Blühende Fantasie
Der chinesisch-holländische Künstler Zhuang Hong Yi macht aus Papierblüten bunte und großformatige Wandobjekte, die mit der Wahrnehmung des Betrachters spielen
Der Chinese Zhuang Hong Yi saß im Flugzeug, als er den Blüten verfiel. Im Landeanflug auf den Flughafen Amsterdam-Schiphol sah er durch das Fenster des Fliegers das Tulpenmeer der Gartenanlage von Keukenhof, die jedes Jahr Hunderttausende Besucher anzieht. Zhuang, der schon in seiner Heimat Kunst studiert hatte und auf dem Weg zu seinem Anschlussstudium in Groningen war, hatte sein Thema gefunden. Das Museum Ulm zeigt nun als erstes Museum in Deutschland eine Ausstellung mit Arbeiten Zhuangs: Kunst fernab von politischer und gesellschaftlicher Relevanz – aber betörend schön.
Das unterscheidet Zhuang, der 1962 geboren wurde, von vielen seiner Landsleute, die oft eher an ihrer Haltung als an ihrem ästhetischen Ausdruck gemessen werden. Dabei war sein Umzug nach Holland 1990 stark von den Verhältnissen in China motiviert. Die dortigen Hoch- schulen waren ihm zu ideologisch geprägt, zu stark auf die Bewahrung althergebrachter Techniken fixiert. Und es war das Jahr nach dem Massaker auf dem Platz des himmlischen Friedens, das die Hoffnung auf Freiheit für eine ganze Generation zerstörte. Doch Zhuang blieb ein Künstler zwischen den Kulturen: „In China habe ich gelernt, meine Hände zu benutzen. Und in Europa, dass die Hände dem Kopf, der Idee folgen sollten“, beschreibt er seinen Werdegang. Heute lebt und arbeitet er sowohl in Rotterdam als auch in Peking.
Die Ulmer Ausstellung, „Flowerbeds“(„Blumenbeete“) wie seine wichtigste Werkreihe betitelt, lässt den Besucher genau diese Verbindung zweier Kulturen nachempfinden. Denn so europäisch-konzeptionell die Methode sein mag, das Material ist asiatisch: Die einzelnen Blüten – von der Form her entweder Tulpen oder Rosen – bestehen aus verschiedenfarbigem chinesischem (Reis)papier, teils sind sie für Deko- rationszwecke angefertigte Fertigblumen. Sie werden, hauptsächlich in Zhuangs Werkstatt in Peking, vorgeschnitten und gefaltet, sodass der Künstler selbst im Wesentlichen das Arrangement auf zumeist großformatigen Tableaus und die Kolorierung übernimmt.
Letztere ist für die Wirkung der zumeist großformatigen „Flowerbeds“entscheidend: Denn diese wechseln beim Vorbeigehen die Farben. Zhuang schafft dies, indem er von einer Seite aus mit der Airbrush in einigen neueren Arbeiten noch stärker nähert. In diesen sind fertige chinesische Dekoblüten auf Leinwänden zu bunten Blumenmeeren collagiert, unter einem Himmel aus dick aufgetragener und ausdrucksstark verschmierter Acrylfarbe: Monet trifft auf Nippes und die abstrakte Malerei der Gegenwart. Eine reizvolle Weiterentwicklung von Zhuangs Blumenthema.
„Flowerbeds“– präsentiert im Grafikkabinett des Museums, wo sonst Papierarbeiten ganz anderer Art zu sehen sind – ist eine Ausstellung zum Schwelgen und schmeichelt in ihrer bunten und duftigen Blumigkeit der vom langen Winter gebeutelten Seele. Bilder wie ein Blumenstrauß auf dem Wohnzimmertisch. Wer darauf keine Lust hat, könnte die Kunst von Zhuang Hong Yi allerdings auch ein bisschen zu schön finden. O
„Flowerbeds“wird heu te, Freitag, um 19 Uhr eröffnet und läuft danach bis 17. Juni. Reichtum, zumal der materielle, spaltet die Gesellschaft. Wenige haben sehr viel, und die anderen teilen sich den Rest. Aber wo fängt Reichtum an? Und wie viel ist genug? Bei der zweiten Ausgabe von „Roxy Latenight“am Mittwoch, 7. März, im Labor des Kulturzentrums spricht Moderatorin Dana Hoffmann mit Professor Dr. Martin Groß (Soziologe), Ulrik Remy (Liedermacher und Lebenskünstler), Gunter Scheitterlein (Vesperkirche Ulm) und Anna-Sophie Brüning (Dirigentin, engagiert für bedingungsloses Grundeinkommen) über Leben im Luxus, Gerechtigkeit und geistigen Reichtum. Beginn ist um 20.30 Uhr, der Eintritt ist frei. (az) Der für heute, Freitag, im Akademietheater geplante Abend „Lieder und Lyrik“mit Johnny Warrior, Anna-Elisabeth Brüderl und Fay Neary fällt wegen Krankheit aus. Die anderen Vorstellungstermine – 16. und 24. März – sind davon nicht betroffen. (az)