Die Wut der Tafel Ehrenamtlichen
Nachdem die Essener Organisation vorübergehend keine Migranten mehr aufnimmt, hagelt es Kritik von vielen Seiten. Der bayerische Tafel-Chef erklärt, weshalb er sich über die aktuelle Debatte maßlos ärgert
Allein bis zum Nachmittag 27 verpasste Anrufe. „Mir geht das alles auf die Nerven“, sagt Reiner Haupka, Vorsitzender des bayerischen Landesverbands der Tafel. Seit der Entscheidung der Essener Tafel, vorübergehend keine neuen Migranten mehr aufzunehmen, steht sein Telefon nicht mehr still. Und seither muss Haupka Stellung beziehen. Zur Entscheidung aus Essen, zu Reaktionen von Politikern, zur Arbeit der Tafel. „Dabei geht die Diskussion doch völlig am eigentlichen Thema vorbei“, sagt Haupka. Der Ruf der gesamten Tafel leide unter der Diskussion. Einige Freiwillige seien bereits abgesprungen.
Die Entscheidung seines Essener Kollegen sieht auch Haupka kritisch. „Das hätte man sicher eleganter machen können.“Doch dieser Mann helfe – wie tausende andere Ehrenamtliche bei der Tafel – seit vielen Jahren, das Leben bedürftiger Menschen besser zu machen. Wie sich zuletzt auch noch die Bundeskanzlerin mit Kritik in der Debatte zu Wort meldete, regt Haupka gewaltig auf. Schließlich trage seiner Meinung nach auch die Kanzlerin die Verantwortung, dass überhaupt so viele Menschen auf die Hilfe der Tafel angewiesen sind.
Dass sein Essener Kollege überhaupt einen vorübergehenden Aufnahmestopp ausrief, sei ein Zeichen dafür, dass die Lage vielerorts angespannt ist, sagt Reiner Haupka. Denn Bedürftige gibt es in vielen Bevölkerungsgruppen. Nicht nur Flüchtlinge, auch Alleinerziehende oder Menschen mit geringer Rente seien froh über das Angebot der ehrenamtlichen Organisation Tafel. Das Problem der steigenden Armut ist für Haupka „hausgemacht“. Um wirklich etwas an der Situation vor Ort zu ändern, müsse die Politik Änderungen schaffen. Das Rentenniveau sei beispielsweise viel zu niedrig. Mit einer durchschnittlichen Rente komme man in Großstädten wie München oder Augsburg kaum noch über die Runden, meint der Ehrenamtliche. Doch nicht nur die Politik sei gefragt. Statt der andauernden Kritik an der Tafel wünscht Haupka sich mehr Verständnis für die Arbeit Ehrenamtlicher. Davon gebe es nämlich deutlich zu wenige. „Wir suchen Fahrer, Manager oder Menschen in der Ausgabe“, sagt Haupka. Dort könne man das Problem tatsächlich bekämpfen.
Die Bundeskanzlerin bezeichnete den Aufnahmestopp als „nicht gut“. Regierungssprecher Steffen Seibert bemühte sich nach Merkels kritischen Worten in einem RTL-Interview um Ausgleich. Er erinnerte daran, dass die Kanzlerin auch von dem Druck gesprochen habe, mit dem die Tafeln umgehen müssten. Die Politik könne Hilfe anbieten. Es sei aber klar, dass allein die Verantwortlichen vor Ort die Entscheidungen träfen, sagte Seibert. Merkel habe sich mit dem Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) in Verbindung gesetzt. Sie begrüße den Beschluss, dass an einem Runden Tisch über das weitere Vorgehen beraten werden soll. Seibert bekräftigte aber auch den Standpunkt der geschäftsführenden Regierungschefin: „Bedürftigkeit ist Bedürftigkeit.