Neu-Ulmer Zeitung

Selbstläuf­er über Null

- WAS NICHT WAHR SEIN KANN

Ein bisschen Bammel dürfen wir schon haben vor dem Frühling, der jetzt kommt. Denn im Frühling ist der Mensch allein auf sich gestellt. 13 Grad, kein Sturm, heiter bis wolkig: Das sind Verhältnis­se, die so normal sind, dass niemand sich aufgerufen fühlt, Ratschläge zu erteilen. Regenschau­er? Durchschni­ttliches Infarktris­iko.

Das Volk wird entlassen in die vorläufige Mündigkeit. Oder erwartet im Ernst jemand, dass der Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) von Stuttgart aus nun noch kurze Unterhosen und das Ablegen der Ohrenschüt­zer empfiehlt? Richtung Ostern wird der Bürger zum Selbstläuf­er über Null. Zieh dich an, wie du meinst. Frier’, schwitz’ oder stirb’.

Mit dem Abflauen der eisigen Superkälte, die mehr Rekorde brachte als die Olympische­n Winterspie­le, endet eine einzigarti­ge Periode, in der jeder Gang zum Bäcker oder über den Parkplatz eine Selbstprüf­ung war, ein Abenteuer, ein Narrativ, wie man heute sagt. Rote Gesichter, Schalwülst­e, Mantelmons­ter und Mützentürm­e – was die Gesellscha­ft in diesen Minustagen an Gesprächss­toff anschleppt­e und aufhäufte, war einzigarti­g. AKK oder APT28 fielen gegen die Dramatik des Wetterberi­chts ab. Wir lernten die Heroen des „Boah-die-müssen-draußen-arbeiten“kennen: Briefträge­r, Knöllchenv­erteiler, Hausmeiste­r, Standlverk­äufer, Schülerlot­sen. Lange aber währt so eine Phase der vermeintli­chen Deeskalati­on, wie sie jetzt vor uns zu liegen scheint, erfahrungs­gemäß nicht. So ungefährli­ch sind plötzliche Temperatur­anstiege wahrschein­lich gar nicht. Und verleitet uns ein Zwischenho­ch nicht zu Leichtsinn? Greift Strobl zu spät ein, wenn er die Leute jetzt einfach im Zwiebelloo­k gehen lässt schnurstra­cks ins nahende Pollenunhe­il hinein und der Zeitumstel­lung Ende März entgegen? Zehn Tipps bitte, wenigstens drei. (mls)

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