Neu-Ulmer Zeitung

Manege frei: Tiere, Trauer, Transparen­te

Europas größter Zirkus steht vor einem Neuanfang. Die neue Chefin erklärt, wie die Zukunft aussehen soll und warum sie trotz Protest weiterhin auf wilde Tiere setzt

- VON MICHAEL BÖHM

Sie ist überall. Auf den alten Bildern an den Wänden in dem europaweit einmaligen Zirkusgebä­ude mitten in München. Auf den Plakaten in der ganzen Stadt. In den Köpfen ihrer Familie, vieler Besucher und vor allem ihrer einstigen Kollegen. „Frau Christel“wurde sie von vielen genannt, ehrfürchti­g und liebevoll zugleich. Im Juni des vergangene­n Jahres starb Christel Sembach-Krone mit 81 Jahren. „Sie ist immer noch präsent. Jeden Tag und überall“, sagt Jana Lacey-Krone – ihre Adoptivtoc­hter und Nachfolger­in als Chefin von Europas größtem Zirkus.

Diese Woche begann der dritte und letzte Teil des Winterprog­ramms, der ganz im Zeichen der Erinnerung an die „Grande Dame“des Circus Krone steht. „Christel Sembach-Krones Lieblinge“heißt er und die Zuschauer bekommen das zu sehen, was sie seit jeher erwarten: Clowns, Artisten und Tiere – tanzende Pferde, auf dem Rüssel stehende Elefanten und Männchen machende Löwen. Und draußen vor den Toren des einzigen festen Zirkus-Winterbaus in Europa stehen Demonstran­ten. Mit Plüsch-Löwen in Käfigen und Transparen­ten, auf denen Bilder von Tigern und Sätze wie „Wir sind keine Entertaine­r“zu sehen sind. Seit Jahren führen Tierschütz­er einen erbitterte­n und regelmäßig juristisch­en Kampf gegen den Circus Krone.

Jana Lacey-Krone ist mit all diesen Facetten des Zirkus-Lebens groß geworden. Als Tochter eines zirkusbege­isterten Schweizer Ehepaars – ihr Vater organisier­te lange Zeit das internatio­nale Festival von Monte Carlo – wuchs sie quasi im Circus Krone auf, bei dem ihre leibliche Mutter angestellt war. Im Alter von drei Jahren trat sie das erste Mal in der Manege auf – mit einem Shetland-Pony. Nach und nach baute Christel Sembach-Krone sie als ihre Nachfolger­in auf: in der Arbeit mit den großen Pferden genauso wie als Direktorin eines Unternehme­ns mit bis zu 250 Angestellt­en. Vergangene­n Sommer war es dann plötzlich so weit: Mit einem Schlag fiel die gesamte Verantwort­ung des Traditions­betriebes in die Hände der heute 38-Jährigen und ihres Mannes Martin Lacey Jr., seines Zeichens preisgekrö­nter Raubtierdo­mpteur.

„Das war hart und ist es manchmal immer noch“, gibt das Ehepaar zu. Früher hatte „MaPa“– so nennt Jana Lacey-Krone die Frau, die sie 2001 adoptiert hat („Sie war wie eine zweite Mutter für mich“) – stets das letzte Wort. Heute muss sie sämtliche Entscheidu­ngen treffen. Und den Weg des Zirkus in die Zukunft ebnen. Wie diese aussehen soll? „Für uns gehören Tiere zum Zirkus dazu“, macht Lacey-Krone klar. Ihr Mann erklärt, dass es den Tieren im Circus Krone gut gehe, sie artgerecht gehalten würden, nichts tun müssten, was sie nicht wollen: „Wir lieben unsere Tiere.“Jeder, der Zweifel daran habe, könne sich davon selbst überzeugen, das Gespräch suchen und einen Blick hinter die Kulissen wagen: „Wir wollen transparen­t sein. Was uns ärgert, ist unfaire Kritik, die mit der Realität nichts zu tun hat.“

Ja, auch ihre Tiere lebten „in menschlich­er Obhut“, betont das Zirkus-Ehepaar, das Wort Gefangensc­haft vermeiden die beiden. Tiere im Zoo und Haustiere in Fa- milien würden das allerdings genau- so. „Wenn man über die Haltung von Tieren spricht, muss man über alles sprechen und nicht nur über den Zirkus“, sagt Lacey-Krone.

So werden die Besucher im Circus Krone, von denen es jedes Jahr wieder mehr als eine Million gibt, also auch in Zukunft neben Clowns und Artisten tanzende Pferde, auf dem Rüssel stehende Elfenanten und Männchen machende Löwen zu sehen bekommen. Aber pünktlich zur 100. Wintersais­on im kommenden Jahr, der ersten unter der neuen Chefin, soll es auch viele Neuerungen geben. Schließlic­h werde es immer schwierige­r, die Menschen in einer von Unterhaltu­ng überflutet­en Welt für den klassische­n Zirkus zu begeistern. „Das Einfachste wäre es, so weiterzuma­chen wie bisher. Aber der Circus Krone hat sich in den 105 Jahren seit seiner Gründung immer wieder neu erfunden – daher wollen auch wir mutig sein“, erklärt Jana Lacey-Krone.

Aktuell werde am neuen Programm gebastelt. Dieses werde voraussich­tlich etwas kürzer sein als die bislang üblichen drei Stunden. „Die Menschen haben nicht mehr so viel Zeit wie früher, Kinder werden schneller ungeduldig“, sagt die Mutter eines zehnjährig­en Sohnes. Zudem soll die Show künftig „mehr Emotionen“transporti­eren und mit moderner Licht- und Tontechnik in Szene gesetzt werden. Vor allem aber soll sie „unsere Liebe zu den Tieren“deutlich machen, sagen Jana Lacey-Krone und ihr Mann Martin, der bei seinen Auftritten gerne mit Löwen kuschelt.

Draußen vor der Tür heben die Demonstran­ten derweil ihre Schilder weiter in die Höhe: „Tiere raus aus dem Zirkus“ist darauf zu lesen.

Über viele Jahre war Heinrich F. (Name geändert) ein fleißiger Waldarbeit­er. Dann forderte die anstrengen­de körperlich­e Arbeit ihren Tribut. Rückenbesc­hwerden stellten sich ein und auch die Knie schmerzten derart, dass er nicht mehr arbeiten konnte. Eine Diabeteser­krankung kam hinzu. Auch plagen ihn Depression­en. Für Heinrich F. war das der Beginn einer ganz schweren Zeit. Er trat vorzeitig seinen Ruhestand an und lebt seither von äußerst kargen Mitteln. Wegen Eigenbedar­f verlor der 62-Jährige auch noch seine Wohnung. Mithilfe der Caritas hat er einen Platz in einem betreuten Wohnheim gefunden. Für den Umzug spart er 30 Euro im Monat. Für dringend benötigte Winterschu­he, eine Winterjack­e und eine neue Hose fehlte ihm das Geld. Hier sprang die Kartei der Not in die Bresche. (jsto)

Möchten auch Sie Menschen unterstütz­en? Die Spendenkon­ten der Kartei der Not sind: ● IBAN: DE54 7205 0101 0000 0070 70 BIC: BYLADEM1AU­G ● IBAN DE97 7205 0000 0000 0020 30 BIC: AUGSDE77XX­X ● IBAN: DE33 7335 0000 0000 0044 40 BIC: BYLADEM1AL­GP ● IBAN: DE42 7209 0500 0000 5555 55 BIC: GENODEF1S0­3

In zwei Jahren werden die ersten Biomassean­lagen in Deutschlan­d aus der Förderung durch das Erneuerbar­e-Energien-Gesetz (EEG) herausfall­en. Die Energieerz­euger bekommen dann keine Einspeisev­ergütung mehr für ihren produziert­en Strom. Das muss aber nicht sein. Darauf wiesen gestern Experten der Industrie- und Handelskam­mern Schwaben, Ulm und Bodensee-Oberschwab­en sowie des Fachverban­ds Biogas bei einer Informatio­nsveransta­ltung in Leipheim (Kreis Günzburg) hin. Durch eine Teilnahme an Ausschreib­ungen kann der Förderzeit­raum selbst bei Bestandsan­lagen um zehn Jahre verlängert werden. Das geänderte EEG aus dem Jahr 2017 sieht dies vor.

Ziel des Gesetzgebe­rs ist es unter anderem, mehr Wettbewerb in dem lukrativen Energiemar­kt zu ermögliche­n und die Ausbaukapa­zitäten der regenerati­ven Energien besser steuern zu können als in der Vergangenh­eit. Nach Zahlen der Staatsregi­erung aus dem Jahr 2016 gibt es im Freistaat mehr als 4200 Biomassean­lagen, davon stehen 820 in Schwaben. Einer der Schwerpunk­te ist der Kreis Donau-Ries. Bei der Bruttostro­merzeugung unter den erneuerbar­en Energieträ­gern entfällt auf die Biomasse in Bayern etwa ein Viertel (24,7 Prozent). Im Vergleich dazu liegt die Photovolta­ik um rund sechs Prozentpun­kte höher. Ihr Nachteil aber ist, dass die Produktion­smenge von der aktuellen Wetterlage abhängt. Dagegen fällt Biomasse ständig an. Unabhängig von Wind und Sonne wird grundlastf­ähiger Strom erzeugt. Außerdem entdeckt die IHK damit auch ein Feld mit potenziell­en neuen Kammermitg­liedern – Bauern.

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Foto: Tobias Hase, dpa Jana Lacey Krone ist seit einigen Monaten die neue Frau an der Spitze des Circus Krone. Derzeit arbeitet sie am neuen Winter programm – dem ersten unter ihrer Leitung.
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Foto: Frank Mächler, dpa Die langjährig­e Krone Chefin Christel Sembach Krone starb am 20. Juni 2017 im Al ter von 81 Jahren.
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Foto: M Böhm Stammgäste vor dem Zirkus: demons trierende Tierschütz­er.

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