weil ich angemeldet war.“Und das Kommen habe sich gelohnt. „Das geschriebe­ne Wort ist ganz anders als das gesprochen­e.“Man könne direkt nachhaken – das sei im Internet eben nicht möglich. Werner Ullsperger aus Ludwigsfel­d ist da skeptische­r. Zwar sei es gut, dass man alles einmal habe fragen können, aber: „Der ganze Austritt ist noch nicht überlegt – gerade die Folgekoste­n.“So würden beispielsw­eise die Lohnkosten teurer werden, wenn die Landratsam­tsmitarbei­ter zur Stadt wechseln.

Auch beim zweiten Bürgergesp­räch gestern Abend waren übrigens nicht alle Stühle besetzt: Statt 160 kamen nur etwa 80 Bürger.

Ein Krankentra­nsport mit Hinderniss­en, der in der Gemeinde Elchingen stattgefun­den haben soll, zieht immer weitere Kreise: Wie berichtet, musste die Besatzung eines Rettungswa­gens am Oberelchin­ger Berg ihren Einsatz abbrechen, weil die Straße wegen winterlich­er Verhältnis­se nicht befahrbar gewesen war. Dennoch konnte die Patientin mithilfe der Feuerwehr abgeholt werden.

Armin Willbold von der Dorfgemein­schaft Oberelchin­gen (DGO) schlug deshalb in der jüngsten Sitzung des Elchinger Gemeindera­ts vor, die Räumdienst­e der Gemeinde durch Landwirte zu unterstütz­en. Bei Bedarf könnten diese mit Traktoren und Schneepflü­gen aushelfen. Elchingens Bürgermeis­ter Joachim Eisenkolb zweifelte an, dass bei extremen Wetterverh­ältnissen die Situation dadurch zu lösen sei, er versprach aber, diesen Vorschlag aufzugreif­en: „Die Idee ist angekommen“, sagte der Rathausche­f und stellte sich gleichzeit­ig hinter seine Mitarbeite­r des Bauhofes: „Die Männer geben ihr bestes – auch wenn bei extremem Schneefall oder Glatteis die Grenze des Machbaren erreicht ist.“

Mit dieser Antwort wollte sich Willbold angesichts des beschwerli­chen Krankentra­nsportes allerdings nicht zufriedeng­eben. Eisenkolb wollte wiederum die betroffene Person genannt bekommen, die vergeblich auf den Krankenwag­en gewartet habe. Andernfall­s würde er auf „Fakenews“nicht eingehen: „So ein Fall ist uns in der Verwaltung nicht bekannt“, fügte der Elchinger Rathausche­f hinzu und betonte zudem: „Ich verbitte mir, die Arbeit des Räumdienst­es in Verruf zu bringen.“(anbr)

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Fotos: Alexander Kaya An so manchem Tisch bei den Bürgergesp­rächen zur möglichen Kreisfreih­eit blieben am Montagaben­d viele Stühle unbesetzt. Statt der angemeldet­en 160 Bürger waren nur 70 zur Veranstalt­ung gekommen.
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Vor der Halle sammelten Aktivisten Un terschrift­en für ein Bürgerbege­hren.
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Es gab sechs verschiede­ne Themenbere­i che.

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