Ausländerhass? Was der Fall Essen lehrt
Die Tafel verhängt einen Aufnahmestopp und erntet einen Sturm der Empörung. Der Streit um die Verteilung von Lebensmitteln für Bedürftige zeigt das ganze Konfliktpotenzial der Einwanderungspolitik
Angela Merkel neigt bekanntlich nicht zu überstürzten Urteilen. Im bundesweit aufsehenerregenden Fall der Essener Tafel jedoch hat die Kanzlerin sehr rasch und unmissverständlich öffentlich Position bezogen. Der vorübergehend beschlossene Aufnahmestopp für Ausländer und Flüchtlinge sei „nicht gut“, befand Merkel – und befeuerte damit die von Politikern und Sozialverbänden geäußerte Kritik an der Tafel und deren Vorsitzendem Jörg Sartor.
Nach Gesprächen mit Essener Kommunalpolitikern ist die Kanzlerin inzwischen ein bisschen zurückgerudert. Sie will sich jetzt vor Ort ein „realistisches Bild“von der Lage machen, ließ ihr Sprecher Seibert verlauten. Gut so. Besser wäre gewesen, die Kanzlerin hätte sich erst dieses „realistische Bild“verschafft und dann geurteilt. Das gilt insbesondere auch für jene Politiker aus dem rot-rot-grünen Spektrum, die im Beschluss der Essener Tafel umgehend einen exemplarischen Fall von „Ausländerhass“(SPD-Ge- sundheitsexperte Karl Lauterbach) und Flüchtlings-Ausgrenzung erkannten oder – wie die SPD-Familienministerin Barley – flugs behaupteten, der Ausschluss von Menschen von der Tafel befördere „Vorurteile“gegen Flüchtlinge. Noch viel schriller fiel natürlich der prompt einsetzende Shitstorm in den sogenannten sozialen Netzwerken aus, in denen ein sozial hoch engagierter Mann wie Sartor als Rassist und Nazi beschimpft wurde. Die Empörungsmaschine im Internet kommt heutzutage rasch auf Touren und kennt keine Differenzierungen. Umso wichtiger ist, dass sich hochrangige Politiker und Verbandsvertreter mit raschen Urteilen zurückhalten und auch jene Fakten zur Kenntnis nehmen, die nicht in ihr vorgefertigtes Meinungsbild passen.
Die Essener Tafel betreut rund 6000 Bedürftige und verteilt, wie die anderen 929 Tafeln im Lande auch, Lebensmittel, die ansonsten vernichtet würden. Der Andrang ist groß, das verfügbare Angebot begrenzt. Drei Viertel der in Essen registrierten Hilfsempfänger sind Ausländer und Flüchtlinge. Der Aufnahmestopp ist erfolgt, weil einheimische Bedürftige – alleinerziehende Mütter, Rentnerinnen – von der ausländischen Klientel in den Warteschlangen teils bedrängt und weggeschubst wurden und zunehmend leer ausgingen. Natürlich sind die Leistungen der Tafel nicht an die Herkunft, sondern an die Bedürftigkeit und deren Nachweis geknüpft. So besehen mag der formelle Beschluss der Tafel und dessen Umsetzung falsch sein. Und wahrscheinlich finden sich in Essen Mittel und Wege, um – wie in anderen Städten auch – die Konfrontation zwischen Bedürftigen zu vermeiden. Aber was hat es mit „Ausländerhass“oder rechtsextremer Gesinnung zu tun, wenn die Verantwortlichen einer wohltätigen Initiative darauf achten, dass auch bedürftige Menschen mit deutschem Pass an verbilligte oder kostenlose Lebensmittel herankommen? Worin sollte die angebliche „Ausgrenzung“von Flüchtlingen
In drei Wochen bis zum 20. März kann noch viel passieren. So viel Zeit hat Polen noch, um die Vorwürfe gegen seine umstrittene Justizreform zu entkräften. Was dann kommt, ist unklar. Nach der EU-Kommission hat sich am Donnerstag auch das Europäische Parlament in Brüssel für Sanktionen ausgesprochen.
Aushöhlung des Rechtsstaates, Unterwerfung der Justiz unter das Diktat der Regierung – die Vorwürfe, die die EU-Abgeordneten in ihrem Beschluss zusammengetragen haben, wiegen schwer. Da Warschau sich uneinsichtig gezeigt habe, forderte das Plenum nunmehr die Aktivierung des Artikels 7, wegen seiner dramatischen Folgen martialisch „nukleare Option“genannt. Sollte es dazu kommen, würde Polen in den wichtigen Ministerräten der Gemeinschaft sein Stimmrecht verlieren. Der Druck der EU hat offenbar Bewegung in die Sache gebracht. Deutschland und Frankreich stellten sich an die Spitze derer, die ein scharfes Vorgehen gegen das Ost-Mitglied befürworteten. und Ausländern bestehen, wenn 75 Prozent (!) der Betreuten aus dieser Gruppe kommen und dieser – gemessen an der Zahl deutscher Hilfsbedürftiger – extrem hohe Anteil ja allenfalls leicht reduziert werden soll. Wie kann eine SPD-Staatssekretärin angesichts dieser Fakten davon reden, es solle in Essen offenbar nur noch „Essen für Deutsche“geben?
Ein Mann wie Sartor – und mit ihm zehntausende andere ehrenamtliche Helfer – leisten großartige Arbeit. Er braucht keine moralischen Belehrungen von Politikern, sondern Hilfe bei der Lösung eines Problems, das sich mit wohlfeil klingenden Formeln nicht wegreden lässt. Er hat es ganz unmittelbar mit Realitäten zu tun, die infolge der Flüchtlingspolitik Merkels auftreten – und von der Politik noch immer nicht hinreichend zur Kenntnis genommen werden. Die eigentliche Brisanz des Essener Falls liegt ja darin, dass hier wie in einem Brennglas der drohende soziale Großkonflikt um die faire und gerechte Verteilung von Ressourcen aufscheint. Die Massenzuwanderung verschärft nicht nur den Konkurrenzkampf um preisgünstige Wohnungen und Jobs, sondern auch um soziale Leistungen. Insofern zeugt Essen an einem anschaulichen Beispiel von dem gesellschaftlichen Konfliktpotenzial, Außenamts-Staatssekretär Michael Roth (SPD) bestätigte zwar ausdrücklich, dass es Signale der Dialogbereitschaft gegeben habe. „Aber am Ende zählen ja keine Versprechen, am Ende zählen Taten.“
Mit dem gestrigen Beschluss des Europäischen Parlamentes wurde gleichsam der vorletzte Schritt auf dem Weg zu einer Abstrafung Polens gegangen. Nun müssten die Minister der Mitgliedstaaten eine schwerwiegende Verletzung der Rechtsstaatlichkeit feststellen. Dafür reicht eine Mehrheit von vier Fünfteln. Anschließend könnten die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfel Ende des Monats die Strafe in Kraft setzen. Dafür ist Einstimmigkeit nötig, die es nicht geben dürfte. Denn Ungarn und die Slowakei haben bereits angekündigt, den Beschluss nicht mitzutragen. Polen käme, so scheint es derzeit, mit einem blauen Auge davon, wäre aber dennoch vor der Weltöffentlichkeit bis auf die Knochen blamiert. So weit will Premier Morawiecki es aber offenbar nicht kommen lassen. In der noch verbleibenden Zeit wolle man einen guten Kompromiss finden, erklärte er.