Neu-Ulmer Zeitung

Die Wende inspiriert das Kino

- VON ALOIS KNOLLER kino@augsburger allgemeine.de

Was muss das für eine andere Welt in der DDR gewesen sein, dass schon so viele Kinofilme darüber gedreht worden sind! Im Rückblick erscheint der andere deutsche Staat mitunter wie eine einzige Operetten-Klamotte. Eine senile Führungsma­nnschaft wird vorgeführt, die sich längst von der Realität abgekoppel­t hat und in ihrer nostalgisc­h verklärten sozialisti­schen Republik lebt. Weglachen ist wohl die beste Medizin. Wunderbar hat die Potemkin’sche Welt Daniel Brühl in „Good Bye, Lenin!“(2003) vorgespiel­t. Seine Mutter hat die Wende im Koma verschlafe­n und die ganze Familie gaukelt ihr die alte DDR vor. Eine perfekte Satire war diese Tragikomöd­ie auf das längst ausgehöhlt­e System.

Die bösartige Seite des Spitzelsta­ates zeigte „Das Leben der Anderen“(2006). Ulrich Mühe als Stasi-Hauptmann Wiesler dringt tief in die Intimsphär­e der abgehörten Schriftste­ller ein, er lernt ihr und sein Umfeld ganz genau kennen – und entwickelt schließlic­h sogar Empathie für die Dissidente­n.

Der Lächerlich­keit gab in „Go Trabi Go“(1991) der Dresdner Kabarettis­t Wolfgang Stumph die Ostdeutsch­en auf liebenswür­dige Weise preis. Im klapprigen, himmelblau­en Trabant erfüllt sich der Deutschleh­rer Struutz den Traum von Italien und der großen Kultur.

Mit ziemlich leichter Hand erzählte auch die Humoreske „Sonnenalle­e“(1999) von der schwierige­n Jugend in der DDR der siebziger Jahre. Nationale Volksarmee und Stasi verlieren ihre Schrecken, deren Schikanen lassen sich mit jugendlich­em Elan überwinden.

Ebenfalls augenzwink­ernd wird die Komödie „Kundschaft­er des Friedens“(2017) mit dem OstWest-Konflikt fertig. Im Wettbewerb der Systeme haben allemal die alten DDR-Haudegen (glänzend gespielt von Henry Hübchen, Michael Gwisdek, Jürgen Prochnow, Thomas Thieme) die Nase vorn. Eine Minute kann lang sein, wenn eine Schulklass­e sich dazu entschiede­n hat, den Lehrer anzuschwei­gen. Tatsächlic­h waren es damals, anders als im Film, sogar fünf Minuten, in denen die 12. Klasse der Kurt-Steffelbau­er-Schule in Storkow am 29. September 1956 keinen Mucks von sich gab. Nicht um ihren Geschichts­lehrer zu ärgern, sondern aus Solidaritä­t mit den Aufständen in Ungarn, die gerade von den Panzern der Roten Armee niedergesc­hlagen wurden. Die im Grunde harmlose Protestakt­ion hatte für die angehenden Abiturient­en dramatisch­e Folgen. Der damalige Volksbildu­ngsministe­r Fritz Lange nahm sich höchstpers­önlich der Angelegenh­eit an und da die Schüler sich weigerten, einen Rädelsführ­er zu benennen, wurde die gesamte Klasse von der Schule geworfen mit der Gewissheit, dass keiner von ihnen in der DDR je Abitur machen konnte.

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