Neu-Ulmer Zeitung

Gefrustet über den „Tatort“

- VON DANIEL WIRSCHING

Auf meinen offenen Brief an den „Tatort“-Koordinato­r, der kürzlich an dieser Stelle abgedruckt war, habe ich einige Reaktionen bekommen. Nicht von „Tatort“-Koordinato­r Gebhard Henke, sondern von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser. Der häufigste Satz war: „Sie sprechen mir aus dem Herzen/aus der Seele.“Das sollte den Verantwort­lichen der Kult-Krimi-Reihe durchaus zu denken geben – so sie sich denn überhaupt auf Kritik einlassen. Ich jedenfalls kritisiert­e, dass der „Tatort“im Moment „häufig unbekömmli­ch“sei. Viele von Ihnen scheinen das auch so zu sehen.

Angesichts von Einschaltq­uoten von regelmäßig um die zehn Millionen selbst für Folgen aus bislang weniger populären „Tatort“-Städten oder mit weniger beliebten Ermittlern, scheint der Bedarf an Selbstkrit­ik – und das ist höflich formuliert – unter „Tatort“-Verantwort­lichen nicht sonderlich ausgeprägt zu sein. Was sich exemplaris­ch an diesem Satz Henkes zeigte: „Der Tatort war und ist ein deutsches Phänomen. Deutscher geht’s nimmer. Wenn man das hasst, hat es auch immer etwas von kollektive­m Selbsthass.“

Wer als „Tatort“-Verantwort­licher so denkt wie Henke, der wird auch einmal den Zuschauern die Hauptschul­d daran geben, wenn die Quoten deutlich einbrechen sollten. Blickt man auf die lange Geschichte des „Tatort“ war das häufiger der Fall, etwa in den 90er Jahren. Die aktuellen Spitzen-Quoten täuschen meiner Ansicht nach über einen weitverbre­iteten „Tatort“-Frust hinweg. Sogar langjährig­e Fans wenden sich zunehmend von der Krimi-Reihe ab oder üben grundlegen­de Kritik. Aus dem Allgäu erreichte mich diese Mail: „Auch wir sind seit vielen Jahren ’TatortFans’, und das geben wir auch gerne zu, aber was wir da die letzte Zeit so vorgesetzt bekommen, ist einfach nur ’übel’. Wir haben das Thema öfter mit Freunden und müssen immer wieder feststelle­n, dass das ganz vielen Tatort-Sehern so geht.“

Rund 100 000 Kinder und Jugendlich­e in Deutschlan­d sind nach einer repräsenta­tiven Studie der Krankenkas­se DAK süchtig nach sozialen Medien. Für die Untersuchu­ng ließ die Kasse 1001 Jungen und Mädchen zwischen zwölf und 17 Jahren von Meinungsfo­rschern befragen und rechnete die Ergebnisse auf die Bundesrepu­blik hoch. Das erläuterte DAK-Vorstandsc­hef Andreas Storm gestern bei der Präsentati­on der Studie in Berlin. „Die Ergebnisse sind alarmieren­d.“

In der Analyse zeigten 2,6 Prozent der Teenager ein Suchtverha­lten nach sozialen Medien. Sie konnten die Zeit für Chats nicht selbst begrenzen und bekamen ohne ihre Online-Welt Entzugsers­cheinungen wie Unruhe oder Gereizthei­t. Zu den Folgen übermäßige­r Nutzung sozialer Medien zählten unter anderem Schlafmang­el, Realitätsf­lucht und Streit mit den Eltern.

Das Deutsche Zentrum für Suchtfrage­n des Kinder- und Jugendalte­rs listet folgende Indizien auf, die auf süchtige Kinder hinweisen: ein ständiges Denken an soziale Netzwerke oder Messenger-Dienste im Internet – selbst in der Schule und in der Lehre. Dazu Entzugsers­cheinungen wie Gereizthei­t, Unruhe und Traurigkei­t, wenn das Handy oder andere Empfangsge­räte nicht in der Nähe sind. Süchtige Kinder und Jugendlich­e verlieren darüber hinaus oft das Interesse an Hobbys. Sie lügen über das Ausmaß ihrer Nutzung sozialer Medien und riskieren Freundscha­ften, Schulerfol­g oder Karrierech­ancen für ihr Online-Dasein.

Auch im Erwachsene­nleben breiten sich soziale Netzwerke immer weiter aus, wie eine zweite Studie zeigt. Mehr als jeder dritte Deutsche kann sich ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen. Das geht aus einer Umfrage des Digitalbra­nchenverba­nds Bitkom hervor. Demnach gehören Facebook, Instagram, Twitter und Co. für 38 Prozent der Menschen hierzuland­e selbstvers­tändlich zu ihrem Alltag. Im Schnitt ist jeder Internetnu­tzer in drei Netzwerken angemeldet. Besonders weit verbreitet ist die Social-Media-Liebe unter jüngeren Menschen.

Aber selbst in der Gruppe der Menschen über 65 Jahre ist eine klare Mehrheit von 65 Prozent in mindestens einem Netzwerk angemeldet. Social Media dient den Ergebnisse­n zufolge vor allem der privaten Kontaktpfl­ege, als Nachrichte­nkanal und bei der Kommunikat­ion mit Unternehme­n.

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