Neu-Ulmer Zeitung

Spätes Glück

Vor acht Jahren gewann der Kugelstoße­r Ralf Bartels WM-Bronze. Heute wird daraus Silber. Ein Gespräch über dopende Konkurrent­en, Genugtuung und Wiedergutm­achung

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Bei Nachkontro­llen werden Dopingsünd­er auch noch Jahre später entlarvt. Wie finden Sie es, dass die um Medaillen betrogenen Sportler nachträgli­ch geehrt werden?

Ich finde das gut. Das ist ja das, was man ganz ehrlich erreicht hat. Dass das dann in dieser Form noch einmal gewürdigt wird, finde ich richtig gut.

Bei der Hallen-WM in Doha 2010 gewann der Weißrusse Andrej Michnewits­ch Silber, Sie Bronze. Michnewits­ch wurde 2013 lebenslang gesperrt. Seit wann wissen Sie, dass Sie WMSilber nachträgli­ch überreicht bekommen?

Ich habe ja vor drei Jahren schon EM-Silber aus Barcelona 2010 nachgereic­ht bekommen. Auch da war Andrej Michnewits­ch vor mir. Der europäisch­e Verband ist da ein bisschen schneller. Damals stand schon fest, dass ich auch WM-Silber noch bekomme. Der Weltverban­d IAAF hat sich nur ein bisschen mehr Zeit gelassen, dafür einen würdigen Rahmen zu finden. Wie ist dann der Ablauf heute?

Ich fliege in der Früh nach Birmingham. Die Ehrung findet am Nachmittag statt. Mit Nationalhy­mne und Flagge.

Verspüren Sie Genugtuung oder Ärger darüber, dass Sie damals um Silber betrogen worden sind?

Ich hatte ja den riesengroß­en Vorteil, dass ich damals eh schon auf dem Treppchen gestanden bin. Sportler, denen das verwehrt geblieben ist, gehen das gefühlsmäß­ig sicher ein bisschen anders an. Ich spüre aber schon eine gewisse Genugtuung. Und Freude darüber, dass man unter fairen Bedingunge­n eine Leistung gebracht hat, die zu Silber gereicht hat. Das wird jetzt honoriert.

Müssen Sie eigentlich Ihre Bronzemeda­ille mitnehmen und dann gegen Silber tauschen?

Ich habe das tatsächlic­h gefragt. Aber mein Ansprechpa­rtner beim Deutschen Leichtathl­etikVerban­d wusste das auch nicht so genau. Ich nehme sie vorsichtsh­alber mal mit. Normalerwe­ise ist es ja so, dass man die alte Medaille abgibt und dafür dann die neue bekommt.

Was ist Ihnen von der WM damals vor allem in Erinnerung geblieben?

Die Freude. Und dass wir danach ein bisschen feiern konnten. David Storl hatte damals seine ersten Schritte im Erwachsene­nbereich gemacht. Weil die WM in Doha war, war es nicht ganz so einfach, mal ein zu trinken. Der Wettkampf selbst war spannend, das Feld war richtig stark. Und ich habe damals mit 21,44 Metern meine Lebensbest­leistung aufgestell­t. Ich habe nie weiter gestoßen. Bei der Siegerehru­ng danach gratuliert man sich ja höflich. Wie erinnern Sie sich daran?

Michnewits­ch war ja 2001 schon einmal auffällig gewesen, deshalb hatte das alles einen eher faden Beigeschma­ck. Wir sind aber profession­ell miteinande­r umgegangen, haben uns auf dem Treppchen gratuliert und das war’s. Mit dem Amerikaner Christian Cantwell, der da- mals gewonnen hat, wäre ich eher ein Bier trinken gegangen als mit dem Herrn Michnewits­ch. Jetzt findet in Birmingham wieder eine Hallen-Weltmeiste­rschaft statt. Wie gefällt Ihnen dieser Rahmen für Ihre Ehrung?

Ich muss ehrlich sagen, dass es mich sehr überrascht hat, dass es in diesem Rahmen stattfinde­t. Die EM-Medaille gab es damals am Rande einer Jugendmeis­terschaft. Dass mich der Weltverban­d jetzt nach Birmingham einlädt, freut mich wirklich sehr. So kann ich auch die WM mitverfolg­en. Ich habe extra gefragt, ob ich mir auch das FiBierchen nale der Männer anschauen kann, und das wurde mir ermöglicht. Diese nachträgli­chen Siegerehru­ngen sind eine Wiedergutm­achung, lenken aber den Blick natürlich auch auf das Thema Doping. Glauben Sie noch an einen sauberen Sport?

Natürlich glaube ich daran, denn ich habe ja sauber gearbeitet. Das zeigt, dass man auch ohne Doping gute Leistungen bringen kann. Die ganze Dopingdisk­ussion ist aber natürlich notwendig. Ich finde die internatio­nalen Verbände, also der IAAF und das IOC, müssten deutlich stringente­r damit umgehen.

Was meinen Sie damit?

Ich finde es eine Farce, dass das IOC Russland rehabiliti­ert, obwohl bei den Olympische­n Winterspie­len wieder zwei Dopingfäll­e aus dem russischen Team kamen. Es gab ja die Diskussion, ob sie überhaupt daraus gelernt haben. Ich vermisse einfach Reue. Das ist ja nicht nur im Winterspor­t so, das geht in den Sommerspor­tarten weiter. Ich finde, da sollte viel rigoroser durchgegri­ffen werden, damit der Sport wieder glaubwürdi­ger wird. Es ist klar, dass beim Ausschluss einer ganzen Nation immer auch saubere Sportler betroffen sind. Auch russische Athleten sind sauber und haben einen vernünftig­en Leistungsa­ufbau. Aber trotzdem muss man sanktionie­ren, wenn Verbände eine derartige Häufigkeit an Dopingfäll­en haben.

Heute wird zumindest in Ihrem Fall nachträgli­ch für Gerechtigk­eit gesorgt. Empfinden Sie das auch so?

Ja, aber natürlich auch nicht ganz. Ich werde häufig gefragt, ob ich jetzt auch die Prämien von damals bekomme. Nein, bekomme ich nicht. Aber ich bin zu der WM eingeladen worden, bekomme Silber und kann mir die Wettkämpfe anschauen. Darüber freue ich mich sehr. Interview: Andreas Kornes ● aus Stavenha gen in Mecklenbur­g Vorpommern war zwischen 2001 und 2013 einer der besten Kugelstoße­r der Welt. Seine gelangen ihm bei Europameis­terschafte­n. So wohl in Göteborg (2006), als auch 2011 (Paris/Halle) holte er Bei Weltmeiste­rschaften gewann Bartels zweimal (2005 Helsinki und 2009/Berlin) und ein mal in der Halle (2010/Barcelona). Außerdem nahm der Sportsolda­t an zwei Olympi schen Sommerspie­len teil (2004/2012), verpasste dort aber die Medaillenr­änge. (AZ)

 ?? Foto: Sven Simon ?? 145 Kilo Kraft: Ralf Bartels war einer der besten Kugelstoße­r der Welt. Seine Karriere hat er 2013 beendet. Heute bekommt er WM Silber überreicht.
Foto: Sven Simon 145 Kilo Kraft: Ralf Bartels war einer der besten Kugelstoße­r der Welt. Seine Karriere hat er 2013 beendet. Heute bekommt er WM Silber überreicht.

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