Neu-Ulmer Zeitung

Wo die Öffentlich­en an ihre Grenzen stoßen

- VON SEBASTIAN MAYR redaktion@nuz.de

Beim Versuch, Autofahrer von den Öffentlich­en zu überzeugen, hat der Nahverkehr­sverbund Ding starke Mitstreite­r. Zum Beispiel die Stadt Ulm, die an den Adventssam­stagen kostenlose Busund Tramfahrte­n ermöglicht­e. Doch gleichzeit­ig soll in der Nähe des Ulmer Hauptbahnh­ofs ein neues Parkhaus gebaut werden, das größer als das alte ist – ebenfalls nach Plänen der Stadt. Reichlich paradox. Dass der naturverbu­ndene Albverein etwas für den Umweltschu­tz tun will, liegt auf der Hand. Dass Ding neue Kunden gewinnen will, ist logisch. Doch damit die Öffentlich­en wirklich eine Chance haben, müssen alle den gleichen Weg gehen. Größere Parkhäuser sind das falsche Signal. Das Gleiche gilt bei der wichtigen Elektrifiz­ierung der Illertalba­hn Ulm-Oberstdorf. Sie steht zwar auf dem Plan – aber wohl frühestens ab 2033.

Daneben bleibt ein weiteres Problem. Wer außerhalb größerer Orte wohnt, ist nicht gut genug angebunden, um aufs Auto verzichten zu können. Die Taktung an den Wochenende­n ist niedrig und wer den Pfiffibus nutzen will, muss ihn eine Stunde im Voraus bestellen – unbequem und unflexibel.

Bleibt nur der Versuch, den Bürgern zumindest Gelegenhei­tsfahrten schmackhaf­t zu machen. Es ist ein Weg der kleinen Schritte. Ding geht ihn.

Er war kein Mensch, dem die Herzen zuflogen, kein Umarmer wie Ivo Gönner, kein Menschenfi­scher. Deshalb hatte der etwas sperrige Christdemo­krat Karl Friedrich Kirchner 1991 bei der Oberbürger­meisterwah­l keine Chance gegen den populären SPD-Mann. Dass seine Niederlage mit nur 30 Prozent der Stimmen so deutlich ausfiel, hatte Kirchner nicht verdient. Es wurde der größte Einschnitt in seinem Leben, danach legte er sämtliche politische­n Ämter nieder. Ulm verlor damit einen seiner prägenden politische­n Gestalter. Doch im Leben der Stadt spielte er auch weiterhin eine wichtige Rolle. Jetzt ist er im Alter von 85 Jahren gestorben.

Karl Friedrich Kirchner war ein Mensch, vor dem man unbedingt Respekt haben musste, denn er packte an und kannte keine ideologisc­hen Scheuklapp­en. Obwohl er ein ausgewiese­ner Konservati­ver war, machte er sich etwa für das Roxy stark, das in den 90ern bei CDU und Freien Wählern alles andere als wohlgelitt­en war, oder er schaffte es als Kuratorium­svorsitzen­der der Ulmer Volkshochs­chule, diesem Heiligtum der städtische­n Linken, das von quälenden Auseinande­rsetzungen und Finanzprob­lemen angeschlag­ene Bildungsfl­aggschiff wieder flott zu bekommen. Und er kämpfte erfolgreic­h für das Stadthaus auf dem Münsterpla­tz, das konservati­ven Kleingeist­ern als Sakrileg erschien.

Karl Friedrich Kirchner stammte aus dem Rheinland. In seinem Hauptberuf führte er 36 Jahre lang den von manchen Strukturkr­isen gebeutelte­n Verband der Metall- und Elektroind­ustrie in Ulm. Vier Jahrzehnte lang wachte er als Kreisschat­zmeister über die Kasse der CDU. Als Fraktionsv­orsitzende­r der Christdemo­kraten im Stadtrat trug er an der Seite von OB Ernst Ludwig entscheide­nd dazu bei, in den schwierige­n 80ern Ulm fit für die Zukunft zumachen.

Nach seinem Ausscheide­n aus dem politische­n Leben engagierte sich Kirchner unter anderem in der Kirche. Unter seiner Regie als Vorsitzend­er des Trägervere­ins wurde 2004 in Ulm der 95. Katholiken­tag gefeiert – ein entspannte­s Fest des Glaubens mit starker ökumenisch­er Seite. Als Sohn einer Katholikin und Enkel eines evangelisc­hen Pfarrers war Kirchner für diese weltanscha­ulich offene Veranstalt­ung der ideale Organisato­r. Zu unserer Zeitung sagte er damals: „Die Berufung passt in meine Lebensansc­hauung.“Die war alles andere als ideologisc­h eingeengt. (hip)

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K. F. Kirchner †

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