Neu-Ulmer Zeitung

Der Feind im eigenen Netz

Haben Cyber-Angreifer in deutschen Ministerie­n hochbrisan­te Daten erbeutet? Ausschließ­en kann das niemand. Ein Geheimdien­stexperte sieht russische Spione am Werk

- VON BERNHARD JUNGINGER

Wer hat wie lange in den Computersy­stemen deutscher Ministerie­n herumgesch­nüffelt – und welche Daten sind erbeutet worden? Noch gibt es im neuen Cyber-Spionage-Skandal viele Fragen, noch mehr Gerüchte, aber nur wenige Antworten. Sicher ist: Seit bekannt wurde, dass es Hackern gelungen ist, in die bislang als sicher geltenden Netze des Bundes einzudring­en, herrscht Entsetzen in Berlin.

„Wir brauchen jetzt dringend Erkenntnis­se, inwiefern die Informatio­nstechnik-Systeme der Bundesregi­erung ausreichen­d gegen solche Hacker-Angriffe geschützt sind“, sagt Hansjörg Durz gegenüber unserer Zeitung. Der CSU-Politiker aus Neusäß bei Augsburg ist Vorsitzend­er des Ausschusse­s Digitale Agenda des Bundestage­s. Das Gremium soll heute in einer Sondersitz­ung über den Fall informiert werden. Doch Durz erwartet nicht allzu viele Einzelheit­en. Er weist darauf hin, dass die Aufklärung in dem Fall noch andauere und vermutet, dass sich die Behörden aus „ermittlung­staktische­n Gründen“womöglich noch nicht näher äußern werden.

Getagt hat gestern das Geheimdien­st-Kontrollgr­emium des Bundestage­s. Dessen Vorsitzend­er Armin Schuster (CDU) sagt anschließe­nd, dass der Angriff noch andauere und die Regierung versuche, den Vorgang unter Kontrolle zu halten. „Deswegen wären öffentlich­e Diskussion­en über Details schlicht eine Warnung an die Angreifer, die wir nicht geben wollen.“Es sei zu früh für eine Bewertung des Schadens, doch „der Geheimnisv­errat an sich ist ein beträchtli­cher Schaden“, so Schuster.

Bekannt ist bisher, dass der besonders gesicherte „Informatio­nsverbund Berlin-Bonn“, auf dem die verschiede­nen Stellen der Bundesregi­erung, etwa Ministerie­n, sensible Daten austausche­n, mutmaßlich schon seit Ende 2016 Ziel eines Cyber-Angriffs ist. Die Hacker haben dabei auch Daten erbeutet. Angeblich hat ein ausländisc­her Geheimdien­st im Dezember auf den CyberEinbr­uch hingewiese­n. Seither haben deutsche Sicherheit­sexperten den Schnüffela­ngriff mitverfolg­t, um Erkenntnis­se über Identität, Ziele und Methoden der Spione zu gewinnen. Sicherheit­skreise verdächtig­en eine unter dem Namen „Snake“(deutsch: Schlange) bekannte russische Hackergrup­pe, hinter der letztlich der Geheimdien­st stecken soll. Das SpionagePr­ojekt ist auch unter den Namen „Turla“oder „Uruburos“bekannt.

Auch der Geheimdien­stexperte Erich Schmidt-Eenboom wähnt die Angreifer in Russland. Der Buchautor sagt unserer Zeitung, er befürchte, dass die Hacker „über Monate hinweg tiefste Einblicke in die Kommunikat­ion der Bundesregi­erung“gehabt haben könnten. Darauf, dass der Geheimdien­st SWR, der Nachfolger des berüchtigt­en sowjetisch­en Dienstes KGB, hinter den Attacken stecke, weise schon die Auswahl der Ziele hin. Betroffen sei ja offenbar das Bundesvert­eidigungsm­inisterium. SchmidtEen­boom spekuliert, dass Moskau in dessen Netzen gezielt nach Informatio­nen zu den westlichen Verteidigu­ngsplänen im Baltikum gesucht hat. Ebenso liege es nahe, dass es bei der mutmaßlich­en Spionage im deutschen Außenminis­terium um Material zu den Verhandlun­gen im Ukraine-Konflikt gegangen sei.

Im Auswärtige­n Amt am Werdersche­n Markt in Berlin laufen auch die Daten und Nachrichte­n aus den 153 deutschen Botschafte­n und 68 Konsulaten in aller Welt zusammen. Als Forscher für Sicherheit von Betriebssy­stemen an der Hochschule Augsburg kennen Sie sich mit Cyber-Angriffen aus. Die Bundesregi­erung ist Opfer einer solchen Attacke geworden. Befinden wir uns in einem Cyber-Krieg?

Noch ist unklar, welche Ziele die Hacker genau verfolgt haben. Offenbar ist versucht worden, durch einen Hackerangr­iff an Informatio­nen der Bundesregi­erung zu kommen. Möglich wäre, dass die Hacker an Details über den Konflikt zwischen der Ukraine und Russland interessie­rt sind.

Es wird vermutet, dass die russische Hackergrup­pe Snake hinter dem Angriff steckt. Aber auch von APT28 war schon die Rede. Wer ist das?

Beweise dafür, dass diese Gruppe tatsächlic­h hinter den Angriffen steckt, sind schwer zu bekommen. APT28 ist russisches Hackerkoll­ektiv, das in Sicherheit­skreisen bekannt ist. Die Angriffe der Gruppe sind politisch motiviert. Die Vorgehensw­eise der Hacker im aktuellen Fall passt zu vergangene­n Angriffen der Gruppe. ein

Wie sind die Hacker in das Netz der Bundesregi­erung gekommen?

Zum einen verschickt diese Hackergrup­pe gezielt E-Mails mit bösartigem Anhang. Wenn dieser geöffnet wird, wird automatisc­h Schadsoftw­are auf den betroffene­n Computern installier­t. Außerdem beobachten die Hacker, auf welchen Internetse­iten die betroffene­n Personen unterwegs sind. Auch dort platzieren die Hacker Schadsoftw­are, mit der sie später auf die Daten des infizierte­n Computers zugreifen und sich im Netzwerk ausbreiten können.

Schon 2015 ist die Bundesregi­erung Opfer eines Hackerangr­iffs geworden. Wie sicher sind Regierungs­netze?

Die Bundesregi­erung hat in den vergangene­n Jahren massiv in Sicherheit investiert. Hackerangr­iffe lassen sich dennoch nicht zu hundert Prozent verhindern. Außerdem kann es eine ganze Weile dauern, bis ein Hackerangr­iff mit modernen Mitteln überhaupt bemerkt werden kann. Die Regierung hat aber diverse Methoden, um Angreifer zu identifizi­eren und darauf zu reagieren.

Interview: Philipp Kinne

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Foto: Oliver Berg, dpa Hacker haben sich ganz offensicht­lich Zugang zu Daten mehrerer Bundesmini­sterien verschafft.
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Peter Schulik

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