Unbedingt notwendig
Schon jetzt füllen die Berichte über das Versagen deutscher Behörden im Fall Anis Amri Bände. Wie es sein konnte, dass der längst als islamistischer Gefährder und Serienverbrecher bekannte Tunesier ungehindert sein verheerendes Attentat auf den Berliner Weihnachtsmarkt verüben konnte, das haben bereits mehrere Gremien zu klären versucht. Jetzt also noch ein Untersuchungsausschuss des Bundestages, der wesentlich weitreichendere Befugnisse hat – braucht es den wirklich? Die Antwort lautet: unbedingt. So wichtig die bisherigen Aufklärungsbemühungen waren, in ihnen spiegelt sich auch das Klein-Klein bei den Sicherheitsorganen wider, das zur riesengroßen Katastrophe geführt hat. Es reicht nicht, zu wissen, welche Behörde in Nordrhein-Westfalen oder Berlin wann versagt hat. Es muss jetzt endlich darum gehen, klar zu benennen, wo und warum das Zusammenspiel der rund 40 am Fall Amri beteiligten staatlichen Stellen nicht funktionierte. Nur ein Untersuchungsausschuss des Bundestags hat das nötige Gewicht für eine schonungslose Bestandsaufnahme der deutschen Sicherheitspolitik. warnt Mayer – wohl nicht ohne Grund. Armin Schuster (CDU), der den Ausschuss leiten wird, befürchtet, dass die AfD den Ausschuss als Plattform für eine Generalabrechnung mit der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung missbrauchen wird. Dies werde er nicht zulassen, sagte Schuster, das Gremium sei kein Ort für „dumpfe Parolen“.
Der Ausschuss, der heute vom Bundestag eingesetzt werden und am Abend seine Arbeit aufnehmen soll, werde sich gleich zu Beginn mit Überlebenden des Anschlags und Angehörigen der Todesopfer treffen, so Schuster – zusammen mit Kurt Beck, dem Opferbeauftragten der Bundesregierung. Denn das Gremium solle sich auch damit beschäftigen, was im Umgang mit Opfern verbessert werden kann. „Wer ein Herz im Körper hat, kann sich einer Reaktion nicht verschließen“, sagt Schuster – dies habe er im Untersuchungsausschuss zur TerrorSerie des NSU-Trios erlebt. Ab Mitte März sollen dann drei Sachverständige, darunter ein Islamismus-Experte, in das Thema einführen. Anschließend sollen die Zeugenvernehmungen beginnen. Der Ausschuss hat eine Mammutaufgabe vor sich – bereits jetzt zeichnet sich ab, dass seine Arbeit wohl die gesamte Legislaturperiode in Anspruch nehmen wird.